Montag, November 25

Wir können nicht planen, wann wir sterben. Und doch können wir einiges tun für ein langes und gesundes Leben. So wie die Oma unserer Autorin.

Kürzlich ist meine wunderbare Oma gestorben. Und ich war hin- und hergerissen zwischen tiefer Trauer und grosser Dankbarkeit für ihr langes Leben. Sie ist 92 Jahre alt geworden. Selbst hätte sie lange Zeit nicht gedacht, dass sie einmal ein so hohes Alter erreichen würde.

80 Jahre alt werden – das war für sie vorstellbar. Aber noch länger leben? Das war weder ihr Ziel, noch dachte sie, dass ihr das vergönnt sein würde. Doch die Jahre verstrichen, und meine Oma lebte weiter. Auch nach ihrem 80. Lebensjahr blieb sie noch lange Zeit fit, machte Spaziergänge, spielte mit Freunden und Verwandten Tischspiele und versorgte sich in ihrer Wohnung selbst. Auch ihre Gedächtnisleistung schwand erst viel später, als sie es immer vermutet hatte. Erst am Ende ihres Lebens verbrachte sie ein paar wenige Monate in einem Pflegeheim.

«Hauptsache, gesund»

In dieser Kolumne werfen Autorinnen und Autoren einen persönlichen Blick auf Themen aus Medizin und Gesundheit.

Meine Oma mag nicht damit gerechnet haben, dass sie solch ein hohes Alter erreichen würde. Aber wenn ich über ihren Lebenswandel nachdenke, dann meine ich, sie hat vieles richtig gemacht. Natürlich hat man auch mit den besten Strategien keine Garantie, ebenso lange zu leben, doch zumindest kann man die eigenen Chancen auf ein langes Leben durch bestimmte Verhaltensweisen günstig beeinflussen.

Viel Bewegung und gesunde Ernährung

Ich habe einmal ein Interview mit einem Demografen geführt, der erforscht, wie sich die Lebenserwartung der Menschen im Laufe der Jahrhunderte und Jahrzehnte verändert hat – und woran das jeweils lag. Im Gespräch sagte er mir als Tipp für ein langes und möglichst gesundes Leben: «Tu, was deine Mutter dir gesagt hat. Treibe Sport, rauche nicht, trinke nicht. Zieh dich warm an, und ernähre dich gesund.»

Getreu dem Motto «Wer rastet, rostet» ist meine Oma, solange es ihr möglich war, spazieren gegangen. Sie rauchte nicht, sie trank keinen Alkohol. Ich denke, sie hat sich dem Wetter entsprechend gekleidet, auch wenn ich nicht sicher bin, wie wichtig dieser Punkt wirklich ist. Gesund ernährt hat sie sich auch. Nun ist es ja nicht ganz eindeutig, was eine gesunde Ernährung überhaupt bedeutet. Aber ich meine, auf ihre Speisenauswahl traf das ganz gut zu: Sie hat selbst gekocht, Fast Food kannte sie nicht, auf ihrem Teller lagen vielfältige, bunte Lebensmittel.

Ein sinnerfülltes Leben

In einem anderen Interview, das ich geführt habe, ging es um ein sinnerfülltes Leben. Die Psychologin und Sinnforscherin Tatjana Schnell erklärte mir darin: «Sinnerfüllte Menschen leben gesünder. Das kann man bis auf die Ebene der Gene, der Hormone, der Neurotransmitter nachweisen.» Und wer gesünder lebt, hat auch gute Chancen, älter zu werden.

Ich kann bestätigen: Meine Oma hatte ein enorm sinnerfülltes Leben. Bei der Betrachtung der 26 Quellen, aus denen der Mensch laut Tatjana Schnell Sinn schöpft, erkenne ich einen Hauptpfeiler und etliche weitere Sinnquellen, die auf meine Oma zutreffen. Die eine oder andere mögliche Quelle hätte ihr zwar überhaupt nicht zugesagt. Aber es geht auch nicht darum, den vollen Katalog zu erfüllen. Wichtig ist, dass man in seinem Leben auf verschiedene Sinnquellen zurückgreifen kann. Denn wenn eine – warum auch immer – wegbricht, ist die Krise grösser, als wenn man die Sinnerfüllung auf unterschiedliche Pfeiler stützt.

Ich bin froh, dass meine Oma so vieles intuitiv richtig gemacht hat. Denn dadurch blieb sie mir und den vielen anderen Verwandten und Freunden lange erhalten. Nun ist ihr Leben zu Ende. Und sie inspiriert mich weiterhin.

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