Samstag, Dezember 21

Immer mehr europäische Städte erlassen Regeln für die Vermietung von Unterkünften, in Zürich kommt nun eine Airbnb-Initiative. Eine Datenanalyse zeigt, wo die vielen Airbnb-Angebote zum Problem geworden sind.

Viele europäische Städte ächzen unter dem Massentourismus. Einheimische in Touristenhochburgen sehen ihre Lebensqualität bedroht und wehren sich. Immer wieder kommt es zu Protesten: In Barcelona beschossen diesen Sommer aufgebrachte Demonstranten Touristen in Strassencafés sogar mit Wasserpistolen.

Ein Grund für den Unmut sind steigende Mieten. Wenn Wohnungen teuer an Touristen auf Airbnb vermietet werden und sich Einheimische das Leben in den Städten nicht mehr leisten können, ist die Wut gross. Die NZZ hat Standortdaten der Plattform Inside Airbnb ausgewertet, die zeigen, in welchen Städten es besonders viele Airbnb-Angebote hat.

Hohe Airbnb-Dichte in italienischen Städten

Anhand der Zahl der Airbnb-Inserate pro 1000 Einwohner kann man ablesen, wie stark die Bewohner einer Stadt durch Airbnb betroffen ist. Es zeigt sich: Im deutschen Sprachraum ist das Problem viel kleiner als in Italien, in Paris oder in Kopenhagen.

Die grössten Airbnb-Hotspots sind die beiden italienischen Städte Florenz und Venedig. In Venedig kommen 25 Airbnb-Angebote auf 1000 Einwohner, in Florenz sind es sogar 27.

Florenz

In Florenz ist vor allem die historische Altstadt beliebt, dort ist die Airbnb-Dichte mehr als viermal so hoch wie in den anderen Quartieren. Viele Touristen wollen nahe der berühmten Ponte Vecchio oder dem Wahrzeichen der Stadt, dem Duomo di Firenze, wohnen.

Paris

Paris landet pro Kopf auf Platz 3. Bei der absoluten Zahl an Airbnb-Angeboten liegt Paris ganz vorne. Derzeit sind dort rund 47 000 Wohnungen und Zimmer verfügbar. Die gesamte Stadt ist übersät mit Airbnb-Unterkünften, nicht nur die Spitzenlagen.

Zürich

Die beiden grössten Schweizer Städte, Zürich und Genf, sind mit vier beziehungsweise drei Airbnb-Angeboten pro 1000 Einwohner im Mittelfeld. Besonders in Zürichs Altstadt gibt es viele Unterkünfte, aber auch im Seefeld, beim Lochergut sowie rund um die Langstrasse sind zahlreiche Wohnungen und Zimmer zu finden.

Münchens und Berlins Bevölkerung sind durch Airbnb weniger stark betroffen. Dort beträgt die Dichte 2,5 beziehungsweise 1,8. In Berlin darf Wohnraum nicht zweckentfremdet werden, Ferienwohnungen müssen genehmigt werden.

Inside Airbnb

Inside Airbnb erhebt regelmässig die Inserate auf Airbnb in ausgewählten Städten, stellt sie grafisch auf einer Website dar und bietet die Daten zum Download an. Die Auswahl der Städte ist sehr selektiv: Die Plattform beinhaltet vor allem Inserate aus grösseren westeuropäischen und nordamerikanischen Städten. Asiatische Städte sind nur sehr wenige vertreten. Zudem fehlen kleinere Touristenstädte wie Luzern.

Dem Betreiber geht es hauptsächlich darum, das Geschäftsmodell von Airbnb zu kritisieren. Daher müssen die Daten vorsichtig interpretiert werden. So sind zum Beispiel viele Inserate auf der Plattform nicht mehr aktiv.
In diesem Artikel werden nur Wohnungen und Zimmer einbezogen, die auch wirklich verfügbar sind und in den letzten 12 Monaten mindestens eine Bewertung von Gästen erhalten haben. Der Datenstand ist Juni 2024.

Kommerz statt lokale Sharing-Economy

Ursprünglich war Airbnb als «Sharing-Plattform» gegründet worden, auf der einzelne Zimmer gegen Geld «geteilt» werden konnten. Mittlerweile weisen die Objekte, die dort angeboten werden, aber häufig kommerzielle Strukturen auf. So inserieren die Vermieter oft ganze Appartements statt einzelne Zimmer. In der Stadt Zürich sind über drei Viertel der Angebote Wohnungen und knapp ein Viertel einzelne Zimmer. Geteilte Zimmer machen nur 1 Prozent der Airbnb-Angebote aus. In anderen Städten ist die Verteilung ähnlich.

Kommerzielle Inserenten bieten in vielen Fällen mehrere Wohnungen an. In Zürich finden sich beim User-Namen «Dimi» 140 Inserate, mehr als 50 davon werden intensiv genutzt. Durch die persönliche Aufmachung entsteht der falsche Eindruck, dass hier eine Privatperson der Vermieter ist, klein und lokal. Andere Anbieter, etwa «Swissstay» mit mehr als 30 häufig genutzten Unterkünften, zeigen auf ihrem Profil offen, dass eine professionelle Agentur dahintersteht.

