Sonntag, November 24

Die Gegner setzen sich mit einer geschickten, streckenweise grenzwertigen Kampagne durch. Für den Bundesrat ist das eine empfindliche Niederlage.

Die Schweiz ist trotz ihrem dichten Bahnnetz ein Autoland. Die Strasse kommt beim Verkehr auf einen Anteil von rund 80 Prozent. Dennoch hat das Stimmvolk am Sonntag mit rund 53 Prozent den Ausbau der Autobahnen abgelehnt – zum ersten Mal, seit der Fonds für die Nationalstrassen besteht.

Den Gegnern des Ausbaus half, dass die Mobilisierung in urbanen Gebieten grösser war. Vor allem aber führten sie eine geschickt orchestrierte Kampagne, die die sechs Projekte zu einer Grundsatzfrage hochstilisierte. Streckenweise war das grenzwertig: So warnten die Gegner davor, dass St. Gallen mit dem Ausbau von Autos überrollt werden würde. Eher dürfte dies nun mit dem Nein eintreffen, wenn der Rosenbergtunnel ohne dritte Röhre saniert werden muss.

Schwach war die Kampagne der Befürworter. Der Slogan «zusammen vorwärtskommen» erinnerte an ein Motivationsseminar. Der federführende Gewerbeverband ist von einem Extrem ins andere gekippt. Er reizte früher mit polemischen Kampagnen Grenzen aus, tritt nun aber allzu soft auf. Dabei wäre spätestens mit den ersten Umfragen ein Kurswechsel nötig gewesen, etwa mit dem Slogan: «Noch länger im Stau stehen? Autobahn-Ausbau jetzt!»

In ländlich geprägten Kantonen half nicht, dass die SVP schon im Abstimmungskampf für ihre nächste Zuwanderungsinitiative zu sein scheint. Sicher spielt die Zunahme der Bevölkerung auch beim Verkehrswachstum eine Rolle. Doch diese Argumentation ignoriert, dass die Zahl der Fahrzeuge wesentlich stärker gewachsen ist und der Freizeitverkehr immer wichtiger wird.

Für Albert Rösti und den Bundesrat ist das Nein eine empfindliche Niederlage. Der Verkehrsminister spielte eine ungeschickte Rolle. Nach seiner Wahl vermittelte er den Eindruck, das Steuer zugunsten der Strasse herumzureissen. Auf seinen Antrag stellte sich die Regierung hinter einen Vorstoss des Nationalrats Erich Hess (SVP/Bern). Dieser will die A 1 zwischen Bern und Zürich sowie Lausanne und Genf auf mindestens sechs Spuren ausbauen.

Ein Fehler war auch, dass Rösti das Parlament ermunterte, die Autobahnvorlage um ein teures Projekt in der Romandie zu ergänzen. Das sollte das Paket regional ausgewogener machen, war aber kontraproduktiv. Der frühere Öl- und Autolobbyist Rösti, der eine Strassen-Offensive vorantreibt, war für die Gegner ein Steilpass. In der Romandie fiel die Vorlage trotzdem durch. Überraschend ist das nicht: Die Westschweiz beklagt sich vor allem, dass sie bei der Bahn zu kurz kommt. Sie hat zu lange stark auf den Ausbau der Strasse gesetzt, während Zürich den Wert einer leistungsfähigen ÖV-Infrastruktur früher erkannte.

Die Schweizer Verkehrspolitik ist auch unter Rösti weniger ideologisch, als es die Linke darstellt. Mit den zwei Fonds sind die Mittel für die Strasse und die Schiene vorhanden. Das Nein wirft den Ausbau der Autobahnen nun aber um Jahre zurück. Das ist für den Standort Schweiz, der auf eine gute Infrastruktur angewiesen bleibt, eine schlechte Nachricht.

Lastenvelos werden Last- und Lieferwagen nicht ersetzen. Wunschdenken ist es auch, dass die Bahn bei der Güterversorgung auf absehbare Zeit eine stärkere Rolle spielt. Mit der hängigen Vorlage für den Güterverkehr gelingt es wohl bestenfalls, den heutigen Anteil zu halten. Ob die digitale automatische Kupplung ein Erfolg wird, hängt zudem stark davon ab, ob die EU-Staaten mitziehen – auch wenn das hierzulande viele nicht gerne hören.

Die Gegner des Autobahnausbaus haben sich in überraschend vielen Kantonen durchgesetzt. Das Nein darf jedoch nicht überinterpretiert werden. Zur Abstimmung standen sechs Projekte – und nicht eine Umlagerung von Strassengeldern in den Klimaschutz. Wer übermütig wird, wie es die Grünen am Sonntag taten, den pfeift das Stimmvolk früher oder später zurück.

Das gilt auch für jene, die von flächendeckenden sechsspurigen Autobahnen träumen. In den Städten und teilweise auch in Agglomerationen, die von Ausbauten profitieren sollten, war das Nein besonders wuchtig. Im urbanen Raum werden vermehrt Lösungen gefragt sein, um die verschiedenen Verkehrsträger besser zu kombinieren. Sonst besteht die Gefahr, dass auch die nächste Autobahnvorlage durchfällt.

Exit mobile version