Mittwoch, November 27

Für die vierteljährlich von The Market befragten Anlageprofis stehen in den kommenden Wochen die Halbjahreszahlen im Fokus. Unter ihren Favoriten sind bewährte Werte wie Schindler, Tecan und Aryzta, es gibt nur wenige Neuzugänge.

Der Schweizer Aktienmarkt hat ein durchzogenes zweites Quartal hinter sich. Der marktbreite Swiss Performance Index tendierte mit Ausnahme eines deutlichen Anstiegs im Mai seitwärts bis schwächer, insgesamt resultierte zwischen April und Juni ein Plus von rund 3%. «Die eher zyklischer ausgerichteten Schweizer Mid & Small Caps litten weiterhin unter den wirtschaftlichen Unsicherheiten, sowohl in den USA als auch in Europa», hält Marc Hänni, Leiter Schweizer Aktien bei Vontobel Asset Management, fest. Die Underperformance der Nebenwerte dauere nun schon länger an, im laufenden Jahr liegt der SPI Extra mit einem Plus von 4,5% fast 5 Prozentpunkte hinter dem Gesamtmarkt.

«Während in den ersten Monaten des Jahres die hohen Zinsen in den USA einen negativen Effekt auf das Konsumverhalten hatten, scheint sich die Situation in Europa, aber auch in China in den vergangenen Wochen eher etwas verbessert zu haben», glaubt Hänni. Das sieht Martin Lehmann, CEO und Fondsmanager von 3V Asset Management, ähnlich: «Die Stimmung der US-Konsumenten hat sich klar abgekühlt, das spüren auch Schweizer Unternehmen, die in den USA aktiv sind, wie etwa Straumann.» Dafür sei der Konsum in Europa zuletzt etwas stärker gewesen als erwartet.

Insgesamt hat sich am Eindruck der vierteljährlich von The Market befragten Schweizer Fondsmanager wenig verändert. Wie schon im April gibt sich Marc Possa, CEO und Fondsmanager bei VV Vermögensverwaltung, zurückhaltend mit Blick auf die kommenden Monate. Das Umfeld bleibe für viele Gesellschaften herausfordernd. «Dies vor allem, weil sich in Europa die Konjunktur nicht wirklich erholt.» Obwohl der Lagerabbau in vielen Industrien bereits überwiegend vollzogen sei, sei der Auftragseingang noch sehr bescheiden ausgefallen. «Hier werden die anstehenden Halbjahresresultate und die damit einhergehenden Ausblicke mehr Klarheit und Aktualität bringen.»

«Bei den Halbjahreszahlen werden wir wohl ein durchmischtes Bild sehen», glaubt Lehmann. Anfang Jahr hätten einige Unternehmen noch auf eine Besserung des Geschäftsumfelds im zweiten Halbjahr verwiesen und damit Erwartungen geweckt, die sie jetzt zum Teil wohl nicht würden einhalten können. Auch Hänni erwartet für die Berichtssaison sowohl positive als auch negative Überraschungen. «Im Austausch mit den Unternehmen ist uns in den vergangenen Wochen die noch immer geringe Visibilität der zukünftigen Geschäftsentwicklung aufgefallen.»

Ähnliches beobachtet Philipp Murer, Leiter Portfoliomanagement bei der Bank Reichmuth: «Der Bestellungseingang und somit die Visibilität bleiben derzeit vielerorts tief. Dies hat die Kurse zum teil stark belastet.» Nun aber stabilisierten sich die Vorlaufindikatoren auf niedrigem Niveau und zögen leicht an, das sei historisch immer ein gutes Zeichen gewesen, vor allem für Zykliker und Nebenwerte. «Der Lagerabbau ist fortgeschritten. Die Kapazitätsauslastung ist tief, und die operativen Kosten bei den Unternehmen wurden stark reduziert.» Das werde für operativen Leverage sorgen, wenn der Bestellzyklus wieder anziehe. Und Lehmann gibt zu bedenken, dass die Vergleichsbasis deutlich einfacher werde, wenn man über 2024 hinaus auf die erste Hälfte von 2025 blicke.

