Montag, Januar 20

Ist die Einkommensungleichheit in einem Kanton hoch, hängt das Steueraufkommen von wenigen Haushalten ab. Dies führt zu einem Klumpenrisiko für die betroffenen Kantone.

Die Einkommensungleichheit in der Schweiz ist bereits vor der steuerlichen Umverteilung niedrig und seit Jahrzehnten ausgesprochen stabil sowie krisenresistent. Auch die neuesten verfügbaren Daten aus dem Jahr 2021, dem zweiten Jahr der Pandemie, bestätigen diesen Trend.

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Ein oft übersehener Aspekt dabei ist jedoch: Die Schweiz besteht aus 26 sehr unterschiedlichen Kantonen, und diese Diversität spiegelt sich auch in der Einkommensungleichheit wider. So vereinen die obersten 10 Prozent der Einkommensbezüger im Kanton Zug rund 50 Prozent des Gesamteinkommens, während es im nahe gelegenen Kanton Uri nur etwa 27 Prozent sind.

Entsprechend variiert auch die Schwelle, um zu den obersten Einkommensgruppen zu gehören. Ein Haushalt im Kanton Uri gehört bereits mit 112 900 Franken zu den bestverdienenden 10 Prozent, während im Kanton Zug ein Haushaltseinkommen von mehr als 209 500 Franken erforderlich ist.

Wirtschaftsstandort und Steuerpolitik als Schlüsselfaktoren

Der Blick auf die Schweizer Karte zeigt, dass nicht nur Zug, sondern beispielsweise auch Kantone wie Schwyz, Basel-Stadt, Genf, Tessin und Zürich überdurchschnittliche Einkommensungleichheit aufweisen. Im Gegensatz dazu zeichnen sich Kantone wie Uri, Glarus, Fribourg und Aargau durch eher geringe Einkommensungleichheit aus.

Dies deutet darauf hin, dass der Wirtschaftsstandort eine zentrale Rolle spielt – so ziehen beispielsweise Basel-Stadt mit den Unternehmungen im Bereich Life Science und Zürich mit seinem starken Finanzplatz zahlreiche Gutverdiener an. Aber auch die Steuerpolitik hat eine grosse Anziehungskraft: Die steuerlich attraktiven Kantone wie Schwyz und Zug weisen ebenfalls eine hohe Einkommensungleichheit auf. Interessanterweise betrifft dies nicht nur die obersten Einkommensgruppen: Auch das Medianeinkommen – das Einkommen, bei dem die Hälfte der Haushalte darüber und die andere Hälfte darunter liegt – ist im Kanton Zug deutlich höher als im Kanton Uri.

Die unterschiedlichen Einkommenskonzentrationen in den Kantonen sind somit das Ergebnis eines Zusammenspiels mehrerer Faktoren, insbesondere des Wirtschaftsstandorts und der kantonalen Steuerpolitik. Dies wird auch durch die Tatsache belegt, dass in den vergangenen Jahrzehnten nicht immer dieselben Kantone die höchsten Einkommenskonzentrationen aufwiesen.

Ein anschauliches Beispiel dafür liefert die Entwicklung der Einkommensungleichheit in den Kantonen Uri, Schwyz und Zug: Bis Anfang der 1990er Jahre wiesen diese Kantone ähnliche Einkommenskonzentrationen auf. Danach nahm jedoch die Einkommensungleichheit im Kanton Uri ab, während sie in Zug und Schwyz erheblich zunahm. Dieser Unterschied ist vor allem auf die jeweils unterschiedlich gestalteten Steuerpolitiken zurückzuführen. So wurden Zug und Schwyz im Gegensatz zu Uri insbesondere für die hohen Einkommen steuerlich attraktiver.

Risiken für den Kantonshaushalt

Doch welche Auswirkungen hat eine hohe Einkommenskonzentration auf den Staatshaushalt des jeweiligen Kantons? Betrachten wir erneut die Zentralschweizer Kantone Uri mit niedriger und Zug mit hoher Einkommenskonzentration. Während die obersten 10 Prozent der Einkommensbezüger im Kanton Uri knapp 40 Prozent der gesamten Einkommenssteuerlast tragen, schultern die Zuger Top-10-Prozent drei Viertel aller Einkommenssteuern.

Für die kantonalen Finanzdirektorinnen und -direktoren ergibt sich daraus ein zweischneidiges Schwert. Einerseits sprudeln die Steuereinnahmen, wenn es gelingt, Gutverdiener in den Kanton zu ziehen. Andererseits entsteht ein hohes Klumpenrisiko, weil ein Grossteil der Einkommenssteuereinnahmen von wenigen, gewichtigen Steuerzahlern abhängt. Das ist eine riskante Strategie, wie zahlreiche Beispiele aus der Unternehmenswelt zeigen. So ruhte sich beispielsweise das Management von Nokia zu lange auf dem Erfolg seiner Marke aus, verpasste spätestens mit dem Markteintritt des iPhones den Anschluss und musste schliesslich eine Bruchlandung hinnehmen.

Diversifikation kann die Risiken senken

Um dieses Klumpenrisiko zu reduzieren, kann die Finanzdirektion an zwei Stellschrauben ansetzen. Erstens kann sie darauf abzielen, dass die massgeblichen Steuerzahler wenig Anreize haben, den Kanton zu verlassen. Daraus entsteht ein lebendiger Steuerwettbewerb: Ein Kanton muss sich um das Wohl seiner Bürger kümmern, damit diese als Steuerzahler zur Staatskasse beitragen und nicht in benachbarte Kantone abwandern.

Zweitens sollte sie Strategien der Risikodiversifikation in Betracht ziehen. Ist es möglich, die Steuerbasis breiter zu fächern? Kann das Risiko durch die Kombination unterschiedlicher Steuerarten weiter gestreut werden? Diese Fragen stellen sich insbesondere für Kantone mit hoher Einkommenskonzentration, denn diese wird für die Finanzdirektion gerade dann zum Problem, wenn sich die Finanzierung stark auf sie abstützt. Deshalb sollten Finanzdirektorinnen und -direktoren, analog zu Unternehmern, folgendes Bonmot stets im Hinterkopf behalten, das sich auf Harry Markowitz’ Portfolio-Theorie abstützt: «Die einzige kostenlose Mahlzeit in der Finanzwelt ist Diversifikation.»

Melanie Häner-Müller leitet den Bereich Sozialpolitik am Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) an der Universität Luzern.

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