Samstag, Oktober 5

Eine Vielzahl von Schweizer Modemachenden setzte sich am Montagabend in Szene. Eine Bestandesaufnahme.

Mode Suisse & Friends nennt sich mittlerweile die Modeveranstaltung, die seit 2011 in Zürich stattfindet. Einst als reiner Branchenevent fürs Fachpublikum – Einkäufer und Presse – im Stil der internationalen Fashion-Weeks gedacht, erfand sich die Mode Suisse jährlich neu. Mal in dieser, mal in jener Location, öffnete sie sich in den letzten Jahren zaghaft und mit einem begrenzten Kontingent von erwerbbaren Tickets auch für ein interessiertes Publikum.

Mit dem Anhang «& Friends» hat sich das jüngste Konzept zu einem Kompromiss entwickelt, der immer mehr Protagonisten integriert. So kommen Waschmaschinen- oder Nähmaschinenhersteller sowie diverse Stiftungen in den Defilees kreativ zur Geltung oder vergeben Preise wie den «Miele x Mode Suisse Award for Positive Impact 2024». Die vergangenen Mode-Suisse-Ausgaben zeigten vermehrt einen kunterbunten Mischmasch aus verschiedensten Modepräsentationen, quasi einen «Cirque de la Mode Suisse» – zusammengehalten durch die künstlerische Leitung von Gründer Yannick Aellen.

Die Fülle der verschiedensten Kollektionen und Freunde wird von Jahr zu Jahr grösser, der Abend bis zum Anschlag umfassender. Am Montagabend wurden im Walter-Haefner-Foyer des Kunsthauses Zürich in drei einstündigen Shows insgesamt 18 Kollektionen gezeigt, wer bis zum Schluss blieb, verbrachte fast sechs Stunden vor Ort. Manchmal kam es einem dabei vor, als würden die Organisatoren mit ihren zusätzlichen Inszenierungen von der Mode ablenken: die aufwendig produzierten Einleitungen mit Aellens eigener Stimme aus dem Off, die Live-Musik, in diesem Jahr mit Auftritten des britischen Sängers Patrick Wolf und des Schweizer Pianisten Yes It’s Ananias, der im Siebziger-Jahre-Look auftritt. Dazu die Darbietungen von Tänzern und die an Gäste verteilten Goodie-Bags mit Gesichtscrème, Waschmittel und Süssgetränk.

Ausser um das Zusammenkommen der Schweizer Modebranche ging es vielen vor allem auch um das Zeigen, Sehen und Gesehenwerden – fleissig posierten die geladenen Gäste, liessen sich fotografieren und posteten ihre Impressionen in den sozialen Netzwerken.

Highlights von den gestandenen Namen

An der jüngsten Mode Suisse, wo es aufgrund des vollgepackten Abends fast schwierig wurde, einen Fokus zu setzen, vermochten dennoch einige Designer mit ihren Kreationen aufzufallen. Den Abend eröffnete die treue Mode-Suisse-Designerin Nina Yuun mit ihrer feinfühligen, tragbaren Kollektion von «Daywear»: alltagstaugliche Bekleidung mit Zwischentönen, etwa weichen Stoffen – viel Nadelstreifen – in Crème- und Beigetönen, poetischen Schnitten mit diskreten Asymmetrien und interessanten Details.

Adam Brody, langjähriger Zürcher Spezialist für Elegantes in Übergrösse, schlug mit zarten Farbverläufen in femininem Violett ebenfalls poetische Töne an. Ein weiterer Zürcher Klassiker – oder geradezu eine Institution – setzte auf wohlig-leuchtende Farbakzente in edelsten Seidenqualitäten: En Soie zeigte zum 130-Jahr-Firmenjubiläum einen kleinen Querschnitt aus Archiv-Highlights der vergangenen Jahrzehnte: bauschige, gemusterte Ballröcke in den erheiterndsten Farbkombinationen, Deux-Pièces und Bleistiftjupes aus schimmernder Dupionseide. Dazu die obligaten Carry-all-Bags mit ikonischem Vichymuster – zum Abschluss hin in witziger XXXXL-Grösse – und Seidencarrés, als Kopftuch getragen.

