Mittwoch, Februar 12

Loïc Brunschwig, der CEO von Bongénie, gehört zu einer Dynastie von Modehändlern. Seine Familie hat soeben 22 Millionen in ein neues Ladengeschäft in Zürich gesteckt.

Loïc Brunschwig hat ein Auge fürs Detail. Bei einem Rundgang durch die neuen Räume von Bongénie an der Bahnhofstrasse Anfang Februar bemerkt er sofort, was fehlt oder was noch angepasst werden muss. «Hier kommt noch eine weitere Lampe hin, richtig?», fragt er einen der anwesenden Handwerker, der die Frage bejaht. «Und dieses zerkratzte Gestell?» «Wird noch ersetzt.» Auch dass der Kellner an der hauseigenen Bar sich gar weit über den Tresen strecken muss, um Gläser zu reichen, entgeht ihm nicht. «Das schaue ich mir nochmals an», sagt er.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Eine Woche später ist es so weit. Am Dienstag öffnet das Geschäft von Bongénie an Zürichs bester Adresse. Auf 4000 Quadratmetern, verteilt über vier Etagen, bietet es Bekleidung, Schuhe, Accessoires, Parfums, Kosmetik und ein französisch inspiriertes Restaurant.

Die Eröffnung markiert für das Unternehmen das Ende einer Ära und den Beginn einer neuen: Über hundert Jahre lang befand sich das Geschäft am Paradeplatz im bekannten Grieder-Haus und hiess Grieder. Nun zieht es um und wechselt auch gleich den Namen. Der Vermieter hatte den Mietvertrag nicht verlängert.

Umzug als Chance

Loïc Brunschwig, 31 Jahre alt, leitet das Familienunternehmen. Die Kündigung im Grieder-Haus habe ihn und seine Familie stark beschäftigt, sagt er. Jahrelang hätten sie nach einer neuen Adresse gesucht – erfolglos. «Dann hörten wir von diesem Umbauprojekt, nur einen Steinwurf entfernt in Richtung See.»

Das Konzept: Ein ehemaliges Bürogebäude wird zur Bahnhofstrasse hin geöffnet, um den oberen Teil der Einkaufsmeile zu beleben. «Das wird uns gelingen, auch dank dem Restaurant, das ausserhalb der Ladenöffnungszeiten geöffnet bleibt.» Rückblickend sieht Brunschwig den Umzug als Chance. «Die Zürcher mögen Neues, und unser Angebot wird sie interessieren.»

Rolex als Auslöser für den Generationenwechsel

Loïc Brunschwig gehört zur fünften Generation der Genfer Besitzerfamilie. Sein Ururgrossvater Adolphe Brunschwig eröffnete 1891 in Genf sein erstes Warenhaus unter dem Namen Bongénie. 1972 wagte die Familie den Schritt über den Röstigraben und übernahm das Zürcher Modehaus Grieder. Den Namen Grieder liessen die Brunschwigs angesichts der grossen Bekanntheit stehen. Auch später zugekaufte Geschäfte in der Deutschschweiz nannten sie Grieder, während in der französischen Schweiz der Name Bongénie weitergeführt wurde.

Der Schritt zum CEO kam für Loïc Brunschwig unerwartet, zumal es diese Position in der Generation vor ihm gar nicht gegeben hatte. Sein Vater Nicolas Brunschwig, dessen Bruder Pierre und ihre Cousine Anne-Marie de Picciotto führten das Unternehmen bis dahin im Dreiergespann.

Doch 2022 stand die Familie unter Zugzwang, einen Nachfolger zu finden. Die Genfer Uhrenmanufaktur Rolex bot Nicolas Brunschwig die Position des Verwaltungsratspräsidenten an. «Mein Vater wollte die Aufgabe übernehmen, wusste aber, dass sie zeitintensiv sein würde», sagt Loïc Brunschwig. Gleichzeitig waren auch die anderen beiden Teilhaber bereits im Pensionsalter und wollten ihre operative Verantwortung abgeben.

«Ich musste mich schnell entscheiden, denn die Partner brauchten Klarheit über die künftige Organisation», sagt Loïc Brunschwig. «Aber es fiel mir nicht schwer, denn in meiner Generation gab es zu jener Zeit niemand anderen, der das Amt hätte übernehmen können.» Ein Cousin und eine Cousine hatten das Unternehmen bereits wieder verlassen, seine Schwester und die anderen Cousins waren alle jünger als er und noch nicht bereit dafür.

