Dienstag, November 26

Die Swiss Indoors sind weiterhin ein Juwel im Schweizer Sportkalender. Doch die Zukunft ist ungewiss – auch wegen Konkurrenz aus Österreich.

Die Medienkonferenz mit dem Turnierdirektor Roger Brennwald am Sonntagmittag vor dem Final gehört zu den Swiss Indoors wie der Schatten Roger Federers, der sich unweigerlich über dieses Turnier gelegt hat. Die Swiss Indoors sind ein Monument im Schweizer Sportkalender und mit einem Budget von 17,5 Mio. Franken der umsatzstärkste Anlass unter 21 Events, die in der Vereinigung Swiss Top Sport zusammengefasst sind.

Brennwald, heute 78 Jahre alt, hat das Tennisturnier 1970 in einer Traglufthalle in Muttenz erstmals durchgeführt. Der erste Sieger war der Deutsche Klaus Berger. Er erhielt eine Armbanduhr als Preis. In diesem Jahr bekommt der Sieger Giovanni Mpetshi Perricard 446 045 Euro. Der Franzose ist 21 Jahre alt, liegt im Ranking auf Position 50 – ihn hatte in Basel kaum jemand auf der Favoritenliste.

Perricards Name ist ein Ausreisser auf der prominent besetzten Basler Siegerliste; darauf befinden sich nebst Federer auch Novak Djokovic, Pete Sampras oder Boris Becker. Basel darf sich rühmen, praktisch alle Weltranglisten-Ersten mindestens einmal am Rheinknie empfangen zu haben. Die Ausnahmen bilden die erste und die aktuelle Nummer 1, der Australier John Newcombe und nun der Südtiroler Jannik Sinner.

Newcombe hat seine Karriere längst beendet, Sinner hingegen steht weiterhin weit oben auf Brennwalds Wunschzettel. Der Italiener wird von Stan Wawrinkas Manager Lawrence Frankopan betreut, zu dem Brennwald gute Verbindungen pflegt. Doch Sinner war in diesem Jahr dem Turnier in Wien versprochen, wo er als Titelverteidiger angetreten wäre. Zwischen Basel und den österreichischen Veranstaltern gibt es eine stille Übereinkunft, dass man sich gegenseitig die Titelverteidiger nicht abwirbt. Doch Sinner nahm in der vorletzten Woche am Six-Kings-Slam im saudischen Riad teil und fehlte in Wien.

Wien ist auf der Überholspur

Die hoch dotierte Exhibition in Saudiarabien, welche die Spieler mit einer Antrittsgage von mehr als einer Million Dollar lockte und Rafael Nadal mit einem Racket aus massivem Gold beschenkte, ist für die Turnierveranstalter ein Ärgernis und eine Bedrohung. Brennwald weicht dem Thema aus. Sein Wiener Kollege Herwig Straka gibt sich gelassener. Er sagt, die Spieler seien keine Angestellten der Tour. Man könne ihnen nicht vorschreiben, wo sie antreten sollten. «Es gibt ein grosses Interesse am Tennis. Das ist positiv. Wir versuchen die Spieler für ihr Kommen zu belohnen, indem wir das Preisgeld erhöhen», sagt Straka.

Straka sitzt als Turniervertreter im Führungs-Board der ATP. Er sagt, Riad bemühe sich, den Zuschlag für ein Masters 1000, ein Turnier der höchsten Kategorie, zu erhalten. «Wir haben eine Station offen. Es gibt allerdings bereits bestehende Veranstaltungen, die aufsteigen möchten.»

Wien befindet sich seit längerem in direkter Konkurrenz zu Basel. Anfänglich hatte allein die Präsenz von Federer in Basel gereicht, um den Wiener Anlass im internationalen Vergleich auf Distanz zu halten.

