Samstag, März 15

Die Hotellerie geniesst bei der Mehrwertsteuer eine Sonderbehandlung. Seit bald dreissig Jahren. Es war einst als befristete Krisenhilfe gedacht. Doch nun ist schon die siebte Verlängerung aufgegleist.

Der Schweizer Tourismus sei im «Krebsgang». Das stellte der Bundesrat 1995 fest. Harte ausländische Konkurrenz, Rezession und Frankenstärke waren zentrale Stichworte. Der Bundesrat und das Parlament waren bereit für eine Krisenhilfe per Anfang 1996: die Einführung eines tieferen Sondersatzes für die Hotellerie bei der Mehrwertsteuer. Die Massnahme war befristet auf zehn Jahre.

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Seither sind fast dreissig Jahre ins Land gegangen, und den Sondersatz gibt es immer noch. Der Normalsatz beträgt heuer 8,1 Prozent, der Sondersatz für Beherbergungsdienste (Übernachtung und Frühstück) 3,8 Prozent. Gemäss Bundesangaben wurde das Privileg schon sechsmal verlängert.

Auftakt zum siebten Streich

Das siebte Mal ist bereits aufgegleist. Die derzeitige Frist für den Sondersatz läuft Ende 2027 aus, doch es kam, wie es kommen musste: Eine Motion der St. Galler SVP-Ständerätin Esther Friedli fordert eine weitere Verlängerung. Der Bundesrat ist dagegen, aber der Vorstoss war diese Woche im Ständerat ein Selbstläufer – mit 37 Ja gegen nur 3 Nein-Stimmen. Das Bemerkenswerte war die Selbstverständlichkeit des Entscheids. Dieser sorgte kaum für Aufsehen, und schon gar nicht für überraschte Gesichter. Das Geschäft geht nun in den Nationalrat.

Der ursprünglich deklarierte Grund für das Steuerprivileg – Hilfe in der Krise – ist derzeit nicht besonders aktuell. So ist der Tourismus in den letzten Jahren ziemlich gut gelaufen, und auch die Prognosen deuten auf eine ansprechende Weiterentwicklung. Doch Gründe zum Klagen gibt es immer: Der Franken ist im internationalen Vergleich meist teuer, das Preisniveau ist hierzulande generell hoch, die internationale Konkurrenz schläft nie, und das Umfeld ist zu allen Zeiten schwierig.

So mahnte diese Woche im Ständerat der Tessiner Mitte-Vertreter und Gewerbeverbandspräsident Fabio Regazzi: Die Weltlage sei unsicher, der Franken könne sich deshalb weiter aufwerten, und ein «zusätzlicher Preisschock» (via höhere Mehrwertsteuer) könnte «dem Tourismus und damit auch der Staatskasse nachhaltig schaden».

Subventionen wirken wie Drogen: Hat man sich daran gewöhnt, ist beim Entzug der Aufschrei fast unvermeidlich. Regazzi betonte, dass auch in fast allen EU-Staaten für Beherbergungsleistungen ein reduzierter Sondersatz gelte. Doch in den EU-Ländern beträgt der Normalsatz der Mehrwertsteuer nicht 8,1 Prozent wie in der Schweiz, sondern 15 bis 27 Prozent. Und der Sondersatz für die Hotellerie ist laut Angaben des Bundesrats in den meisten EU-Staaten höher als der Normalsatz in der Schweiz.

Gemäss den Befürwortern des Sondersatzes ist die Hotellerie eine Exportbranche, da gut die Hälfte der Übernachtungen in hiesigen Beherbergungsorten auf Ausländer entfalle – und auf anderen Exporten zahlten Schweizer Anbieter gar keine Mehrwertsteuer. Dies ist indes eine wacklige Rechtfertigung für das Steuerprivileg. Grundsätzlich wird die Mehrwertsteuer am Ort des Konsums erhoben. In der Schweizer Hotellerie ist der Konsum naturgemäss im Inland, und bei Schweizer Exportgütern ist der Konsum im Ausland. Solche Exportgüter sind deshalb von der Schweizer Mehrwertsteuer befreit, doch dafür fallen laut Bundesausgaben Mehrwertsteuern im Ausland an.

Aber die Steuerlogik ist in der Steuerpolitik oft nicht entscheidend. Politisch wichtiger ist: Der Entzug eines Privilegs ist politisch weit schwieriger als dessen Einführung. Die Profiteure sind gut organisiert und kämpfen mit allen Kräften für den Status quo, während der Nutzen der Abschaffung diffus erscheint und breit verteilt ist – was die Bildung einer schlagkräftigen Kampagne erschwert.

Kantone gegen Bundesrat

Da nach derzeitigem Gesetz das Steuerprivileg Ende 2027 ausläuft, unterstellt der Bund in seiner mittelfristigen Finanzplanung ab 2028 Zusatzeinnahmen durch den Wegfall des Sondersatzes von 270 Millionen Franken pro Jahr. Laut den jüngsten Planzahlen beträgt der Korrekturbedarf bei der Bundeskasse für 2028 zur Vermeidung eines Defizits etwa 2,3 Milliarden Franken. Mit Verlängerung des Sondersatzes kämen die besagten 270 Millionen Franken hinzu. Weitere diskutierte Steuerprojekte könnten den Bedarf noch stärker erhöhen. Ob der Druck drohender Bundesdefizite zu einem Umdenken beim Steuerprivileg der Hotellerie führt, muss sich noch zeigen.

Das vom Bundesrat jüngst in die Vernehmlassung geschickte Entlastungsprogramm für die Bundeskasse von bis zu 3,6 Milliarden Franken pro Jahr dürfte es schwer haben. Stark dagegen eingefahren sind am Freitag die Kantone. Die Konferenz der Kantonsregierungen kritisierte unter anderem, dass der Bund ohne Koordination erhebliche Lasten auf die Kantone abschieben wolle. Die in der Stellungnahme der Kantone kritisierten Vorschläge summieren sich auf etwa 2 Milliarden Franken für 2028 und umfassen somit frankenmässig mehr als die Hälfte des Bundesprojekts. Das liegt optisch nahe bei einer Fundamentalopposition. Die Position der Kantone ist nun markiert, die Ausmarchung steht noch bevor.

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