Samstag, Oktober 19

Die vernetzte Welt eröffnet Unternehmen neue Möglichkeiten, ihre Kunden zur Kasse zu bitten. Eine Studie von Deloitte zeigt jedoch: Die sind daran gar nicht interessiert.

Ein Geschirrspülgang zur besonders schonenden Reinigung von Spielzeug, dank einer Einweichphase und hohen Temperaturen. Oder ein Programm, welches eine schöne Schaumkrone ins Bierglas zaubert, indem beim Waschgang das Glanzmittel weggelassen wird.

Spülmaschinen des Herstellers V-Zug erfüllen all diese Sonderwünsche. Aber gratis ist das nicht. Man muss sie in einer App gegen Gebühr freischalten. Diese Woche berichtete das SRF-Konsumenten-Magazin «Espresso» über dieses Modell, das vor drei Jahren lanciert wurde. Das Abo für die Spezialfunktionen kostet derzeit einen Franken pro Monat.

V-Zug hat die Schweizer Mieter im Visier. Die können nicht über ihre Küchenausstattung entscheiden, sondern übernehmen sie einfach mit dem Mietvertrag. Deshalb verfügen die meisten Wohnungen hierzulande aber nicht über eine Luxusspülmaschine, sondern über ein durchschnittliches Modell, das für den Alltag allemal reicht.

Nur: Als Spülmaschinenproduzent kommt man so gar nicht an die breite Bevölkerung heran. Es sei denn, man fügt den Geräten dank Updates neue Funktionen zu – und macht einen Teil davon kostenpflichtig.

Laut V-Zug sei man immer noch in der Pilotphase. Es handle sich um ein Nischenangebot. Jede Spülmaschine werde standardmässig mit rund zehn Grundfunktionen ausgestattet, die selbstverständlich nichts kosteten.

Die Spülmaschine mit Paywall ist ein Beispiel für die um sich greifende «subscription economy», frei übersetzt: Abonnementen-Wirtschaft. Das bedeutet, dass immer mehr Firmen ihr Businessmodell weg von Einmalzahlungen hin zu fix wiederkehrenden Transaktionen verschieben.

Etwa in der gehobenen Autoindustrie. Gegen einen Aufpreis lassen sich bei bereits gekauften Fahrzeugen allerlei Zusatzfunktionen freischalten. Bekannt dafür ist BMW. In bestimmten Modellen kann man eine Lenkradheizung für 15 Franken pro Monat dazukaufen. Eine Sitzheizung wiederum kostet 29 Franken monatlich.

Lichteffekte für 38 Franken pro Monat

Wem nach romantischer Beleuchtung zumute ist, kann sich bei Porsche ein LED-Matrix-Licht für 38 Franken pro Monat abonnieren. Fix ab Werk kostet dieses 1559 Franken.

Das Smart Home, also das vernetzte Zuhause, ist besonders im Visier von windigen Abo-Erfindern. Denn hat man als Kunde einmal ein Produkt gekauft, will man es auch voll nutzen – und ist eher bereit, für gesperrte Funktionen zusätzlich zu bezahlen. Google Nest, welche Tech-Lösungen für zu Hause anbietet, verlangt für das Vernetzen der Türklingel mit dem Handy sechs Euro pro Monat.

Viele Kunden zeigen sich irritiert, dass diese bezahlten Produkte all diese Funktionalitäten schon haben, sie aber von den Firmen zurückgehalten werden, bis man die Kreditkarte noch einmal zückt. Illegal ist ein solches Vorgehen jedoch keineswegs. «Im Rahmen der Vertragsfreiheit darf man Verträge so ausgestalten, wie man will», sagt Pascal Rey, Jura-Professor an der Uni Freiburg sowie Experte für das Obligationenrecht. Wenn gewisse Funktionen zusätzlich freigeschaltet werden müssten, sei das eben Teil der Abmachung.

Anders sehe es hingegen aus, wenn Funktionen betroffen seien, von denen man nach Treu und Glauben davon ausgehen dürfe, dass sie im Kauf eingeschlossen seien. Etwa die normale Heizung in einem Auto. «Bei den kostenpflichtigen Zusatzfunktionen dürften Firmen deshalb eher mit peripheren Anwendungen experimentieren», sagt Rey.

Die Hersteller argumentieren, dass sie nur den Wünschen ihrer Kundinnen und Kunden nachkämen. Diese wollten mehr Individualisierung und mehr Auswahlmöglichkeiten.

Aber dass dieser Wunsch von den Konsumenten ausgeht, ist ein Mythos. Das hält die Unternehmensberatung Deloitte in einem 2022 erschienenen Bericht so fest. Deloitte hat 9000 Kunden in neun europäischen Märkten (die Schweiz war nicht dabei) zum Thema befragt. Die Erkenntnis: Wenn sie die Wahl hätten, würden sich die Menschen in den allermeisten Fällen für eine Einmalzahlung und gegen eine Abo-Lösung entscheiden.