Mittlerweile ist das nicht mehr so. In diesem Jahr liegt die Schwelle für den letzten Spieler, der direkt Aufnahme im Hauptfeld in Basel gefunden hat, bei Ranking-Position 54, in Wien bei 50. Das ist Zufall, doch Wien präsentiert mittlerweile in der Breite das stärkere Feld. Vor der Absage von Sinner und von Daniil Medwedew hatten sich an der Donau fünf, in Basel hingegen nur zwei Top-Ten-Spieler eingeschrieben. Der Wien-Sieger hiess Jack Draper aus Grossbritannien, die Weltnummer 18.

Brennwald hört solche Vergleiche ungern, doch auch ihm ist die Entwicklung nicht verborgen geblieben. Vor dem Final der Swiss Indoors sagt er, als er gehört habe, wer alles in Wien antrete, habe er das Gefühl erhalten, sich warm anziehen zu müssen. «Wir haben in diesem Jahr so viel in Spieler investiert wie noch nie zuvor, und weitere wurden uns angeboten. Doch irgendwann ist das Geld ausgegangen.»

Die Hypothek einer missratenen Verhandlung mit Roger Federer

Brennwald sagt, die Dichte im Männertennis sei enorm. «Wir dürfen die Qualität eines Turniers nicht mehr nur an der Anzahl der Top-Ten-Spieler messen, die wir verpflichtet haben, auch wenn wir das selber zuweilen auch getan haben. Uns hat immer wieder ausgezeichnet, dass wir auf junge Spieler gesetzt haben, die ein, zwei Jahre nach ihrem Auftritt in Basel so richtig durchgestartet sind.»

Noch gibt der Zuschaueraufmarsch in der St.-Jakob-Halle Brennwald recht. Auch wenn die Arena einzig beim Final vom Sonntag ausverkauft war, war das Turnier mit 63 206 Zuschauer erneut gut besucht. Die Swiss Indoors scheinen in der Nach-Federer-Ära angekommen zu sein. Auch wenn der Schatten des herausragenden Athleten weiterhin in jedem Winkel der Halle präsent ist. Kein anderer Spieler hat die Swiss Indoors stärker geprägt als er. Der Baselbieter hatte seinen ersten Auftritt als Balljunge gehabt und den Anlass später zehn Mal gewonnen. Zum letzten Mal 2019.

Vor zwei Jahren hat Federer seine Karriere beendet – am Laver-Cup in London. In die Halle in Basel, in der er so gross geworden ist, kehrte er seither nicht mehr zurück. Sein Management versagte den Organisatoren vor zwei Jahren den Wunsch, Federer in würdigem Rahmen zu verabschieden. Das sei zu emotional, beschieden die Manager dem Veranstalter, und lösten damit Irritation aus.

Anders ist das in Wien. Der Lokalmatador Dominic Thiem liess sich in der vergangenen Woche in der Wiener Stadthalle in würdigem Rahmen verabschieden. Mit einer grossen Choreografie nahm das Publikum Abschied von ihm, und Thiem bedankte sich artig dafür.

Das Verhältnis zwischen Federer und Brennwald hingegen ist belastet. Vor etwas über zehn Jahren hatte Federer versucht, sich am Turnier zu beteiligen, um dieses später allenfalls zu übernehmen. Brennwald wertete dies als einen Versuch einer unfreundlichen Übernahme und liess Details der Verhandlungen an die Öffentlichkeit durchdringen. Das hat ihm Federer bis heute nicht verziehen.

Leute aus dem nahen Umfeld des Turnierdirektors sagen, Brennwald würde heute wohl anders vorgehen und mehr Gesprächsbereitschaft zeigen. Brennwald ist mittlerweile 78 Jahre alt. Doch zurückziehen will er sich noch nicht. Die Basis, auf dem sein Lebenswerk steht, ist brüchiger als auch schon.

Dominic Thiem's Farewell Ceremony In Vienna 🥹 | Vienna 2024 Highlights

Exit mobile version