Montag, Februar 24

Die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt produziert zu viel und konsumiert viel zu wenig. Der Rest der Welt ist nicht mehr gewillt, diese Überproduktion zu absorbieren. Eine schmerzhafte Marktbereinigung in China ist nötig.

Trotz der Schaffung einiger der weltweit beeindruckendsten Unternehmen hat Chinas angebotsseitige Wirtschaftspolitik zu enormen Schulden der lokalen Regierungen, zerstörerischen Preiskriegen und erheblichen Verschwendungen von Ressourcen geführt.

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Die Führungsebene der Partei hat die Unhaltbarkeit dieser Situation seit Jahren erkannt. Bereits 2009 bezeichnete der Staatsrat die Überkapazitäten als ein «erhebliches Problem» und betonte den Wunsch, deren negative Auswirkungen zu mildern.

Dennoch wurde die Auseinandersetzung mit dem Thema Überkapazitäten aus vielen Gründen immer wieder hinausgezögert. Eine Vielzahl von Faktoren macht das Problem jedoch zunehmend unhaltbar, und Pekings Spielraum, es weiter aufzuschieben, schrumpft. Chinas Überkapazitätsproblem nähert sich einem kritischen Punkt, und es scheint, dass Peking nicht in der Lage ist, es zu lösen.

Zombie-Unternehmen werden künstlich am Leben erhalten

Überkapazitäten sind das Ergebnis inländischer Politikentscheidungen, die zu einem schnellen, häufig wirtschaftlich nicht tragfähigen Ausbau von Investitionen und Produktion geführt haben. Dieser Zyklus wird von Chinas lokalen Regierungen aufrechterhalten, die lange Zeit den Anreiz hatten, Investitionen und Produktion über alles andere zu stellen.

Diese Anreize werden durch die Angst vor steigender Arbeitslosigkeit verstärkt, die durch die Stilllegung von Produktionskapazitäten entstehen könnte. Die Folge sind Zehntausende von kleinen, unproduktiven Unternehmen in zahlreichen Branchen, die durch die Unterstützung lokaler Regierungen über Wasser gehalten werden.

In den vergangenen Jahren wurden Dutzende politische Massnahmen angekündigt, um das Problem der Überkapazitäten anzugehen, jedoch mit bestenfalls gemischtem Erfolg. Anstatt das Angebot zu reduzieren, bevorzugte Peking Methoden, die es den Überkapazitäten erlaubten, weiterzubestehen.

Beispielsweise begannen lokale Regierungen mit massiven ausserbilanziellen Kreditaufnahmen – mit Pekings Zustimmung –, um Schuldenbeschränkungen zu umgehen. Damit konnten sie weiterhin unproduktive Investitionen tätigen. Die «Belt and Road Initiative» sowie ein wachsender Handelsüberschuss halfen, einen Teil von Chinas Überproduktion ins Ausland zu verlagern. Gleichzeitig blieb das Wachstum im Lauf der 2010er-Jahre stark – besonders dank dem Boom im Immobiliensektor –, so dass Chinas Wirtschaft weitgehend in der Lage war, das Produktionswachstum zu absorbieren.

Auch der Globale Süden erhebt Zölle gegen China

Doch dieses Modell funktioniert nicht mehr. Das Wachstum hat sich aufgrund der anhaltend schwachen Inlandsnachfrage erheblich verlangsamt. Der primäre inländische Abnehmer von Industrieproduktion, der Immobiliensektor, ist nur noch ein Schatten dessen, was er vor fünf Jahren war. Die Bilanzen der lokalen Regierungen sind überdehnt. Weltweit errichten Länder – nicht nur die USA und die EU, sondern auch Staaten des sogenannten Globalen Südens von Brasilien über die Türkei bis Indonesien – Handelsbarrieren gegen chinesische Exporte.

Die Stützstrukturen, die die Überkapazitäten aufrechterhielten, bröckeln, aber die Industrieproduktion geht trotzdem nicht entsprechend zurück.

Angesichts der schwachen Nachfrage im Inland und des wachsenden Protektionismus im Ausland wird der Markt für chinesische Produktion in vielen Branchen schrumpfen. Gleichzeitig versiegt die Finanzierungsquelle der lokalen Regierungen. Das bedeutet, dass die Margen vieler Unternehmen – unzählige von ihnen arbeiten bereits defizitär – weiter unter Druck geraten werden.

Tausende Unternehmen müssten verschwinden

Sofern die Inlandsnachfrage in China keine dramatische Erholung zeigt, die Handelskonflikte nicht plötzlich verschwinden oder die lokalen Regierungen nicht kurzfristig neue Finanzierungsquellen finden, wird dieser Druck wahrscheinlich das Ende für Tausende von Unternehmen in China bedeuten.

