Samstag, November 23

Der designierte Staatssekretär stolperte wohl über seinen Lebensstil. Doch als Nato-Skeptiker wäre Jean-Daniel Ruch auch inhaltlich zur Belastung geworden. Seine Ernennung war ein Winkelzug zu viel.

Wer in der Schweiz Zugang zu den Geheimnissen der inneren und der äusseren Sicherheit erhält, muss sich einer peinlichen Befragung unterziehen. Tabus gibt es keine: Die Experten bohren in den persönlichsten Verhältnissen der höchsten Bundesangestellten herum – auch in deren Präferenzen nach dem Lichterlöschen.

Doch manchmal sind die Gerüchte auf den Gängen zuverlässiger als die Akten: Nach seiner Ernennung zum neuen Leiter des Staatssekretariats für Sicherheit (Sepos) wurde Jean-Daniel Ruch von seinem Ruf eingeholt. Das Verteidigungsdepartement (VBS) hakte nach – und stellte fest: Der Lebensstil des Diplomaten passt nicht zu seinem neuen Amt.

Der Vorgang wirft ein schlechtes Licht auf die Sicherheitskultur der Schweiz: Weder die hochkarätige Findungskommission noch die Fachstelle für Personensicherheit schienen etwas von den Geschichten, die über Ruch schon länger im Umlauf waren, mitbekommen zu haben. Diese Tatsache allein verdient eine vertieftere Überprüfung.

Konflikt mit Partnern abgewendet

Das Auswahlverfahren hat aber auch inhaltlich versagt. Ruch ist nicht einfach ein Vertreter der aktiven Neutralitätspolitik im Sinne seiner ehemaligen Chefin Micheline Calmy-Rey, sondern stellt ganz offen die westliche Einschätzung der Sicherheitslage infrage. Ob beim Krieg in der Ukraine oder bei jenem im Nahen Osten: Ruch sieht alles etwas anders.

Ein deutliches Fragezeichen kam deshalb vor einer Woche vom SVP-Nationalrat Fredi Heer, der Ruchs Rolle als Kontaktmann zur Hamas kritisierte. Natürlich traf er als Diplomat die Abgesandten der Terrororganisation im Auftrag des Aussendepartements (EDA), also als Vertreter der Schweizer Aussenpolitik. Aber Ruch, später Botschafter in Tel Aviv, hat seine Rolle verinnerlicht.

Auch nach dem Hamas-Pogrom vom 7. Oktober hielt er an seiner Israelkritik fest und teilte diese allen, die mit ihm zu tun hatten, ungefragt mit. Ein ähnliches Sendungsbewusstsein legte Ruch, bis Ende Jahr noch Botschafter in Ankara, bei seinen alternativen Überlegungen zum richtigen Umgang mit Russland an den Tag.

Für das Sepos war das keine gute Ausgangslage: Das Ziel von Viola Amherds Sicherheitspolitik ist mehr Kooperation. Ihr Beinahestaatssekretär ist jedoch ein bekennender Nato- und vor allem USA-Skeptiker. Der Konflikt mit den militärischen Partnern, aber auch innerhalb des VBS ist mit Ruchs Rückzug nun abgewendet.

Querschnittsfunktion wird nicht genutzt

Doch das neue Staatssekretariat hat nach diesem Intermezzo keine günstigen Voraussetzungen für den Start: Es fehlt nicht nur ein Chef, sondern auch eine klare Vorstellung von der genauen Funktion des Sepos. Das derzeitige Organigramm besteht aus einem Überbau und drei Kästchen, eines davon ist die Fachstelle für Personensicherheit.

Die Hauptaufgabe des neuen Staatssekretariats bleibt allerdings die Sicherheitspolitik, so wie bisher unter Pälvi Pulli. Dafür braucht es kein Staatssekretariat. Denn gerade die Querschnittsfunktion zum Bevölkerungsschutz oder zum Cyber-Bundesamt, beides zentrale Akteure in der Abwehr hybrider Gefahren, wird nicht genutzt.

Machtfülle auch ohne Staatssekretär

Auch für die Aussenkontakte reichen die heutigen Strukturen bestens aus: Der Chef der Armee pflegt den Austausch mit den anderen Armeen, der Rüstungschef sichert die Verbindung zur Rüstungspolitik, für die Aussenpolitik ist ohnehin das EDA zuständig. Die Rolle des Sepos ist auch in diesem Gefüge unklar.

Nur damit das VBS auch einen Staatssekretär hat, lohnt sich die Übung nicht – im Gegenteil: In einer derart angespannten Sicherheitslage sollte das Departement arbeiten und sich nicht mit sich selbst beschäftigen. Es reicht, dass der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) noch immer von einer Reorganisation durchgeschüttelt wird.

Der Winkelzug, mit Ruch einen für links und rechts akzeptablen Freund der Neutralität zu präsentieren, hat nicht funktioniert. Verteidigungsministerin Amherd könnte jetzt den Wechsel als goldene Brücke nutzen, um die Idee des Sepos noch einmal zu überdenken. Ihr VBS bietet ihr eigentlich auch ohne eigenen Chefdiplomaten Macht und Einfluss genug.

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