Sonntag, März 16

Die Verkaufszahlen von Tesla sind auch hierzulande gesunken. Warum eigentlich? Besuch bei den Schweizer Tesla-Shops.

Der Tesla-Laden versteckt sich in einem Bürokomplex, den er mit diversen Firmen teilen muss. Der Ort passt zur Verschwiegenheit des amerikanischen Autobauers, der seine Kommunikationsabteilung zusammengestrichen hat.

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Im Innern: Hohe weisse Wände, man könnte auch im Eingangsbereich einer neuen Privatklinik stehen. Pop-Musik, in der Mitte des Raumes zwei Autos, zwei Verkäufer sitzen an einem Schreibtisch.

Einer der Verkäufer öffnet die Tesla-Website und geht die vier verbreitetsten Modelle durch: «Model 3», «Model S», «Model X», «Model Y». Dabei können unterschiedliche Reichweiten, Farben und Felgen ausgewählt werden. Es ist, als bestelle man auf Zalando ein T-Shirt, S oder M, weiss oder grau. Der Weg zum Warenkorb ist kurz.

Der Reporter fragt, weshalb die Verkaufszahlen eingebrochen seien. Der Verkäufer antwortet: «Genau.» Nicht zustimmend-nickend, vielmehr scheint es, als habe er schon auf die Frage gewartet, um all die Zweifel endlich zerstreuen zu können. Es sei nicht das Auto, das schlecht sei, beginnt der Verkäufer und macht eine Pause. Vielmehr sei es die politische Einstellung des CEO, die kritisiert werde. Doch er glaube nicht, dass Musks Äusserungen in ein paar Jahren noch ein Thema seien.

Das Auto ist ein Statussymbol

Wäre Elon Musk ein Auto, wäre es wahrscheinlich schnell und brachial, führte mit ein bisschen Rechtsdrall und trüge einen seltsamen Namen. (Zur Erinnerung: Einer von Musks Söhnen heisst X Æ A-12.)

Vorderhand ist Musk noch Mensch und kein Auto. Wobei ihm zuzutrauen wäre, dass er davon träumt, dereinst als eine Art Optimus Prime über die Erde zu fahren, um alles vermeintlich Böse (beziehungsweise Ineffiziente) zu beseitigen. Für jene, die mit den «Transformers»-Filmen nicht vertraut sind: Optimus Prime ist ein Truck, der sich in einen aus Autoteilen bestehenden Superhelden verwandelt.

Diese Frage beschäftigt die Konsumentinnen und Konsumenten immer wieder: Lässt sich ein Produkt von seinem Hersteller trennen? Kauft man Schokolade, wenn sich der Hersteller zu seinem Standort in Russland bekennt? Hört man den Song, wenn der Sänger eine Frau missbraucht haben soll?

Schoggi kann in den eigenen vier Wänden gegessen, Musik über Kopfhörer gehört werden. Aber was ist mit dem Auto? Es ist für alle sichtbar. 4,8 Millionen Personenwagen sind allein in der Schweiz registriert. Seit 1990 ist die Zahl der Autos doppelt so schnell gestiegen wie die Einwohnerzahl.

Tesla-Verkäufe in der Schweiz um 27 Prozent gesunken

Gerade im reichen Autoland Schweiz ist das Auto immer auch ein Statussymbol. Mercedes steht für Luxus, Škoda für Bodenständigkeit. Die Elektroautos von Tesla verbanden viele Kundinnen und Kunden mit Fortschritt und Nachhaltigkeit.

Doch das scheint sich gerade zu ändern. Seit Elon Musk mit der Alternative für Deutschland sympathisiert, seit er als Sonderbeauftragter im Kabinett des amerikanischen Präsidenten Donald Trump Zehntausende von Angestellten feuern lässt.

Kauft man also einen Tesla, wenn der Hauptaktionär und CEO Elon Musk heisst?

Man kauft zumindest weniger Tesla-Fahrzeuge. Das lassen die jüngsten Verkaufszahlen vermuten. Im Januar sanken die Tesla-Verkäufe in der Europäischen Union um 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Die Tesla-Talfahrt zeigt sich auch in der Schweiz, wo Tesla diesen Januar 27 Prozent weniger Autos verkauft hat als noch im Januar 2024.

Tesla verfügt hierzulande über 15 Verkaufsstellen, was vergleichsweise viele sind (in Österreich sind es 8, in Deutschland 41). Seit 2021 stellt Tesla das meistverkaufte Auto in der Schweiz. Die Schweiz war ein Tesla-Land. Muss sie sich jetzt ein neues Lieblingsauto suchen?

