Dienstag, Oktober 8

Blake Lively spielt die Hauptrolle in «It Ends with Us», einem Film über häusliche Gewalt. Doch statt über dieses düstere Thema zu sprechen, macht die Schauspielerin lieber Werbung für ihre Haarpflegeprodukte. Damit kommt die einst so Beliebte plötzlich ganz schlecht an.

Es ist ein Kreuz, nicht immer leicht zu tragen: Da versucht man, es allen recht zu machen. Immer gut auszusehen, auf dem roten Teppich zu lächeln und, wenn es richtig gut läuft, ab und an auch noch einen erfolgreichen, ja vielleicht sogar einen wichtigen Film zu drehen. Aber nur wenigen Hollywood-Stars gelingt es, in der Öffentlichkeit ausnahmslos positiv dazustehen. Denn mehr als ihre Promis lieben die modernen Medien einen echten Skandal.

Gerade hat sich Blake Lively tief in die Nesseln gesetzt. Nicht nur, weil gemunkelt wird, dass sie seit dem amerikanischen Kinostart von «It Ends with Us» («Nur noch ein einziges Mal»), in dem sie die Hauptrolle spielt, eine Fehde mit dem Regisseur, Produzenten und Co-Star Justin Baldoni austrägt. Ärger gibt es vor allem wegen der Art und Weise, wie die Schauspielerin ihren Film bewirbt. Zu viel Glamour, zu wenig Gefühl.

Blake Lively will nicht über Gewalt sprechen

In der Adaption des gleichnamigen Bestsellerromans von Colleen Hoover aus dem Jahr 2016 geht es um häusliche Gewalt und darum, wie man ihr entkommt. Ein düsteres, aber wichtiges Thema also. Nur spricht Lively, 36-jährig und aus dem sonnigen Kalifornien stammend, es in Interviews ungern an.

«Es ist eine Geschichte, die von Schmerz, Trauma und Traurigkeit handelt», sagte Lively in einem Interview mit der BBC. Um gleich beschwichtigend nachzuschieben: «Aber es steckt auch viel Freude, Leichtigkeit und Humor darin.» Bisher hatte Lively vor allem Rollen gespielt, die entweder das eine oder das andere Ende des Spektrums abdecken. Insofern ist die Rolle der Lily «Blossom» Bloom für Lively eigentlich ein Geschenk.

Eine Rolle wie massgeschneidert

Im Film spielt Lively eine ambitionierte Floristin, die sich ihren Traum von einem eigenen Blumenladen erfüllt, mit Charme und Sex-Appeal. Noch bevor ihr anfangs märchenhafter Flirt mit dem unverschämt gutaussehenden Neurochirurgen Ryle (Baldoni) in eine missbräuchliche Beziehung kippt, erfährt man in Rückblenden, dass Lilys Vater sich in ihrer Kindheit wiederholt an der Mutter vergriffen hat. Doch aus gewohnten Mustern auszubrechen, ist bekanntlich schwer. Deshalb braucht es das Eingreifen ihrer ehemaligen Jugendliebe Atlas (Brandon Sklenar), damit Lily den Ernst ihrer Lage begreift und sich aus ihrer Situation befreit.

Stoffe wie dieser sind wie für Lively gemacht. Wie komplex ihr Spiel sein kann, zeigt sich am deutlichsten, wenn sie Projekte wählt, die auf den zweiten Blick anspruchsvoller sind, als ihre Prämisse erst vermuten liess.

Auch das melancholisch-romantische Drama «The Age of Adaline» ist so ein Fall. Darin verkörpert sie eine 1908 geborene Frau, die nach einem Unfall ewig jung bleibt, während die Welt um sie herum unaufhaltsam älter wird. Was wie eine Kostümromanze beginnt, endet schliesslich in der Frage, was dem Leben seinen Wert gibt. Und ob es erst dadurch tatsächlich wertvoll wird, dass es endlich ist. Lively spielt ihre Figur mit viel Wärme und Einfühlsamkeit; ihre Adaline ist stark und angreifbar zugleich.