Martin Lehmann erwartet, dass sich im Zuge der Ergebnispublikationen im Industriesegment durchaus Einstiegsmöglichkeiten ergeben. Im zweiten Quartal hat er seine Positionen in Calida, Barry Callebaut und Straumann etwas aufgestockt. Im Fonds 3V Invest Swiss Small & Mid Cap bleibt indes Aryzta die grösste Position. Drei Treiber machten eine Investition in den Grossbäcker interessant: «Erstens dürfte das organische Wachstum nach einem flachen zweiten Quartal für den Rest des Jahres gut bis sehr gut ausfallen.» Zweitens sieht der Fondsmanager weiteres Potenzial auf der Margenseite. Drittens rechnet er mit einer baldigen Refinanzierung der noch ausstehenden Hybridanleihe. Damit sinke nicht nur die Nettoverschuldung im Verhältnis zum Ebitda unter 3, wodurch sich das Unternehmen künftig günstiger finanzieren könne, sondern es entfielen auch Zinskosten, was sich direkt auf die Profitabilität auswirke.

Ein anderes Unternehmen, das sich laut Lehmann noch aus eigener Kraft weiter verbessern kann, ist Schindler. Der Liftbauer arbeite erfolgreich daran, bei der Profitabilität zu den Konkurrenten Otis und Kone aufzuschliessen. Dank der eingeleiteten Massnahmen werde die Belastung durch weniger lukrative Altaufträge sukzessive abnehmen. Der Fondsmanager kann sich vorstellen, dass bei der Marge noch etwas Luft nach oben ist. «Wenn der Markt das realisiert, könnte das zu einer Neubewertung der Aktie führen.»

«Temenos hat in den vergangenen Monaten klar enttäuscht», sagt Lehmann. Nicht nur hätten die Vorwürfe des Aktivisten Hindenburg Research das Vertrauen erschüttert, auch hätten sich Kunden mit Aufträgen zurückgehalten, was sich in den Quartalszahlen niedergeschlagen habe. Zudem konnte der Spezialist für Bankensoftware mit der Ernennung des neuen CEO Jean-Pierre Brulard nicht restlos überzeugen. Das Schlimmste habe das Unternehmen aber nun hinter sich, und der Rest der verschobenen Aufträge dürfte laut dem Fondsmanager noch im dritten und im vierten Quartal eintreffen. «Viele gehen davon aus, dass Temenos die Prognose für das Gesamtjahr kappen muss – ich nicht.» Damit habe die Aktie Potenzial für eine positive Überraschung, und schliesslich bestehe immer noch die Möglichkeit, dass das Unternehmen übernommen werde.

Ein weiterer Übernahmekandidat in Lehmanns Portfolio ist SoftwareOne. Das Management habe sich zuletzt erneut klar für ein Going Private ausgesprochen, die Publikumsöffnung sei laut Gründer und Präsident Daniel von Stockar zu früh gekommen, sagt der Fondsmanager. «Nachdem das Angebot der amerikanischen Private-Equity-Gesellschaft Bain und der Gründungsaktionäre von zuletzt 18.80 Fr. je Aktie vom alten Verwaltungsrat abgelehnt wurde, müsste ein allfälliger Käufer beim Preis wohl etwas höher zielen.» Derzeit notieren die Aktien unter 17 Fr.

Zu den Kernpositionen in dem von Marc Possa verwalteten SaraSelect-Fonds gehört seit einigen Jahren Bachem. Das Unternehmen wachse stetig und sei eines der wenigen in der Schweiz, die über fünf Jahre ein durchschnittliches Wachstum (CAGR) von mehr als 15% aufwiesen. «Die Aktien sind wegen der angelsächsischen Investoren zuletzt etwas volatiler geworden, werden aber auch zukünftig viel Freude bereiten, da die ‹Lifestyle-Medikamente› wie GLP-1 zur Gewichtsabnahme einen veritablen Boom geniessen.» Das schnelle Wachstum werde auch dazu führen, dass das optisch immer noch hohe Kurs-Gewinn-Verhältnis von fast 43 auf rund 20 zurückkomme. «Die Jahresresultate versprechen eine Bestätigung des starken Verkäufermarktes», ist Possa überzeugt.

