Dienstag, Oktober 8

Zwei Reformen des Mietrechts sollen Missbräuche durch Mieter erschweren. Das Referendumskomitee warnt dagegen vor Missbräuchen durch Vermieter.

Die Stimmbürger haben keine Ruhe. Der nächste nationale Urnengang vom 24. November verlangt Urteile über den Ausbau von Nationalstrassen, eine Reform im Gesundheitswesen und zwei Revisionen des Mietrechts. Zu den beiden Abstimmungsvorlagen über das Mietrecht gibt es eine gute Nachricht: Sie sind inhaltlich überschaubar.

Die Beurteilung der Folgen kann trotzdem schwierig sein. Beide Vorlagen betreffen Wohn- und Geschäftsliegenschaften. Beide Änderungen sollen laut den Befürwortern Missbräuche der Mieter erschweren. Gemessen an der Rhetorik des Mieterverbands geht es dagegen um Düsteres: den Versuch der «Immobilien-Lobby», die Mieter leichter aus der Wohnung werfen zu können. Wegen eines Doppel-Referendums des Mieterverbands gibt es im November zwei Volksabstimmungen dazu.

Gut 60 Prozent sind Mieter

Das Mietrecht ist politisch delikat. Die meisten Bürger sind direkt betroffen. Ende 2022 lebten rund 61 Prozent aller Haushalte in Mietwohnungen und 36 Prozent in Eigentumswohnungen; der kleine Rest sind Sondersituationen wie etwa Dienstwohnungen. Direkt betroffen sind auch die Vermieter. Rund 46 Prozent der Mietwohnungen gehören Privatpersonen. Der Rest gehört unter anderem Pensionskassen, Versicherungen, Immobiliengesellschaften, Wohnbaugenossenschaften oder dem Staat.

Der Wohnungsmarkt ist kein freier Markt. Zum einen sind die Preise vor allem für Altmieter stark reguliert, so dass in grossen Städten Altmieter weit günstiger wohnen als Neumieter. Zudem gibt es Regeln zum Kündigungsschutz der Mieter. Grundsätzlich sind zwar Kündigungen mit einer Frist von mindestens drei Monaten möglich. Doch Kündigungen sind in gewissen Fällen anfechtbar, zum Beispiel wenn der Mieter während eines laufenden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens die Kündigung erhält. Losgelöst davon kann der Mieter in Härtefällen eine Erstreckung des Mietverhältnisses um bis zu vier Jahre oder bei Geschäftsliegenschaften gar um bis zu sechs Jahre verlangen.

Die beiden Abstimmungsvorlagen ändern nichts am genannten Kerngehalt des Mieterschutzes. Doch sie können indirekte Wirkungen auf den Kündigungsschutz haben.

Tiefere Hürde für Eigenbedarf

Die eine Reform will die Hürde zur Kündigung des Mietvertrags durch den Käufer bei Eigenbedarf der Liegenschaft etwas senken. Zur generellen Eigentumsgarantie der Bundesverfassung gehört im Prinzip auch, dass man vermietete Liegenschaften bei Bedarf selber nutzen kann. Das geltende Mietrecht berücksichtigt dies in dreifacher Hinsicht. Erstens: Bei einem Verkauf einer Liegenschaft muss zwar der Käufer im Prinzip bestehende Mietverträge übernehmen, doch bei «dringende(m) Eigenbedarf für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte» kann er das Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Mindestfrist von drei Monaten bei Wohnräumen und sechs Monaten bei Geschäftsräumen kündigen.

Zweitens: Bei dringendem Eigenbedarf sind ordentliche Kündigungen in Fällen, wo ein Rechtsstreit zwischen Mieter und Vermieter noch nicht geklärt ist oder weniger als drei Jahre zurückliegt, nicht anfechtbar. Und drittens: Bei der Beurteilung von Mietergesuchen zur Erstreckung des Mietverhältnisses müssen die zuständigen Behörden in der Interessenabwägung auch den Eigenbedarf des Vermieters und dessen Dringlichkeit berücksichtigen.

Das Bundesgericht hat in seiner Rechtsprechung den Begriff der Dringlichkeit zeitlich und sachlich interpretiert. Vereinfacht gesagt: Der Vermieter muss in Streitfällen nachweisen, dass der Verzicht auf die rasche Selbstnutzung seiner Liegenschaft nicht zumutbar ist. Laut Kritikern des Status quo ist dieser Nachweis zuweilen nur schwer zu erbringen, so dass betroffene Vermieter zum Teil noch Jahre auf die Eigennutzung verzichten müssten.