Kurzfristig hat Peking einige begrenzte Möglichkeiten, um die Überproduktion irgendwie abzubauen. Die Regierung hat angedeutet, dass sie eine expansivere Fiskalpolitik fahren und das Haushaltsdefizit erhöhen wird, wobei auch die Nachfrage nach industrieller Produktion steigen könnte. Exporteure könnten zudem kreative Wege finden, um Handelsbeschränkungen zu umgehen.

Aber das wird nicht reichen. Das Problem der Überkapazitäten in China wird bald einen kritischen Punkt erreichen.

Die Stilllegung von Kapazitäten wird ein extrem schmerzhafter Prozess sein. Die notwendige Marktkonsolidierung wird zu zahlreichen Unternehmenskonkursen führen. Die Arbeitslosigkeit wird steigen. Die Menschen werden wütend sein. Ein Vorgeschmack darauf war bereits beim Immobiliencrash ab 2021 zu spüren, dessen Folgen in vielen Bereichen der Wirtschaft brutal waren und zu vereinzelten Unruhen und Ausschreitungen führten.

Eine zentrale Lehre aus dem Immobiliensektor ist, dass sich die Probleme von Überinvestition und Überproduktion mit der Zeit verschärfen und politische Massnahmen umso weniger in der Lage sind, die schädlichen Auswirkungen eines Abschwungs abzumildern, je länger das Problem unter den Teppich gekehrt wird. Wie der ehemalige Chefingenieur des Ministeriums für Industrie und Informationstechnologie, Xu Hongren, 2012 sagte: «Schwere Überkapazität stört die normale Marktordnung und muss wirksam geführt, eingeschränkt und rechtzeitig gelöst werden.»

Seine Worte wurden nicht befolgt.

Überkapazität betrifft viele Branchen, aber die Lösungen lassen sich auf zwei grundlegende Formen reduzieren: Ausweitung der Nachfrage und Reduktion des Angebots. China wird eine Mischung aus beidem benötigen, um das Problem zu bewältigen. Peking muss viel mehr tun, um das verfügbare Einkommen der Haushalte zu erhöhen. Hier gäbe es eine Vielzahl von Massnahmen, aber es fällt den politischen Entscheidungsträgern seit langem fürchterlich schwer, diese umzusetzen.

Die Reduktion des Angebots erfordert eine Veränderung der Anreize für lokale Regierungen, die Bekämpfung des hartnäckigen lokalen Protektionismus und eine umfassende Marktkonsolidierung. Unrentable Unternehmen müssen verschwinden. Auf diesem Feld wurden zwar Fortschritte erzielt, aber es geht nur langsam voran.

Peking übt sich in Verzögerungstaktik

Dies sind alles politische Empfehlungen, die seit Jahren, oft auf höchster Ebene, vorgeschlagen werden. Während meiner Amtszeit als Präsident der EU-Handelskammer in China haben wir 2009 und 2016 zwei Berichte veröffentlicht, die die Schwere des Problems hervorhoben und diese Lösungen vorschlugen. Leider wurden auch diese Vorschläge nicht befolgt.

Die Aussicht, dass Peking nun proaktive Massnahmen in diesen Bereichen ergreift, ist gering, insbesondere in einer Zeit, in der die schwächelnde Wirtschaft durch Exporte und industrieller Fertigung – genau die Bereiche, die von der Überproduktion betroffen sind – gestützt wird. Daher wird das Problem der industriellen Überkapazität, ähnlich wie das Problem der Spekulation und der irrsinnigen Überinvestitionen im Immobiliensektor, wahrscheinlich grösstenteils durch die Schwerkraft gelöst werden: Unternehmen und Branchen, die jahrelang gestützt wurden, könnten sehr schnell zusammenbrechen, was die Beamten zu hektischen Reaktionen zwingen würde.

Ich masse mir nicht an, genau zu wissen, wie dieser Prozess ablaufen wird. Verschiedene Branchen und Regionen werden unterschiedlich betroffen sein. Meine Botschaft ist lediglich, dass der Abwärtsdruck auf die Nachfrage stärker wird und die Möglichkeiten zur Stützung des Überangebots schwinden. Jahrelang durch günstige wirtschaftliche Bedingungen im In- und Ausland sowie durch kreative politische Lösungen getragen, erreicht das Problem der Überkapazität in China nun seine Grenzen.

Jörg Wuttke

Jörg Wuttke ist Partner bei DGA Albright Stonebridge Group in Washington. Er ist früherer Präsident der EU-Handelskammer in China und lebte vor seinem Umzug in die USA mehr als dreissig Jahre in Peking.
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