Bei einem weiteren Pharmaauftragsfertiger hat Possa eine Position auf- und ausgebaut. Die auf Technologieplattformen spezialisierte Dottikon werde von Mehrheitsaktionär Markus Blocher als CEO und Präsident hervorragend geführt, und dieser hegt grosse Wachstumspläne: Gegenwärtig investiert das Unternehmen mit einem Jahresumsatz von zuletzt 326 Mio. Fr. 700 Mio. Fr. in neue chemische Produktions- und Trocknungsanlagen für Pharmawirkstoffe sowie in die Infrastruktur. Mit jedem Franken, der heute in Investitionen fliesse, könne Dottikon künftig 1 Fr. Umsatz pro Jahr generieren, sagt Possa. «Unterstützend wirkt die Tatsache, dass US-Gesellschaften infolge des sich abzeichnenden Biosecure Act keine chinesischen Lieferanten mehr werden haben dürfen, wenn sie Medikamente in den USA verkaufen wollen.»

Wie bereits im Vorquartal hat Possa seine Position an SIG Group ausgebaut. Der Hersteller von Verpackungsmaschinen profitiere von defensiven Qualitäten, sei aber auch in einem strukturellen Wachstumsmarkt tätig: «Der angestrebte Verzicht auf Plastik und Aluminium entspricht vielen Kundenwünschen und sollte helfen, weitere Marktanteile zu gewinnen.» Das Unternehmen ist nach Tetrapak die klare, aufstrebende Nummer zwei in einem Markt, der aufgrund fehlender Kühlketten auf aseptische Kartonverpackungen angewiesen sei, und werde von Samuel Sigrist (CEO, zuvor CFO und Leiter Middle East) exzellent geführt.

Auch Skan befindet sich laut dem Fondsmanager in einem Markt mit strukturell hohem Wachstum: Als Innovationsführerin bei Isolatoren profitiert sie vom zunehmenden Einsatz flüssiger Wirkstoffe, die unter sterilen Bedingungen abgefüllt werden müssen, um Verunreinigungen des teuren Wirkstoffs zu vermeiden. «Was früher mit einem Heissluftföhn gemacht wurde, würde die biologischen Wirkstoffe vernichten», fügt Possa an. Dazu komme, dass Skan den Kunden bis zu ein Jahr «Go to Market» einsparen könne, weil sie schon während des Baus des Isolators seine Zertifizierung und Abnahme bewerkstelligen könne.

Philipp Murer setzt in seinem Fonds Reichmuth Pilatus im Nebenwertesegment auf Marktleader in ihren Nischen, die gut geführt sind und über eine solide Bilanz verfügen. Neben den Halbleiterzulieferern wie Comet seien auch Unternehmen in Zukunftsthemen wie saubere Energie (Belimo, Lem) und Automatisierung (Kardex, Interroll) gefragt. Die Auswahl bleibt auf konjunktursensitive Aktien ausgerichtet, unter den grössten Positionen sind die frühzyklischen Titel Bossard und SFS.

Neu im Portfolio sind die Aktien von Arbonia. Mit dem Verkauf der Division Klima zu einem attraktiven Preis sei dem Bauzulieferer der Befreiungsschlag gelungen, «und den Aktionären winken hohe steuerfreie Ausschüttungen». Ein Teil des Erlöses soll in die Marktkonsolidierung des Türengeschäfts investiert werden. Arbonia habe massiv in die Automation investiert und sei damit Technologieführerin, hält Murer fest. Der operative Hebel für den nächsten Aufschwung sei gross und dieser nur eine Frage der Zeit. «Das Türengeschäft ist attraktiv, cashflowstark und die Bilanz nach der Transaktion solide, was Arbonia auch für Private-Equity-Investoren interessant machen sollte.»

Gut für den Aufschwung gerüstet ist laut Murer auch Zehnder. Bei dieser Kernposition hat er im zweiten Quartal zugekauft. 2024 werde noch ein Übergangsjahr, aber das Unternehmen sei in einem strukturellen Wachstumsmarkt tätig, und nachdem sich der Kurs halbiert habe, sei die Aktie attraktiv bewertet. «Selbst im schwierigen 2023 haben sie im Radiatorengeschäft mit tiefer Auslastung Geld verdient, was mich positiv stimmt.» Die Marge liege nahe dem Zyklustief, zudem erwirtschafte Zehnder im Lüftungsgeschäft attraktive Renditen. «Das ist das Herzstück und wird an Einfluss gewinnen.»