Musk ist einer von 125 000

Der nächste Tesla-Laden ist grösser, zweistöckig mitsamt Büroräumen. Gelegen in der Agglomeration einer mittelgrossen Stadt, wo sich Autogarage an Autogarage reiht, längst gehören sie zum typischen vorstädtischen Ortsbild wie die Migros oder der Möbelladen.

Wieder ein junger Verkäufer, dieses Mal Flaum-jung und duzend. Welche Distanzen das Auto denn überwinden müsse, fragt er einen Tesla-Interessenten. Dieser antwortet: Nicht viel, er lebe in der Stadt, fahre aber ab und zu ins Tessin oder ins Engadin. «Perfekt», sagt der Verkäufer.

Offenbar gehören solche Zustimmungswörter zur Grundausstattung eines jeden Autoverkäufers. Beliebt sind auch die Wörter «absolut» oder «cool». (Wer einmal einen schlechten Tag hat, sollte unbedingt bei der nächsten Autogarage vorbeischauen. «Ich habe Kopfschmerzen und kaum geschlafen.» – «Perfekt.»)

Der Verkäufer kommt ohne PC aus, er hat die Zahlen alle im Kopf: die acht Jahre Garantie, der Akku, der nach 200 000 Kilometern etwa 10 bis 15 Prozent seiner Leistung verliere, die Supercharger, bei denen man das Auto alle 80 bis 100 Kilometer in wenigen Minuten aufladen könne.

Oder: die etwa 125 000 Tesla-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter. Ja, die Kennzahlen sitzen, Dutzende Male duzend vorgetragen. Musk, fährt der Verkäufer fort, sei nur einer von diesen 125 000. In seinem Arbeitsalltag finde er ohnehin nicht statt – abgesehen von den gelegentlichen Bemerkungen der Kunden.

Der Verkäufer blickt «neutral» auf seinen Chef, wie er sagt: Es herrsche Meinungsfreiheit, Musk könne unterstützen und sagen, was er wolle. Wenn er, der Verkäufer, etwas sage, tue er doch dasselbe. Überhaupt, man kaufe doch das Auto, nicht den CEO. Und kein Auto sei 2024 häufiger gekauft worden als das «Model Y» von Tesla. Das stimmt, natürlich hat er auch diese Zahl parat.

Der Ruf von Tesla hat gelitten

Es wirkt, als hätten sich die Tesla-Verkaufsstellen auf ein Wording geeinigt: Man kauft nur das Auto und nicht das Weltbild des Hauptaktionärs und CEO. Es dürfte der Versuch sein, den Schaden möglichst in Grenzen zu halten.

Laut dem amerikanischen Beratungsunternehmen Strategic Vision zogen 2022 noch 22 Prozent der amerikanischen Autokäufer einen Tesla in Betracht beim nächsten Autokauf. Das war, kurz bevor Musk die Social-Media-Plattform Twitter kaufte. Ende des vergangenen Jahres lag der Wert nur noch bei 8 Prozent. Umgekehrt lehnten 2022 39 Prozent der amerikanischen Autokäufer einen Tesla ab, Ende 2024 waren es bereits 63 Prozent.

Der Ruf der Marke hat gelitten. Insbesondere wohl im linken, umweltbewussten und daher auch Elektroauto-affinen Milieu. Alexander Edwards, Präsident von Strategic Vision, sagte dem «Guardian»: «Die Demokraten, die Mehrheitspartei der Elektroauto-Besitzer, lehnen Tesla nun aktiv ab.»

Farbanschlag auf Tesla-Store

Tesla will sich nicht äussern. Eine Anfrage der «NZZ am Sonntag» blieb unbeantwortet. Allerdings gibt es neben den Verkaufszahlen weitere Hinweise darauf, dass der Fahrtwind tatsächlich gedreht hat: Ende Januar wurde der Tesla-Store in Zürich mit weisser Farbe beschmiert.

In jenem Store erklärt der Tesla-Verkäufer nun, weshalb die Zahlen in letzter Zeit schlecht gewesen seien. Man habe das neue «Model Y» zwar gelauncht, aber noch nicht ausliefern können. Entsprechend seien in den vergangenen Wochen zwar viele Autos verkauft, aber nicht registriert worden.

Anders als seine Kollegen schafft es der Tesla-Verkäufer in Zürich, mehr zu verkaufen als nur das Auto: ein Gefühl, eine Geschichte. So sagt er dem Reporter, der Tesla sei der Beifahrer. Man müsse einfach nur das Ziel eingeben und auf ihn hören, dann erreiche man jedes Ziel.

Der Tesla als Kumpane bei einem Roadtrip, der den Weg weist, für einen da ist. Kritiker der Marke können aufatmen: Noch ist Tesla nicht Musk, sondern nur Beifahrer.

Ein Artikel aus der «»

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