Ein internationaler Vergleich zeigt: Das Schweizer Entlastungspaket ist klein – und es dürfte der Wirtschaft eher nützen als schaden.
In den letzten Monaten konnte man den Eindruck bekommen, die Schweiz wolle sich zu Tode sparen. Wissenschafter warnten vor den Folgen der Sparvorschläge des Bundesrates. Interessengruppen aus allen Lagern erklärten, warum Sparen in ihrem Bereich schädlich sei.
Jetzt hat der Bundesrat sein Entlastungspaket in die Vernehmlassung geschickt. Die Klagen dürften in den nächsten Monaten noch zunehmen.
Doch ein internationaler Vergleich zeigt: Das Schweizer Sparprogramm ist eigentlich nur ein Sparprogrämmchen. Zudem kann man von den Erfahrungen aus anderen Ländern einiges lernen. Was sind die wichtigsten Einsichten?
1. Andere Länder sind ambitionierter
Programme zur Haushaltssanierung lassen sich am besten vergleichen, wenn man ihre Grösse in Prozent der Wirtschaftsleistung ausdrückt. Der Bundesrat will die Fehlbeträge im Bundeshaushalt ab 2027 um rund 3 Milliarden Franken verringern. Das entspricht knapp 0,4 Prozent des Schweizer Bruttoinlandprodukts (BIP).
Strenggenommen handelt es sich dabei nicht um Sparen, denn die Ausgaben des Bundes sinken nicht. Die Ausgaben sollen in den nächsten Jahren nur etwas weniger stark wachsen als bisher geplant, nämlich um rund 2 Prozent pro Jahr statt 3 Prozent. Finanzministerin Karin Keller-Sutter spricht deshalb nicht von einem Sparpaket, sondern von einem Entlastungspaket.
Wie gross ist dieses Entlastungspaket im internationalen Vergleich? Wirtschaftswissenschafter haben sich intensiv mit Programmen zur Haushaltssanierung und zu deren Wirkungen befasst. Eine aktuelle und umfassende Datenübersicht stammt von Forschern des Internationalen Währungsfonds (IWF). Sie haben Informationen zu Sparpaketen in 17 Industrieländern in den Jahren von 1978 bis 2020 zusammengetragen.
Die Daten zeigen, dass Sparprogramme relativ häufig vorkommen. In den betrachteten OECD-Ländern mussten Regierungen in den vergangenen vier Jahrzehnten im Durchschnitt alle drei Jahre Massnahmen zur Haushaltssanierung einleiten.
Im Vergleich dazu sind in der Schweiz – die im Datensatz nicht enthalten ist – Sparpakete selten. Die letzten Sparbemühungen fanden in den Jahren 2003/04 statt, als der Bundeshaushalt wegen der Einführung der Schuldenbremse ins Lot gebracht werden musste. In der Schweiz wird also grundsätzlich eine solide Finanzpolitik verfolgt.
Der internationale Vergleich zeigt, dass die aktuellen Sparpläne des Bundes moderat sind. Bei den Entlastungsprogrammen in den 17 Industrieländern des IWF-Papiers wurde im Durchschnitt in jedem Jahr eines Programms rund 1 Prozent des BIP eingespart.
Dabei gab es auch sehr grosse Programme. In Portugal und Spanien beispielsweise mussten die Regierungen während der Euro-Krise mehrere Jahre lang immer neue Sparmassnahmen einführen. In Portugal summierten sich die Entlastungen von 2010 bis 2014 auf insgesamt 17 Prozent des BIP, in Spanien auf 12 Prozent des BIP.
Im Vergleich dazu zählt das geplante Entlastungspaket in der Schweiz zu den kleinen Programmen. Es beläuft sich auf 0,4 Prozent des BIP. Zudem handelt es sich im Wesentlichen um einen einmaligen Einschnitt im Jahr 2027. Ab 2028 soll es kaum mehr zu zusätzlichen Kürzungen kommen.