Ebenfalls aufgestockt hat der Fondsmanager die Position in Dätwyler. Der Zulieferer habe eine führende Nischenposition in strukturell wachsenden Märkten und werde von der zyklischen Erholung im Industriesektor profitieren. «Das Unternehmen hat viel in Wachstum investiert, jetzt geht es darum, die Ernte einzufahren.» So sei die Kundenbasis verbreitert worden, was vor allem bei Health Care Solutions für Wachstumsimpulse sorgen werde. «Wir sind überzeugt, dass Dätwyler die freien Kapazitäten im Gesundheitsbereich füllen kann.»

«Die Aktien von Tecan haben Ende Juni auf 300 Fr. korrigiert, was wir als einen attraktiven Einstiegskurs erachten», hält Murer fest – entsprechend hat er zugekauft. Der Hersteller von Laborgeräten verfüge über eine starke Position in einem strukturell wachsenden Markt. «Für das zweite Halbjahr erwarten wir eine Wachstumsbeschleunigung durch die Lancierung neuer Produkte und neu gewonnene Kunden.» Automatisierungslösungen würden in Labors vermehrt nachgefragt, und gerade der anhaltende Kostendruck im Gesundheitswesen sei eine Chance für Tecan.

Für Marc Hänni, der bei Vontobel Asset Management für mehrere Schweizer Aktienfonds verantwortlich ist, ist es im gegenwärtig anspruchsvollen Marktumfeld umso wichtiger, bei der Unternehmensanalyse an den hohen Qualitätsanforderungen festzuhalten: «Wir legen den Fokus auf starke Bilanzen, globale Marktführerschaft, Innovationskraft und eine einwandfreie Unternehmenskultur.»

Erneut zugekauft hat Vontobel bei Kühne + Nagel. Der Logistiker profitiere von der gestiegenen Komplexität des weltweiten Warentransports: Durch die faktische Schliessung der Suezkanalroute wegen der Angriffe der Huthi-Rebellen sind die Frachtraten deutlich gestiegen, auch die Nachfrage nach Logistikdienstleistungen nehme zu. Rund ein Drittel des Umsatzes erwirtschaftet K+N in der Seefracht. «Aber auch in der Luftfracht zeichnet sich eine positive Trendwende in Form steigender Volumen ab, und mit dem Strategieprogramm Roadmap 2026 scheint das Unternehmen gut voranzukommen.» Diese Faktoren könnten sich laut Hänni positiv auf das Geschäft im dritten Quartal auswirken.

Zu seinen Favoriten gehören die Aktien von Schindler – aus ähnlichen Gründen wie bei Lehmann. «Wir glauben, dass das Unternehmen den eingeschlagenen Weg konsequent weitergehen, die operative Effizienz verbessern, Doppelspurigkeiten abbauen und die Modularisierung vorantreiben wird», sagt Hänni. Er rechnet deshalb für die nächsten Jahre mit weiter steigenden Margen, einem schrumpfenden Performanceunterschied zur Konkurrenz und einem Re-Rating an der Börse.

Eine weiterhin positive Entwicklung sieht Hänni bei Sandoz. Der Umsatz des Generikaherstellers dürfte im ersten Halbjahr erneut kräftig gewachsen sein, wobei die Einführung von Hyrimoz, Sandoz› Biosimilar des Originalmedikaments Humira von AbbVie, in den USA erste positive Impulse geben könnte. «Dank weiterer operativer Effizienzsteigerungen und des positiven Mix-Effekts durch die Biosimilars in den USA erwarten wir für das zweite Halbjahr eine Margenverbesserung, die über den Erwartungen liegen könnte.»

Bei Tecan hält Hänni die schwache Kursentwicklung für ungerechtfertigt, sie sei vor allem auf schlechte Nachrichten von Konkurrenten zurückzuführen: «In den letzten Monaten haben vor allem sektorspezifische Themen wie der Lagerabbau bei Kunden sowie Unsicherheiten im Zusammenhang mit den Geschäftsaktivitäten in China die Aktien belastet.» Aus Sicht von Vontobel sollte sich das Marktumfeld in der zweiten Jahreshälfte verbessern, entsprechende Nachrichten könnten sich positiv auf den Aktienkurs auswirken. Tecan sei überdies fundamental sehr gut positioniert.

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