7 Prozent höhere Mieten wegen Airbnb

Airbnb ist nicht allein für die hohen Mieten verantwortlich, aber wissenschaftliche Studien zeigen, dass es vor allem in besonders beliebten Stadtlagen zu steigenden Preisen führt. So haben spanische und französische Forscher 2020 für Barcelona errechnet, dass Airbnb die Mieten in den beliebtesten Quartieren um 7 Prozent erhöht hat. Auch ein deutsches Forscherteam kam 2023 nach einer Analyse von 25 europäischen Städten zum Schluss, dass Airbnb signifikant zum Anstieg der Mietpreise beiträgt – vor allem in den Innenstädten.

In der Folge können sich immer weniger Einheimische die teuren Wohnungen leisten. Manche gehen auch freiwillig, da sie sich durch die ständigen An- und Abreisen und das Verhalten mancher Touristen gestört fühlen. Oder sie vermieten ihr Wohnobjekt in der Innenstadt per Airbnb unter und wohnen selbst an günstigerer Lage.

So hat Paris von 2015 bis 2021 netto 74 000 Einwohner verloren. Der Rückgang war rund um den Eiffelturm besonders gross. Die lokale Bevölkerung zieht in die berüchtigten Vororte, und Zehntausende Pariser Wohnungen werden nun von Touristen bewohnt. Auch in Venedig und Florenz ist deutlich sichtbar, dass immer mehr Menschen aus den historischen Stadtzentren fliehen. Im Kern Venedigs wohnen derzeit knapp unter 50 000 Personen, 2012 waren es noch fast 60 000.

Der Rückgang in den Altstädten ist jedoch ein Trend, den es bereits gab, bevor Airbnb in den Markt eintrat. So hat beispielsweise der Kreis 1 in Zürich seit 1970 mehre Tausend Einwohner verloren. Die Umwandlung von Wohnraum zu Ferienwohnungen dürfte dabei nur ein Faktor von vielen gewesen sein.

Zürcher SP lanciert Initiative

Dennoch regt sich vielerorts vor allem gegen die Airbnb-Apartments Widerstand. Im Schweizer Touristen-Hotspot Luzern nahm das Volk im Mai 2024 die Airbnb-Initiative der SP an, welche die Vermietung von Wohnungen an Kurzzeitaufenthalter auf maximal 90 Tage pro Jahr beschränkt. Ab kommendem Jahr soll die Regelung gelten, Airbnb hat seinen Widerstand dagegen aufgegeben.

Die Stadtzürcher SP will eine ähnliche Initiative noch dieses Jahr lancieren, wie der «Sonntags-Blick» kürzlich berichtete. Auch im Berner Oberland geht die Partei gegen Airbnb vor. In Brienz werden Unterschriften für eine Airbnb-Initiative gesammelt, ebenso in Interlaken und den umliegenden Gemeinden. Dort wurden die Volksbegehren teilweise bereits eingereicht.

Für die Bürgerlichen würde eine Annahme der Mietrechtsvorlage zur Untermiete gegen die Airbnb-Flut helfen. Die Schweiz stimmt am 24. November darüber ab. Das neue Gesetz sieht vor, dass künftig strengere Regeln für die Untermiete gelten sollen, etwa eine Begrenzung auf maximal zwei Jahre. Verstösst ein Mieter gegen die Regeln und vermietet die Wohnung beispielsweise ohne Einwilligung des Vermieters auf Airbnb, soll dieser dem Mieter einfacher kündigen können.

Für den Hauseigentümerverband würden so Missbräuche verhindert. Für den Mieterverband, der das Referendum ergriffen hat, würden hingegen die Rechte der Mieter zu stark beschränkt.

In Barcelona greift die Politik zu drastischeren Massnahmen. Im Juni kündigte der sozialistische Bürgermeister Jaume Collboni an, bis 2028 sämtliche Bewilligungen für touristische Vermietungen von Wohnungen auslaufen lassen zu wollen und so rund 10 000 Wohnungen, die derzeit an Touristen vermietet werden, wieder in den lokalen Wohnungsmarkt einfliessen zu lassen.

Die EU hat dieses Jahr neue Regeln für Kurzzeitvermietungen beschlossen. Neu wird jede Unterkunft in einem Register erfasst, und die Anbieter müssen Informationen zur Auslastung der Unterkünfte der EU weitergeben.

Über das richtige Mass der Airbnb-Aktivität wird auch künftig gestritten werden, ob in Florenz, Barcelona oder Zürich. Die Bedenken der Anwohner bezüglich der Mietpreise, des knappen Wohnraums und der kommerziellen Vermieter stehen auf der einen Seite. Auf der anderen mögliche Einnahmen für die Tourismusbranche und Anwohner, die sich mit Airbnb etwas dazuverdienen können. Die Politik wird Wege für eine effiziente Regulierung finden müssen, die mit dem Unmut der Bevölkerung umgeht, ohne die Touristen und die Airbnb-Anbieter in Toplagen zu verprellen.

Mitarbeit: Jonas Oesch

Exit mobile version