Im Herbst 2018 – nach ihrem Modeabschluss an der HEAD Genève – noch als heisse Newcomerin gehandelt, bewies die Genferin Sarah Bounab bei ihrem vierten Auftritt an der Mode Suisse, dass sie zu einer ernstzunehmenden Etablierten der Schweizer Modeszene avanciert ist. Kamen ihre ökofuturistischen Mode-Schmuck-Kreationen aus Metallresten, wiederverwerteten, natürlich gefärbten Stoffen und edlen Lederresten noch brut daher, wirken ihre neuen Entwürfe ausgereifter, raffinierter und aufwendiger gearbeitet. Ob all der kreativen Details in Materialien, Formen und Schnitten, die vage an Mittelalter wie auch Science-Fiction-Kostüme erinnern, demonstriert Bounab einen scharfen Blick für Proportionen.


Highlights von den Schweizer Mode-Newcomern

Gerade für das Entdecken von neuem Modetalent bleibt die Mode Suisse spannend, präsentieren doch auch ausgewählte Abschliessende der Schweizer Modeschulen HEAD Genève und von Doing Fashion der HGK Basel FHNW ihre Kollektionen. Einige davon schaffen es später als eigenständige Labels an den Anlass. Reto Emmenegger und Samantha Graber von Emmber zum Beispiel: Dank Labels wie ihrem schleicht sich Latex gerade zunehmend in Mode ein, die man im Alltag tragen kann oder zumindest tragen könnte.

Durch in die Länge gezogene, schlichte Schnitte wirken ihre halbtransparenten Teile aus gummigem Material seltsam geschmeidig und funktionieren auch als Trenchcoat oder drapiertes Top. Kleider aus engem Jerseystoff und silberne Accessoires wanden sich genauso sinnlich um die Körper der Models. Der Laufsteg wird nicht der letzte Ort gewesen sein, an dem man sie gesehen hat.

«War es das?», fragte man sich hingegen, nachdem Gabrielle Huguenot den Laufsteg verlassen hat. Nicht etwa, weil man von der Darbietung enttäuscht war, sondern weil man gerne mehr davon gesehen hätte. Die Designerin aus der Westschweiz stilisiert sich mit ihrer Mode und ihren von Fetisch angehauchten Accessoires selbst zu einer Kunstfigur. «The Snake Woman» zieht einen unweigerlich in den Bann: An der Mode Suisse trug sie zum gerafften Kleid und zu samtenen Opernhandschuhen eine Art Choker, dessen mit metallenen Charms behangene Tentakel sich über ihre Brust legten.

Zum Glück traf man dann im Mode-Suisse-Showroom auf ihre ebenso sinnlichen Metallobjekte. Wie elegante Aliens auf Sockeln glänzten sie kühl unter dem grellen Licht. Dafür wurde Huguenot am letztjährigen Hyères-Festival für Fotografie, Mode und Accessoires ausgezeichnet. Zusammen mit dem Auftritt an der Mode Suisse ist es eine Fürsprache für Mode, die ihre Daseinsberechtigung nicht allein von Marktfähigkeit abhängig machen muss.

Nicht dass marktfähig langweilig bedeuten muss. Den Beweis dafür lieferte Abri, das 2023 von der Stylistin Agnès Vadi und dem Modedesigner Morris Manser gegründete Label. Schon vor der Mode Suisse lancierten sie T-Shirts mit runden Nähten, raffiniert geschnittene Jeans und in Huttwil gestrickte Hoodies.

Dieser Fokus auf Produkte, allesamt unisex, hat sich ausgezahlt; Abri wird die neue Kollektion im Edelwarenhaus Bongénie (ehemals Grieder) präsentieren können. Auf dem Laufsteg kamen ebenso durchdachte Kleidungsstücke dazu: ein Western-angehauchtes Hemd, ein crèmefarbener Samtjupe, Statement-Kragen, die an Designs von Phoebe Philo erinnerten, und ein Strickponcho, den man in Voraussicht auf tiefere Temperaturen gleich einpacken möchte.

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