Donnerstag, Januar 30

Wenn es um die Windkraft geht, wird die Demokratie bis ans Limit getestet. Am Schluss werden die Gerichte entscheiden.

Die Zürcher Windkraftpläne werden dort am intensivsten diskutiert, wo die Mitspracherechte am kleinsten sind: in den betroffenen Gemeinden.

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Die kantonalen Zürcher Gesetze sehen beim Bau von Windrädern kein Vetorecht der Dörfer und Städte vor, in denen die Riesen aufgestellt werden sollen. Trotzdem wurden in über dreissig Gemeinden Initiativen und Anträge eingereicht, um den Ausbau einzuschränken oder zu verhindern.

In der Regel geht es darum, zwischen den Windrädern und den nächsten Wohnhäusern einen Mindestabstand festzulegen. Begründet wird dies unter anderem mit der Belastung durch Lärm und Schatten.

Ein grosszügiger Mindestabstand könnte im dicht besiedelten Kanton Zürich allerdings dazu führen, dass an vielen Orten gar keine Anlagen mehr errichtet werden könnten. Würde im ganzen Kanton eine Grenze von 1000 Metern festgelegt, wäre die Windkraft so gut wie tot.

Die SVP allein auf weiter Flur

Auch in Wetzikon im Zürcher Oberland ist die Windkraft ein grosses Thema. Die Stadt teilt sich mit der Nachbarin Hinwil eines von zwanzig Gebieten, welche der Kanton Zürich als besonders geeignet für Windräder einschätzt. Im Schönwis, so heisst das Gelände, sollen zwei Grossanlagen erstellt werden. Diese sollen einen Ertrag von 16 GWh pro Jahr liefern, dies entspricht dem jährlichen Stromverbrauch von etwa 3000 Haushalten.

Am 9. Februar kommt in Wetzikon eine Windkraftinitiative der SVP an die Urne. Sie verlangt einen minimalen Abstand von 1000 Metern zwischen den Windrädern und den nächsten Wohnhäusern. Das soll so in der Bauordnung von Wetzikon verankert werden.

Die anderen Ortsparteien, von der SP und den Grünen über die GLP und die Mitte bis zur FDP, lehnen die Vorlage ab. «Das ist eine Verbotsinitiative, die den Ausbau der Windenergie per se blockieren will», sagt Saamel Lohrer. Er ist Co-Präsident der SP Wetzikon.

Es brauche eine fundierte Abklärung zum Schutz der Biodiversität, sagt Lohrer. Die Anlagen müssten so erstellt werden, dass sie Umwelt und Bevölkerung möglichst wenig beeinträchtigten. «Genau dies würde die Initiative jedoch verunmöglichen, weil sie im Kern auf ein generelles Verbot abzielt.»

Die SVP widerspricht. «Wir sind nicht generell gegen Windanlagen, wir fordern auch kein Technologieverbot», sagt Rolf Müri, der Präsident der SVP Wetzikon. «Aber es geht uns um das konkrete Projekt hier bei uns. Das sind nicht einfach ein paar hübsche kleine Windräder, das sind 220 Meter hohe Monster, halbe Eiffeltürme. Die gehören bei uns nicht hin.»

Müri stört sich auch am Umgang mit der Umwelt. «Es heisst immer, jeder Baum sei geschützt. Keine Waldhütte und keine Feuerstelle darf einfach so errichtet werden. Aber für ein Windrad holzt man im grossen Stil ab. Das geht für mich nicht auf.»

Der Zürcher Baudirektor Martin Neukom (Grüne) wolle gegen den Willen eines grossen Teils der Bevölkerung seine grüne Ideologie durchsetzen. «Die Wut ist gross, das merkten wir beim Unterschriftensammeln sehr stark», sagt Müri. «Wir mussten sogar Unterschriftswillige abweisen, weil sie nicht in Wetzikon wohnten und deshalb nicht unterzeichnen durften.»

Wo die Macht der Gemeinden aufhört

Rein inhaltlich gibt es an der Forderung der SVP nach einem Mindestabstand nichts zu deuteln. Die Initiative ist klar formuliert.

Alles andere als klar ist jedoch, was ein Ja zu Mindestabständen genau bedeuten würde. Eine Gemeinde kann nämlich nur innerhalb ihrer Bauzonen Vorschriften erlassen. Ausserhalb der Bauzonen, etwa im Wald oder im Landwirtschaftsgebiet, kann sie nicht schalten und walten, wie sie will. Und das ist genau dort, wo Windanlagen in der Regel erstellt werden.

In diesen Gebieten ist der Kanton zuständig, und dieser hatte den Gemeinden bereits 2023 mitgeteilt, dass kommunale Abstandsvorschriften nicht genehmigungsfähig seien. Eine Vorschrift, die pauschal einen fixen Abstand vorsehe, stehe den kantonalen und bundesrechtlichen Vorgaben zum Ausbau der Windkraft entgegen.

Somit stellt sich die Frage, ob eine Initiative überhaupt gültig sein kann, wenn eine Gemeinde gar keine gesetzliche Handhabe hat, Abstandsregeln durchzusetzen.

«In dubio pro populo»

Der Bezirksrat Hinwil hat sich als Rekursbehörde genau mit dieser Frage befasst. In zwei Gemeinden in seinem Zuständigkeitsgebiet waren Einzelinitiativen eingereicht worden, die einen Mindestabstand forderten. Im einen Fall, in Bäretswil, erklärte die Gemeinde die Initiative für ungültig. Im anderen Fall, in Wald, wurde sie für gültig erklärt. Gegen beide Entscheide wurde je ein Rekurs beim Bezirksrat eingereicht.

Dieser kam zu einem fast schon philosophischen Schluss: Es sei nicht unmöglich, dass die kommunalen Windkraftinitiativen umgesetzt werden könnten – es sei nur unsicher. Deshalb seien die Initiativen zuzulassen.

Diese Einschätzung ist umso bemerkenswerter, als sich der Bezirksrat nicht nur auf die geltende Gesetzgebung stützt, sondern mögliche Gerichtsurteile und Gesetzesänderungen vorwegnimmt: Ob die Initiativen umsetzbar seien, hänge massgeblich vom Ausgang einer Überprüfung durch das Verwaltungs- oder Bundesgericht ab. Ausserdem werde die Umsetzbarkeit der Initiativen von der künftigen kantonalen Richtplanung beeinflusst werden.

Nach dem Grundsatz «in dubio pro populo» seien die Initiativen deshalb für gültig zu erklären. Und deshalb kommt auch in Wetzikon eine Windkraftinitiative vors Volk – obwohl unklar ist, was ein Ja konkret bedeuten würde.

Eine Gemeinde geht vor Gericht

Die kantonale Baudirektion meint es ernst damit, dass sie kommunale Regeln zu Mindestabständen nicht akzeptiert. Dies hat sie in einem ersten Fall bewiesen: Die Stimmbürger von Hittnau hatten im November 2023 beschlossen, einen Abstand von 800 Metern in der Bauordnung festzuschreiben.

Doch im Januar 2025 verweigerte die Baudirektion die Genehmigung dieser Regelung. Dies hat die Gemeinde bekanntgegeben.

Damit ist das letzte Wort aber nicht gesprochen. Der Gemeinderat von Hittnau hat angekündigt, gegen den Entscheid des Kantons Beschwerde einzureichen. Der Weg zur Zürcher Windkraft führt also nicht nur über die Urne, sondern auch über die Gerichte.

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