Die vom Parlament beschlossene Gesetzesrevision bringt auf den ersten Blick nur eine bescheidene Lockerung. In den drei genannten Fallkonstellationen müsste der Eigenbedarf des Vermieters nicht mehr dringlich sein, sondern nur noch «bedeutend» und «aktuell». Was diese neuen Adjektive für die Rechtsprechung genau heissen würden, ist laut Beobachtern unklar. Klar ist nur die Tendenz: Die Hürde für die Geltendmachung des Eigenbedarfs von Vermietern soll kleiner werden.

Laut den Gegnern erhöht diese Lockerung die Gefahr des Missbrauchs durch die Vermieter. Schon jetzt werde der Eigenbedarf auch als Vorwand gebraucht, um Mieter hinauszuwerfen und die betreffende Liegenschaft zu einem höheren Preis an Fremde zu vermieten.

Wie viele Problemfälle im geltenden Recht zum Thema Eigengebrauch vorkommen, ist unklar. Während der ganzen Parlamentsdebatte hatten weder die Vermieterseite noch die Mieterseite, noch der Bund konkrete Statistiken genannt – weil es diese nicht gibt, wie Beteiligte am Montag auf Anfrage sagten. Die Sache wird noch genauer anzuschauen sein.

Ärger mit Untervermietung

Separat zur Abstimmung kommt eine weitere Änderung des Mietrechts, und auch hier scheint es keine verlässlichen Zahlen zu geben. Dabei geht es um die Rahmenbedingungen für die Untervermietung. Nach geltendem Recht kann der Mieter die gemietete Wohn- oder Geschäftslokalität ganz oder teilweise untervermieten. Der Vermieter kann diese Untervermietung nur verweigern, wenn mindestens eine der folgenden drei Bedingungen vorliegt: Der Mieter legt die Bedingungen der Untermiete nicht offen; die Bedingungen sind im Vergleich zu jenen des Hauptmietvertrags missbräuchlich, oder dem Vermieter entstehen wesentliche Nachteile aus der Untervermietung.

Auch hier orten die Vermieter Missbrauch im Status quo. Zu hören ist von Fällen, in denen gemietete Wohnungen ohne Wissen des Vermieters während Jahren zum Mehrfachen des Hauptmietpreises untervermietet werden. Im Zeitalter von Online-Vermietungsplattformen à la Airbnb habe sich dieses Problem noch verschärft. Nach geltendem Recht könnten solche Missbräuche ein valabler Kündigungsgrund für den Vermieter sein. Doch laut Vermietervertretern steht bei solchen Streitigkeiten oft Aussage gegen Aussage.

Die vom Parlament beschlossene Gesetzesrevision bringt im Kern drei Änderungen. Erstens: Künftig braucht es für die Untervermietung eine schriftliche Zustimmung des Vermieters; dies soll spätere Beweisschwierigkeiten vermeiden und die mentale Missbrauchshürde für Mieter erhöhen. Zweitens: Der Vermieter kann seine Zustimmung künftig auch verweigern, wenn die vorgesehene Dauer der Untervermietung zwei Jahre übersteigt; dies soll die missbräuchliche Dauer-Untervermietung erschweren. Und drittens: Die Untervermietung ohne Zustimmung des Vermieters oder mit Falschangaben wird neu ausdrücklich als ausserordentlicher Kündigungsgrund genannt.

Skeptischer Bundesrat

Der Mieterverband bekämpft auch diese Änderungen. Zwei der Kernargumente: Bei Missbräuchen im geltenden Recht handle es sich nur um wenige Fälle, und die genannte Zweijahresfrist als neuer Verweigerungsgrund verhindere viele sinnvollen Untermietverträge – etwa bei längeren Auslandaufenthalten oder bei längerer Untervermietung einzelner Zimmer zur besseren Wohnungsauslastung. Eine längere Untervermietung wäre auch mit der Reform weiter möglich, aber der Vermieter müsste einverstanden sein.

Beide Vorlagen zur Mietrechtsrevision entstanden aus parlamentarischen Initiativen. Der Bundesrat hatte im Rahmen des Parlamentsprozesses zwar Verständnis für die Anliegen der Initianten gezeigt, doch das geltende Recht als genügend bezeichnet.

Exit mobile version