Samstag, Oktober 5

Nach dem schlechten Abschneiden von Joe Biden im TV-Duell sind die Chancen von Donald Trump gestiegen, wieder US-Präsident zu werden. Die Finanzmärkte haben bereits darauf reagiert.

Nach der TV-Debatte zwischen den beiden US-Präsidentschafts-Kandidaten ist die Wahrscheinlichkeit eines Siegs von Donald Trump bei den Wahlen im Herbst gestiegen.

Ein Barometer des Finanzdaten-Anbieters Bloomberg beziffert die Wahrscheinlichkeit eines Trump-Siegs derzeit mit 58 Prozent – die eines Erfolgs des amtierenden US-Präsidenten Joe Biden liegt nur bei 21 Prozent. «Vor der TV-Debatte lagen die beiden Kandidaten hier noch grob gleichauf», sagt Gero Jung, Chefökonom bei der Bank Mirabaud. Der Amtsinhaber Biden hatte bei der Debatte schlecht abgeschnitten und teilweise verwirrt gewirkt. In der Folge kamen Diskussionen auf, ob er aufgrund seines hohen Alters von 81 Jahren überhaupt in der Lage sei, das Amt weitere vier Jahre auszuüben.

Die verbesserten Wahlchancen für Trump haben auch an den Finanzmärkten Reaktionen ausgelöst. So zogen sich Anleger nach der TV-Debatte aus lang laufenden US-Staatsanleihen zurück, was deren Renditen steigen liess. Dies lässt sich als Vorgeschmack auf mögliche Entwicklungen einer zweiten Trump-Präsidentschaft interpretieren. «Das Trump-Szenario lautet: höhere Risiken, höhere Schulden, höhere Inflation», sagt Karsten Junius, Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin.

Was würde es für Börse und Geldanlage bedeuten, wenn Trump die Wahl gewinnen würde? Finanzexperten und Ökonomen geben Auskunft.

1. Noch höhere Staatsausgaben

Der Anstieg der langfristigen Staatsanleihen-Renditen Anfang der Woche zeige, dass Investoren einen Sieg Trumps als wahrscheinlich ansähen, teilt ein Vertreter der Investmentgesellschaft RBC Global Asset Management in einer Analyse mit. Von Trump erwarte der Markt eine expansive Fiskalpolitik. Werden ihre Finanzen weniger solide, müssen Staaten höhere Zinsen bezahlen. Dies zeigt, dass Investoren sich über die hohen Staatsschulden der USA zunehmend Sorgen machen. «Die Fiskalpolitik wäre unter Trump wohl noch expansiver als unter Biden», sagt Junius dazu.

Nach der Corona-Krise und der sehr expansiven Ausgabenpolitik von Trump und seinem Nachfolger Biden sind die Staatsschulden stark gestiegen. Sie betragen heute laut der Bank J. Safra Sarasin 124,7 Prozent des amerikanischen Bruttoinlandprodukts, im Dezember 2016 waren es noch 106,2 Prozent. Zudem liegt das Haushaltsdefizit der USA derzeit bei 6 Prozent, während es 2016 «nur» 3,1 Prozent betrug. «Die Ausgangslage ist anders als 2016, als Trump bereits einmal die Präsidentschaftswahlen gewonnen hat», sagt Jung.

Bei keinem der beiden Kandidaten scheine indessen eine grössere Revision der Ausgaben auf der Agenda zu stehen, kommentieren Vertreter der Fondsgesellschaft Pimco in einer Stellungnahme zum TV-Duell. Wer auch immer die Wahl gewinnt, «das Haushaltsdefizit bleibt in jedem Fall hoch».

2. Sinkende Steuern

Trump hat indessen angekündigt, seine Tax Cuts and Jobs Act aus dem Jahr 2017, die 2025 ausläuft, permanent zu machen. Zudem sind laut einer Safra-Sarasin-Analyse weitere Steuersenkungen geplant, die wenigstens zum Teil durch höhere Zölle und reduzierte Ausgaben in bestimmten Bereichen finanziert werden sollen.

Eine weitere Runde mit grossen, nicht finanzierten Steuersenkungen könnte zwar wie ein «kurzfristiger Zuckerrausch» auf die Wirtschaft wirken, heisst es weiter. Sie könnten aber auch die Inflation wieder anheizen und die Sorgen über die Tragbarkeit der Staatsschulden vergrössern.