Nicht nur «die schöne Blonde»

Dass sie mehr als die schöne Blonde ist, die in aufsehenerregenden Met-Gala-Outfits posiert und Taylor Swift zu ihren Freundinnen zählt, bewies Lively auch in Oliver Stones Drogenthriller «Savages» oder als verzweifelte alleinerziehende Mutter in Ben Afflecks «The Town». Für den spanischen Regisseur Jaume Collet-Serra liess sie sich in «The Shallows» als Surferin von einem Hai jagen; und in «A Simple Favor» spielte sie mit grossem Engagement eine undurchschaubare Trickbetrügerin, schonungslos und selbstbewusst.

Oftmals gelingt es ihr, ihren Figuren eine gewisse Unergründlichkeit zu verleihen, auch wenn deren Geschichten noch so eindimensional sind. Dennoch wurde Lively in der Vergangenheit zunächst immer wieder als modebewusste, aber oberflächliche Reiche gecastet, als die sie 2007 mit der Serie «Gossip Girl» schlagartig berühmt wurde.

Eine Hollywood-Traumfamilie

2010 lernte Lively beim Dreh des DC-Superheldenfilms «Green Lantern» ihren Schauspielerkollegen Ryan Reynolds kennen. Die beiden sind seit dreizehn Jahren verheiratet und mittlerweile Eltern von vier Kindern. In der Öffentlichkeit werden die sechs gerne als Hollywood-Traumfamilie gefeiert.

Lively und Reynolds reden beide gerne darüber, wie sehr sie sich gegenseitig unterstützen. Bei der Kindererziehung ebenso wie bei ihren Karrieren. So auch bei «It Ends with Us», bei dem Lively nicht nur die Hauptrolle übernahm, sondern auch mitproduziert hat. Reynolds half dabei, einige Szenen umzuschreiben, um sie besser auf seine Frau zuzuschneiden. Dafür hat Lively einen Cameo in dem neuen Marvel-Blockbuster «Deadpool & Wolverine», in dem Reynolds an der Seite von Hugh Jackman erneut als Superheld agiert.

Glück in der Liebe, Pech im Spiel

Was der momentane Trubel um die Vermarktung von Blake Livelys neuem Film vor allem zeigt: Sie mag Teil einer Traumfamilie sein – Marketing liegt ihr dagegen nicht. Ein Teil der Online-Wut, die sich gerade über ihr entlädt, hat damit zu tun, dass Lively die PR-Kampagne rund um den Film nicht nutzt, um Gewalt an Frauen zu thematisieren und auf mögliche Anlaufstellen aufmerksam zu machen, sondern um ihre eigene Getränkemarke zu promoten. Die Flaschen funktioniert sie etwa zu Blumenvasen um und inszeniert sie auf Instagram-Bildern. Auch ihre Haarprodukte rückte sie ähnlich ungeschickt ins Bild. Derweilen nutzt ihr Co-Star Baldoni die derzeitige Aufmerksamkeit, um Hilfe-Hotlines zu bewerben und Missbrauch in der Ehe anzuprangern.

Dass die Bestsellerverfilmung «It Ends with Us» unter Blake Livelys Verhalten leidet, steht allerdings nicht zu befürchten: Zumindest was die Verkaufszahlen angeht, scheint sich der Shitstorm gegen den Star nicht negativ auszuwirken. Bereits am ersten Wochenende hat der Film in den USA 50 Millionen Dollar und seitdem weltweit über 187 Millionen Dollar eingespielt. Tendenz steigend. Damit rückte Livelys Film sogar an zweite Stelle, direkt hinter «Deadpool & Wolverine».

In der Schweiz haben den Film in den ersten zwei Wochen über 60 000 Menschen gesehen. Aber auch hierzulande dürfte der Aufruhr im Internet nur noch mehr Leute ins Kino locken. Von den unzähligen weltweiten Fans der Romanvorlage ganz zu schweigen – Kontroverse hin oder her. Lively, so viel hat sie bereits verraten, wäre durchaus auch bei einer Fortsetzung dabei: Sie liebe Hoovers Romane. Und bis es so weit ist, hat sich der ganze Aufruhr in den sozialen Netzwerken längst wieder gelegt.

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