Loïc Brunschwig sagte zu, auch weil er bereits Erfahrung im Familienunternehmen gesammelt hatte. Von 2018 bis 2020 baute er das Digitalgeschäft aus – ein Bereich, der von seinem Cousin Mikael de Picciotto ins Leben gerufen wurde und der aus Loïcs Sicht noch grosses Potenzial hatte. Doch irgendwann fühlte er sich nicht mehr am richtigen Platz: «Ich habe einen Management-Hintergrund, die IT-lastige Arbeit passte nicht zu mir.» Nachdem er einen guten Nachfolger gefunden hatte, wechselte er zur Genfer Privatbank UBP, um im Bereich Private Equity dazuzulernen.

Die Doppelspitze hielt nicht lange

Seine Rückkehr ins Familienunternehmen im Jahr 2022 verband er mit einer Bedingung: Er wollte das Amt nicht allein ausüben. «Ich war erst 28 und sollte plötzlich 500 Mitarbeitende führen.» Deshalb schlug er ein Co-CEO-Modell vor, bei dem er sich die Verantwortung mit einem erfahrenen Manager von ausserhalb der Familie teilen würde.

Doch die Doppelspitze mit dem früheren Chef der Zürcher Niederlassung hielt nicht lange. Warum es zum Bruch kam, will Loïc Brunschwig nicht sagen, ausser dass viele Entscheidungen letztlich am Familientisch gefallen seien. Seit dem Frühling 2024 führt er das Unternehmen allein – im Wissen, dass er bei schwierigen Fragen die Eigentümer einbeziehen kann.

Ein besonderes Modegespür schreibt sich Loïc Brunschwig nicht zu. «Ich kleide mich gern gut, bin aber kein Fashionista.» Sein Stil: Chinos, Hemd, bequemes Sakko – keine auffälligen Marken, höchstens das geschwungene «B» von Bongénie als Pin am Revers. Nach dem Namenswechsel soll dieses Logo in der Deutschschweiz bekannter werden.

Nicht die Branche, sondern die Verantwortung für das Familienunternehmen zog ihn an. «Man wächst in das hinein, womit man aufwächst», sagt er. «Bei mir war es der Verkauf von Mode.» Sein Vater arbeitete bei Bongénie, seine Mutter führte ein eigenes Damenmodegeschäft. «Sie hätte gern bei Bongénie mitgemacht, aber die Familiencharta verbietet es Angeheirateten, ins Geschäft einzusteigen.»

Online ist unentbehrlich, aber im Mittelpunkt steht das stationäre Geschäft

Loïc Brunschwig weiss, dass er ein anspruchsvolles Geschäft führt. Der stationäre Detailhandel steht unter Druck. Auch Bongénie hat schwierige Jahre hinter sich: die Finanzkrise von 2008, der starke Franken, die Konkurrenz des Onlinehandels, die Corona-Pandemie, die knappen Margen – zeitweise ging es mehr ums Überleben als ums Leben. Der Umsatz der ganzen Gruppe hat sich mittlerweile bei rund 210 Millionen Franken jährlich stabilisiert.

Trotzdem glaubt Loïc Brunschwig an die Zukunft von Bongénie. «Es gibt Platz für Fachgeschäfte, die neue Designer und Trends entdecken und exklusive Mode anbieten.» Die Kombination aus hochwertigen Produkten und Gastronomie sieht er als Schlüssel. Ein gut funktionierendes Online-Angebot sei unentbehrlich, aber nur als Ergänzung zu den Läden. Wichtig sei es, auch regelmässig Neues auszuprobieren: An den grossen Standorten wie Genf und Zürich kooperiert Bongénie mit der Zürcher Firma Reawake, um Secondhand-Luxusgüter wie Hermès-Taschen oder Gucci-Schuhe anzubieten.

Top-Golfer ohne Allüren

Über sich selber spricht Loïc Brunschwig nicht gern. Gewissenhaft sei er, bedacht. Dass er mit einem Handicap von –0,9 zu den besten 100 Golfern der Schweiz gehört, erwähnt er nicht von sich aus. Offen spricht er dagegen über seine Flugangst. Sie sei auch einer der Gründe gewesen, weshalb er sich als Teenager ein Leben als Golfprofi niemals hätte vorstellen können. Erst vor einigen Jahren habe er die Flugangst in den Griff bekommen. Er absolvierte ein mehrtägiges Seminar bei der Swiss. Nun sei es kein Problem mehr, wenn er geschäftlich hin und wieder fliegen müsse, etwa um Lieferanten zu besuchen. «Aber wenn immer möglich nehme ich den Zug.»

Siebzehn Bongénie-Läden gehören heute zu Loïc Brunschwigs Reich, acht in der Westschweiz und neun in der Deutschschweiz. Er führt sie gerne, aber es ist nicht sein Anspruch, das möglichst alleine zu tun. «Ich wünsche mir, dass mehr Familienmitglieder ins Unternehmen kommen.» Seine Schwester Marie arbeitet bereits im Einkauf. Vielleicht folgen weitere Cousins.

Exit mobile version