Montag, November 18

Investitionen in das Netz sind der Preis für die Energiewende. Abhilfe ist möglich – aber nicht auf dem einfachen Weg.

Es gibt zwei Arten von Briefen, die man in der Schweiz nicht gerne öffnet. Die erste informiert über den Anstieg der Krankenkassenprämie und liegt in diesen Tagen in den Briefkästen. Die zweite ist die Stromrechnung. Ähnlich wie die Krankenversicherung ist auch der Strom in den vergangenen Jahren viel teurer geworden.

Der Schweizer Privathaushalt ist besonders arm dran: Er darf seinen Stromlieferanten nicht selbst wählen und ist einem der 630 lokalen Elektrizitätsversorger ausgeliefert – ein Anachronismus, der abgeschafft gehört. Aber auch grosse Unternehmen leiden, obwohl sie ihren Strom am Markt beschaffen dürfen und damit ihr Schicksal mehr in der eigenen Hand haben.

Nicht nur der Strom kostet mehr, sondern auch das Netz

Der Grund sind die Entgelte für die Nutzung der Netzinfrastruktur. Ihnen sind sowohl Unternehmen als auch Privathaushalte ausgeliefert. Es ist ähnlich wie bei einer Paketlieferung nach dem Online-Shopping: Man bezahlt für die Ware, aber auch für den Versand und den Transport.

Antonio Beltrame, Besitzer des Stahlwerks Gerlafingen, beklagte jüngst in der «NZZ am Sonntag» die hohen Netznutzungsgebühren. Stahl Gerlafingen muss nochmals 120 Mitarbeiter entlassen, weil nicht rentabel produziert werden kann. Die «Zwangsabgaben» seien für Grossverbraucher eine Katastrophe, sagte Beltrame.

Es stimmt, dass nicht nur die Stromtarife nach Russlands Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 gestiegen sind. Auch die Netznutzung wurde teurer: Im laufenden Jahr galt das unter anderem für die Leistungen von Swissgrid, dem Hochspannungsnetz.

Erstens wurde mit den höheren Gebühren die Stromreserve des Bundes finanziert, also das politisch verordnete Vorhalten von Kraftwerkinfrastruktur für eine Mangellage im Winter. Zweitens muss Swissgrid selbst Strom einkaufen, um das Netz stabil zu halten und Lasten zu verteilen. Auch dieser Strom ist teurer geworden. Übrigens: Gibt Swissgrid weniger aus als geplant, fliesst das in die nächste Kalkulation der Abgaben ein.

Die Energietransformation hat ihren Preis

Allerdings wird der Unterhalt und Ausbau des Stromnetzes grundsätzlich teurer, auch auf Ebene der regionalen Versorger. Der wesentliche Grund ist die Energiewende: Der unregelmässig erzeugte und von vielen Orten aus eingespeiste Strom aus Solar- und Windkraft muss im Netz verteilt und ausgeglichen werden. Gleichzeitig wird an viel mehr Stellen Strom entnommen als früher, etwa für Ladestationen. Das Netz wird komplexer und ist schwieriger in der Balance zu halten.

Die Infrastruktur muss diesen Anforderungen gerecht werden. Das ist der Preis für den schrittweisen Abschied von fossilen Energieträgern und zur Bekämpfung des Klimawandels – und es ist ein Preis, der europaweit stark gestiegen ist und wahrscheinlich in naher Zukunft hoch bleiben wird. Die Erhöhung der Nutzungsgebühren ist staatlich reguliert. Das soll sicherzustellen, dass den Kosten der Netzbetreiber Rechnung getragen wird – und nicht ihren Gewinnabsichten.

Sollte die Netznutzung für grosse Firmen staatlich vergünstigt werden? Wie bei der Frage nach einem subventionierten Stromtarif ist die Antwort darauf ein klares Nein. Eine solche Unterstützung verschiebt die Kosten zu den Steuerzahlern und vermindert den Anpassungsdruck für die Unternehmen – was umso schädlicher ist, weil der Investitionsbedarf im Stromnetz anhalten wird. Damit dürfte eine als temporär eingeführte Vergünstigung zur Dauerförderung werden.

Die Schweiz hat andere Hebel, die sie nutzen kann

Hingegen lässt sich sehr wohl fragen, ob diese Netzinvestitionen in der Schweiz so teuer sein müssen, wie sie es sind. Hier lässt sich etwas tun: Im Moment dauert es laut Branchenangaben fünfzehn Jahre, bis eine Hochspannungsleitung genehmigt und gebaut ist. Die Bürokratie verteuert den Netzbetrieb unnötig.

Darüber hinaus würde ein Stromabkommen mit der EU es ermöglichen, dass sich Swissgrid den Strom zum Netzausgleich im europäischen Binnenmarkt flexibler und günstiger beschaffen kann. Umgekehrt gilt: Je kleiner der Markt, desto höher sind tendenziell die Preise. Die Herausforderungen der Energietransformation lassen keinen Platz für kleinräumiges Denken oder das Bedienen von Partikularinteressen.

Exit mobile version