2. Die Schweiz wählt einen wachstumsfreundlichen Mix
Der Erfolg von Sparprogrammen hängt entscheidend von ihrer Ausgestaltung ab. Dies hat der (mittlerweile verstorbene) Harvard-Ökonom Alberto Alesina in zahlreichen Forschungsarbeiten zusammen mit verschiedenen Co-Autoren gezeigt.
Im Prinzip können Regierungen Staatsdefizite auf zwei Arten beseitigen: durch Ausgabensenkungen oder durch Steuererhöhungen. Laut Alesina werden die Haushalte am nachhaltigsten saniert, wenn die Staatsausgaben dauerhaft reduziert werden. Zudem leide das Wirtschaftswachstum kaum, in manchen Fällen werde es sogar gestärkt. Alesina argumentiert, dass die Bürger und Unternehmen wieder Vertrauen in die Verlässlichkeit der Finanzpolitik fassten, wenn der Staat den Gürtel enger schnalle. Sie reagieren mit einer Ausweitung der privaten Investitionen.
Hingegen gehen Sparprogramme häufig schief, wenn Regierungen stattdessen die Steuern erhöhen. Laut Alesinas Forschungsergebnissen fällt die Politik dann gerne in den finanzpolitischen Schlendrian zurück. Zudem leidet das Wirtschaftswachstum, oft kommt es zu schweren Rezessionen. Das liegt daran, dass Bürger und Unternehmen die Sparpolitik als Belastung wahrnehmen. Sie fassen kein Vertrauen und halten sich mit Investitionen zurück.
In den 17 OECD-Ländern haben die jeweiligen Regierungen bei ihren Sparprogrammen rund hälftig auf Ausgabensenkungen und auf Steuererhöhungen gesetzt. Oft wollen Politiker Sparpakete ausgewogen gestalten.
Die Schweizer Regierung macht es besser: Sie setzt bei ihrem Entlastungspaket hauptsächlich auf Ausgabensenkungen. Diese sollen 90 Prozent des Sparvolumens ausmachen.
Damit stehen die Chancen gut, dass das Sparpaket die Wirtschaftsentwicklung nicht belastet, sondern allenfalls sogar wachstumsfördernd wirkt. Der Bundesrat könnte sogar noch weiter gehen: Das angestrebte Sparvolumen liesse sich auch zu 100 Prozent mit Ausgabensenkungen erreichen, wie die Expertengruppe Gaillard, die die Regierung bei ihren Sparvorschlägen beriet, gezeigt hat.
3. Sparpakete können erfolgreich sein
Dass Sparprogramme wachstumsfördernd sein können, zeigen Erfahrungen aus anderen Ländern. Eine Übersicht hat diese Woche das Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) publiziert. Dessen Direktor, der Luzerner Wirtschaftsprofessor Christoph Schaltegger, war Mitglied in der Gaillard-Kommission.
Dänemark beispielsweise setzte in den 1980er Jahren ein umfassendes Programm zur Haushaltssanierung um. Gleichzeitig wuchs die Wirtschaft kräftig. Dänemark gelte deshalb in der Forschungsliteratur als klassisches Beispiel für eine «expansive Haushaltskonsolidierung», schreibt das IWP. Ähnliche Erfahrungen machte Schweden, das ab Mitte der 1990er Jahre die Staatsverschuldung mit einer Reform des Wohlfahrtsstaates deutlich senkte. Die Wirtschaft wuchs weiter, gleichzeitig blieb Schweden eines der Länder mit der geringsten sozialen Ungleichheit.
Auch die Schweiz hat gute Erfahrungen mit Entlastungspaketen gemacht. Bei der Einführung der Schuldenbremse musste der Bund in den Jahren 2003 und 2004 ein Sparpaket schnüren, das vom Volumen her vergleichbar war mit den aktuellen Sparplänen. Laut dem IWP ging das Programm mit einem Wirtschaftsaufschwung einher.
Schon damals setzte der Bundesrat hauptsächlich auf Ausgabensenkungen, um den Bundeshaushalt ins Lot zu bringen. Das illustriert die wohl wichtigste Erfahrung: Erfolgreiche Sparprogramme sind ausgabenbasiert.