Sonntag, Oktober 6

Was Transparenz schaffen sollte, schafft Scheintransparenz.

Man wollte Transparenz schaffen und schuf Bürokratie. Auf Druck der Transparenzinitiative beschloss das Parlament vor drei Jahren, dass Parteien künftig ihre Finanzierung offenlegen müssen. Auf Plakaten für die Initiative hatte gestanden: «Wer bezahlt dieses Plakat?» Es klang alles schön und gut.

Die Realität ist eine andere: In dieser Woche stellte die Eidgenössische Finanzkontrolle den ersten Transparenzbericht zur Parteifinanzierung vor. Dabei kam heraus, dass die SP im Jahr 2023 mehr als neun Millionen Franken eingenommen hat – mehr als alle anderen Parteien, mit grossem Abstand. Linke Politik ist, anders als man selber gerne suggeriert, kein Underdog-, sondern ein Millionenbusiness. Die SP war und ist für diese Transparenzregeln. Aber natürlich relativiert die SP diese Zahlen jetzt. Und das nicht einmal zu Unrecht.

Denn alle Zahlen, die die Finanzkontrolle publiziert hat, sind relativ. So hat die SP Schweiz beispielsweise weitaus am meisten Mitgliederbeiträge eingenommen, aber vor allem deshalb, weil linke Politik zentralistischer funktioniert als bürgerliche Politik: Das Geld geht an den nationalen Parteiapparat. Wenn eine Partei ihre Mitgliederbeiträge hingegen nicht über nationale, sondern über kantonale oder kommunale Sektionen eintreibt, fehlen die Beiträge in den Tabellen. Es ist nur eine Verzerrung von vielen.

Weiter sind nur Einnahmen erfasst – wie gross das Vermögen der Parteien ist und wie viel sie tatsächlich jährlich ausgeben, weiss niemand. Am Freitagmorgen titelten die ersten Onlineportale, die SP sei die reichste Partei der Schweiz. Ob das stimmt, weiss aber niemand: Die Transparenzberichte legen keine Vermögen offen, sondern nur die Einnahmen eines einzigen Jahres.

Kommt hinzu, dass es mehrere Bereiche gibt, die sich überschneiden: die Finanzierung der Parteien, des Wahlkampfs und der Abstimmungskampagnen. Die einzelnen Spenden erscheinen teilweise in mehreren Berichten gleichzeitig – sie voneinander abzugrenzen, ist eigentlich nicht möglich. Die Finanzkontrolle verschickte in dieser Woche zusätzlich zu den Zahlen eine «vereinfachte Darstellung» mit gelb und blau gefärbten Tabellen, Zusatzhinweisen und «Erklärungen zum Verständnis». In einem Mediengespräch erklärte die Finanzkontrolle zudem, man müsse laut Gesetz auch Zahlen publizieren, von denen man wisse, dass sie falsch seien. Am liebsten, so lässt sich ihr Bericht interpretieren, würde sie ihre Kontrollfunktion wieder abgeben.

Als Journalist gilt grundsätzlich: Je mehr Informationen, desto besser – das Problem dieser Transparenzregeln ist aber, dass sie nie das vollständige Bild hervorbringen werden. Natürlich kommen bereits Forderungen nach noch detaillierteren Vorschriften. Aber das würde nie enden: Warum etwa sollen nur nationale Parteien ihre Finanzen offenlegen? Warum nicht kantonale Parteien? Warum nicht auch NGO, Verbände, Stiftungen? Und was, wenn die Politik dann über Vereine finanziert würde – müsste man dann nicht . . .? Es wäre ein abschüssiger Weg in die Komplettüberwachung.

Zumal auch diejenigen Zahlen nur scheinbare Transparenz bringen, die vermeintlich einfach zu verstehen sind. Die Regeln schreiben vor, dass die jeweiligen politischen Lager offenlegen müssen, wie viel Geld sie für Abstimmungskämpfe ausgeben. Aber was, wenn irgendeine Partei im laufenden Abstimmungskampf um die BVG-Reform – rein zufällig, natürlich – eine Demonstration für bessere Renten organisiert? Wer kann nachweisen, dass es sich dabei um Abstimmungskampf und nicht um dauerhafte Parteiarbeit handelt?

In der direkten Demokratie werden alle Akteure laufend überprüft: von der politischen Konkurrenz, von den Medien, von der Stimmbevölkerung. Die neue Transparenzbürokratie, die viel Geld kostet und für die Parteien viel Aufwand bedeutet, hilft nicht weiter: Das Parlament hat eine Nebelmaschine gebaut.

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