3. Steigt die Inflation wieder stärker an?

Trump hat ausserdem angekündigt, die Zölle auf Importe deutlich zu erhöhen. «Das würde ganz klar inflationär wirken», sagt Jung. Für höhere Teuerungsraten bei einer Präsidentschaft von Trump spreche auch, dass der republikanische Kandidat angekündigt habe, in den Handelsbeziehungen mit China restriktiver vorzugehen. Auch Biden hat dies allerdings getan.

Auch wenn Trump Ernst damit machen sollte, illegale Einwanderer des Landes zu verweisen, könnte dies eine inflationäre Wirkung haben – durch höheren Lohndruck. Allerdings ist die Zahl der Einwanderer an den amerikanischen Grenzen in diesem Jahr besonders hoch, wie es in der Safra-Sarasin-Analyse heisst.

4. Höhere Zinsen erwartet

«Würde die Inflation wieder steigen, könnte dies im Umkehrschluss dazu führen, dass die US-Notenbank die Leitzinsen nicht nur nicht senkt, sondern sie sogar weiter erhöht», sagt Jung. Momentan rechnet an den Finanzmärkten kaum jemand mit Fed-Zinserhöhungen, dies gilt noch als Ausnahmeszenario.

Die Ökonomen von Safra Sarasin gehen indessen davon aus, dass die Anleihenrenditen sowohl unter Biden als auch unter Trump strukturell höher bleiben – unter Letzterem sogar noch höher. Dies liege daran, dass Trumps geplante Politik inflationärer wirken dürfte als diejenige Bidens. In der Folge dürften Investoren höhere Risikoprämien verlangen.

5. Folgen für den Rechtsstaat

Weiter heisst es derweil, eine erneute Trump-Präsidentschaft könnte negative Folgen für den Rechtsstaat und die Gewaltenteilung im politischen System der USA haben. Dies wiederum könnte langfristiges Wirtschaftswachstum behindern.

Jung erwartet, dass Trump im Falle einer Wahl zum Präsidenten wieder Druck auf die US-Notenbank ausüben wird, die Leitzinsen zu senken. Dies hatte er bereits während seiner ersten Präsidentschaft getan. So hatte er den Fed-Präsidenten Jerome Powell regelmässig harsch kritisiert. Junius weist indessen darauf hin, dass Trumps Möglichkeiten hier begrenzt wären. Trump könne Powell schliesslich nicht einfach entlassen.

6. Geopolitische Unsicherheit

In der Aussenpolitik gilt Trump als isolationistischer als Biden. Trumps Unberechenbarkeit könnte geopolitisch gesehen für negative Überraschungen sorgen, heisst es in der Safra-Sarasin-Analyse. So könnte etwa eine rasche Reduktion der amerikanischen Unterstützung für die Ukraine dazu führen, dass Russland seine kriegerischen Ambitionen in Europa noch ausweite. Indessen sei auch nicht auszuschliessen, dass Trump dazu beitragen könnte, die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten zu beruhigen.

7. Steigende Börsenkurse?

Während seiner letzten Präsidentschaft hat Trump seine Leistung oftmals stark an der Börsenentwicklung gemessen und beständig darauf hingewiesen, dass die Kurse während seiner Amtszeit stiegen. Folglich könnte er auch während einer zweiten Präsidentschaftszeit einiges tun, um für höhere Aktienkurse zu sorgen.

Im Jahr 2017 kam es nach der Wahl von Trump zu deutlichen Steuersenkungen, die von den Aktienmärkten sehr positiv aufgenommen wurden. Die Safra-Sarasin-Ökonomen erwarten, dass eine expansive Fiskalpolitik unter Trump durchaus für steigende Aktienkurse sorgt. Allerdings könnten durch seine geplante Politik auch Risikoprämien und Kosten für die Unternehmen steigen, was wiederum negativ wäre für die Aktienmärkte. Der Zuckerrausch könnte dann in einem Kater enden.

«Es dauert noch bis zu den Wahlen, und es kann noch viel passieren», sagt Jung. So ist es beispielsweise gar nicht sicher, ob Biden überhaupt gegen Trump antreten wird oder ob er sich doch noch zurückzieht. Die kommenden Monate dürfte das Thema der US-Präsidentschafts-Wahlen die Finanzmärkte aber weiter beschäftigen. Die Analytiker der Bank Julius Bär rechnen mit wechselnden politischen Meldungen, die an den Finanzmärkten Schwankungen auslösen dürften. Das Federal Reserve dürfte derweil aber als stabilisierende Kraft wirken – für Risikoanlagen wie Aktien «sind das keine allzu schlechten Bedingungen».

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