Die meisten amerikanischen Medien berichten trotz den sich überschlagenden Ereignissen eher ausgeruht und sachlich über die neue Trump-Administration. Für die Aufregung, wie sie in der europäischen Presse herrscht, ist gar keine Zeit.
Wie amerikanische Medien zu Beginn der zweiten Trump-Ära mit Reizthemen umgehen, zeigt sich gut am Beispiel von Elon Musks Grussgeste während seiner Ansprache zur Amtseinsetzung von Präsident Trump. Natürlich sei Musk kein Nazi, erklärte Michael Che im «Weekend Update» des Comedy-Evergreens «Saturday Night Live» vor gut einer Woche. Denn anders als Musk mit seinem klotzigen Cybertruck hätten die Nazis wenigstens schöne Autos gemacht.
Freilich nahmen nur wenige Medien die erste skandalträchtige Szene in der zweiten Trump-Administration mit Humor. Aber anders als etwa in deutschsprachigen Medien verfiel kaum ein amerikanischer Musk- oder Trump-Kommentator in Schnappatmung. Radikale wie Joy Reid bei MSNBC, die Trump zum Holocaust-Gedenktag während über zwei Minuten mit Adolf Hitler gleichsetzte, bestätigen die Regel.
Relativ gemässigt zeigen sich die Medien einerseits, weil Sprechhandlungen oder analoge Handlungen wie Musks Gruss durch das First Amendment vor staatlichem Einspruch geschützt sind. Man geht darum entspannter damit um als in Deutschland, wo der Staat von Gesetzes wegen einschreiten müsste. Zudem gibt es derzeit einfach Wichtigeres als eine Debatte über Musks Armstellung.
Unverbindliche Erwägungen
Konservative Kommentatoren, etwa im «Wall Street Journal» oder im «National Review», argumentierten mit Verve, dass der notorisch linkische Elon, von Dankbarkeit für seine Fans übermannt («my heart goes out to you»), sich zu einer unkontrollierten Zuckung hatte hinreissen lassen. Von Hitlergruss also keine Spur. Linksliberale Medien wie das «Time Magazine» oder das «Slate Magazine» hingegen benannten und verurteilten Musks Geste als Hitlergruss.
Im Übrigen berichtete man über eine «fragwürdige Geste», man werweisste, ob sie als Hitlergruss zu verstehen sei, lieferte historische oder medizinische Deutungshilfe («Saluto romano» oder «autistico»). Oder man befragte Historiker, Politiker und Aktivisten. Das Gros der Medien (von Nachrichtenagenturen wie AP bis zu Magazinen wie «The Atlantic») zog sich auf eine journalistische Reflexionsebene zurück, wo man ganz unverbindlich bleiben konnte. Höchstens wurde, wie in der «New York Times», die Causa Musk und AfD in eine dediziert deutsche Echokammer verschoben, indem man vorab deutschsprachige Korrespondenten zu Wort kommen liess.
Derlei Besonnenheit lassen europäische Medien vermissen. Das zeigt stellvertretend etwa der Kommentar der «TAZ»-Chefredaktorin Barbara Junge am 24. Januar. Ausgehend von Musks Gebärde macht Junge das Schreckensduo Trump und Musk kurzerhand zu «Faschisten des 21. Jahrhunderts». Plausibilisiert wird der Vorwurf mit einem Hinweis auf Trumps Begnadigung von 1500 verurteilten Capitol-Stürmern. Dann streut sie Begriffe wie «Führerprinzip» und «weisse Herrenmenschenrasse» ein, weist auf die «kulthafte und gewaltbereite MAGA-Bewegung» hin und versteigt sich zu der These, dass «Checks und Balances der meisten Institutionen auf eine Linie gebracht» worden seien. Schliesslich führt sie auch noch Trumps «globalisierten Kapitalismus» ins Feld.
Keine dieser Begründungen hat Hand und Fuss: Trump ist eher wirtschaftlicher Protektionist denn Globalist. Präsidentielle Begnadigungen sind verfassungsmässig. Und überhaupt: Die amerikanischen Wähler haben im vergangenen November über das ganze wirtschaftliche, ethnische und gesellschaftliche Spektrum hinweg für Trump gestimmt.
Journalisten haben genug zu tun
Wüssten wir nicht, dass Barbara Junge von 2013 bis 2016 USA-Korrespondentin des «Tagesspiegels» in Washington war, man würde ihr neben der Lektüre der amerikanischen Verfassung auch einmal eine Studienreise in die USA empfehlen. So aber lässt sich der Verdacht nicht entkräften, dass hier medial ein angeblich antifaschistischer, antiamerikanischer Anti-Trump-Diskurs konstruiert wird, der in Deutschland vor der Wahl und unter dem Eindruck von Elon Musks Sympathien für die AfD, Alice Weidel oder «Die Welt» gut zum linken politischen Dogma passt. Mit der amerikanischen Wirklichkeit hat das wenig zu tun.
Das tägliche Geschehen indessen gibt amerikanischen Journalisten schon alle Hände voll zu tun. Kadenz und Wirkkraft von Präsident Trumps Executive Orders sind präzedenzlos: Frühpensionierungen für Staatsangestellte, Aussetzung der Finanzmittel für NGO, die neusten Verhaftungen und Ausschaffungen von illegalen Einwanderern, verbale Scharmützel mit Präsidenten anderer Länder oder gar eine Flugzeugkatastrophe. Beinahe stündlich brechen seit Trumps Amtsantritt Neuigkeiten über die Öffentlichkeit herein.
Die sachliche Berichterstattung zu den Executive Orders und die Prüfung ihrer Rechtmässigkeit – viele wurden umgehend legal angefochten – lassen schlichtweg keine Zeit für kapriziöse oder aktivistische Kommentare. Etwas anderes als «keep calm and carry on» liegt derzeit gar nicht drin.