Dass es immer mehr Abonnemente gibt, ist also von den Unternehmen so gewollt. Für sie liegen die Vorteile auf der Hand. Abo-Modelle sorgen für einen regelmässigen, besser planbaren Umsatz. Und er kommt erst noch günstiger zustande, als wenn man einen Kunden jedes Mal teuer mit Marketingmassnahmen anlocken muss.

Dank speziellen Angeboten, wie eben der Lenkradheizung, lässt sich die individuelle Zahlungsbereitschaft zudem viel besser abschöpfen. Denn die Kunden gönnen sich so eher einmal etwas, das ihnen bei einer Einmalanschaffung als überflüssiger Luxus erschiene.

Sportfans müssen bluten

Und nicht zuletzt: Dank der Trägheit der Kunden dürfen die Firmen davon ausgehen, dass sie ihnen zähneknirschend treu bleiben. Ein bisschen wie der Frosch im Glas, der sich daran gewöhnt, dass sich die Temperatur langsam erhöht. Nur, dass beim Abo nicht das Thermometer steigt, sondern der Preis.

Und das ist an der Tagesordnung. Vor allem Internet-Services haben jüngst mit stark angehobenen Tarifen für viel Ärger gesorgt. Sie starteten in den nuller Jahren oft günstig oder ganz gratis und kosten heute teilweise ein Vermögen.

Im September etwa hat Youtube angekündigt, den Preis für seinen werbefreien Premium-Service von 15.90 Franken pro Monat auf 17.90 zu erhöhen. Das Familienabo schoss sogar um 10 Franken auf 33.90 Franken in die Höhe. Pro Jahr macht das 406.80 Franken.

Mit Sportfans wird das Spiel auf die Spitze getrieben. Erst verschafft sich ein Sender in einem Bieterwettbewerb die Exklusivrechte an einer bestimmten Liga. Danach wird die Zahlungsbereitschaft der Kunden maximal ausgereizt.

So zum Beispiel der Internetsportsender DAZN, der auch als «Netflix des Sports» betitelt wird. Er überträgt unter anderem die deutsche Fussball-Bundesliga sowie die Champions League. Kostete ein Abo in Deutschland im Sommer 2022 noch 14.99 Euro pro Monat, so erhöhte sich der Betrag in zwei Schritten auf mittlerweile 45 Euro. Die deutsche Konsumentenschutzorganisation Verbraucherzentrale Bundesverband hat im Frühling deswegen eine Sammelklage gegen DAZN eingereicht.

Das Schweizer Pendant Blue Sport, der Kanal überträgt als einziger alle Spiele der Schweizer Super League, hat 2023 landesweit Kritik ausgelöst, weil er keine Einzelspiele zum Kauf mehr anbot. Das Angebot war äusserst beliebt bei Fans, die nur mit einer Mannschaft mitfiebern und die restlichen Spiele gar nicht brauchen. Die Swisscom-Tochter aber blieb hart und zwängte ihre Kunden in das Abo-Modell. Im gleichen Zug wurden auch noch Preiserhöhungen bekanntgegeben.

Keine Übersicht mehr

Dabei sind Abos keine neue Erfindung und in der Bevölkerung tief verankert. Angefangen hat alles relativ harmlos – und auch sinnvoll – im frühen 17. Jahrhundert, als in der angelsächsischen Welt das Buchabo erfunden wurde. Im 19. Jahrhundert kam das Zeitungsabo sowie das Milchmannabo hinzu. Auch monatliche Mietzahlungen sind schon lange Usus. Ebenso ÖV-Angebote – das Generalabonnement für das Schweizer Schienennetz kam 1898 auf den Markt.

Lange tat sich in der Entwicklung nichts mehr – bis das Internet in der breiten Bevölkerung ankam. Die Vernetzung ermöglichte eine schier unbegrenzte Anzahl neuer Möglichkeiten.

Heute ist es nicht unüblich, Dutzende Abos zu haben. Fitnesscenter, Passwortmanager oder Dating-Plattformen gehören fast schon zum Standard wie die Miete oder die Krankenkasse. Den meisten Leuten ist gar nicht mehr bewusst, wofür sie überall Geld überweisen. In den USA kam eine Studie zum Schluss, dass 42 Prozent der Konsumenten für einen Service zahlen, den sie gar nicht mehr nutzen.

Doch kündigen ist gar nicht so einfach. Mit unzähligen, unnötigen Zwischenschritten versuchen einzelne Anbieter, einen doch noch bei der Stange zu halten. Sie bieten Rabatte an oder weisen auf Angebote hin, die einem auch noch gefallen könnten. Die amerikanische Behörde Federal Trade Commission (FTC) hat deshalb ein Gesetz namens «Click to Cancel» durchgebracht. Die Idee: ein Abo soll genauso schnell gekündigt werden können, wie es abgeschlossen wird. Es wird etwa in einem halben Jahr in Kraft treten. Es ist das Eingeständnis , dass nicht wenige Anbieter von Abo-Modellen den Bogen überspannen.

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