Sonntag, September 29

Zuerst die Absage in der Pandemie, dann wurden die Veranstalter von der Stadt Zürich monatelang hingehalten: Das albanische Open Air hat eine leidvolle Geschichte hinter sich. Mimoza Lekaj hingegen findet: Genug der Enttäuschung, nun ist Zeit zu feiern!

Mimoza Lekaj ist ein Glücksfall für das Alba-Festival. Das Open Air der albanischstämmigen Diaspora, das von Freitag bis Sonntag in Zürich stattfindet, hätte sich kaum eine bessere Botschafterin wünschen können.

Beim Alba-Festival ist die Tochter kosovarischer Einwanderer von Anfang dabei. Als «Host & Leader», wie sie sich auf Instagram beschreibt, gehört sie seit 2019 zum kleinen Kernteam des Open Airs. Die Influencerin weiss, wie sie ihre Fans erreicht. Und wenn man mit ihr spricht, scheint die leidvolle Vorgeschichte des grössten albanischen und kosovarischen Pop-Musik-Events in Europa schon fast vergessen zu sein.

Lekaj sagt: «Das, was passiert ist, war ein Schock für uns. Und es war verletzend. Aber wir wollen positiv bleiben, nach vorne schauen – wir freuen uns auf das Festival am Wochenende und darüber, dass es endlich wieder stattfinden kann.» Die Vergangenheit soll dieser Freude nicht im Weg stehen, das ist im Gespräch mit der 28-Jährigen deutlich zu spüren. Sie sagt: «Wenn wir heute noch verletzt wären, hätten wir wahrscheinlich gar nicht weitergemacht.»

Die unrühmliche Absage in der Pandemie

Die Rolle der Zürcher Behörden war weniger positiv. Sie sollten vielleicht noch einmal darüber nachdenken, was sie mit dem Alba-Festival alles falsch gemacht haben in den vergangenen Jahren. Hier ein paar Notizen zur Erinnerung:

Im September 2021 entzog die damalige Regierungspräsidentin und Kulturdirektorin Jacqueline Fehr (SP) der Veranstaltung die Bewilligung. Im letzten Moment sozusagen, zwei Tage vor Beginn des Festivals, das damals auf der Hardturm-Brache hätte stattfinden sollen. Bühnen und Zelte waren bereits aufgebaut, 20 000 Besucherinnen und Besucher wurden erwartet, doch dann mussten die Veranstalter alles wieder abbauen. Die Kantonsregierung begründete die Absage so: Das Festival richte sich an eine von der Corona-Pandemie «stark betroffene Community». Eine solche Grossveranstaltung sei daher nicht zu verantworten.

Nur: Lekaj und die anderen Macher des Festivals hatten sich an die Vorschriften gehalten und eine 3-G-Pflicht für das Open Air erlassen. Die Empörung war gross, Fehr wurde Rassismus vorgeworfen. Die Kulturdirektorin entschuldigte sich und bat die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus um eine Beurteilung – und wurde von dieser prompt gerügt. Die Begründung der Absage sei «zu Recht als diskriminierend empfunden worden».

Im vergangenen Jahr machten die Behörden ebenfalls keine gute Figur, dieses Mal die städtischen. Nach einem Grosserfolg auf der Hardturm-Brache 2022 hätte das Festival erneut auf dem Areal des früheren Fussballstadions stattfinden sollen. Doch die Alba-Macher wurden monatelang hingehalten, schliesslich musste auf eine linksautonome Besetzergruppe auf dem Areal ebenfalls Rücksicht genommen werden.

Und dann war es für ein Open Air dieser Grösse irgendwann zu spät: Die Veranstalter sagten den Event von sich aus ab – worauf der Stadtrat vom Stadtparlament prompt aufgefordert wurde, einen geeigneten Standort für das Festival zu suchen, damit sich eine solche Blamage nicht wiederholt.

Das immerhin hat nun geklappt. Das Open Air findet dieses Jahr auf dem Kasernenareal statt. Angekündigt sind 26 Musiker, von Elai über Era Istrefi bis Mozzik & Getinjo. Erneut werden Zehntausende von Zuschauern erwartet. Auch dieses Jahr dürften die meisten von ihnen albanische oder kosovarische Wurzeln haben – wie Mimoza Lekaj.

«Wie schön kann man sein 😍😍»

Vor der ersten Ausgabe des Festivals hatte sie 30 000 Follower auf Instagram. Heute sind es 340 000. Auf Tiktok folgen ihr 260 000 Menschen. Man kann sie verstehen, trotz all dem Kommerz, der in Lekajs schöner Glitzerwelt mitschwingt: Die Influencerin ist sympathisch. Man schaut ihr gerne zu bei der Arbeit, weil man merkt, dass sie das, was sie macht, gerne macht. Zum Beispiel mit ihrem jüngsten Beitrag auf Instagram: Die Influencerin «testet» eine Mascara eines französischen Herstellers, mit dem sie einen Werbevertrag abgeschlossen hat. Die Wimperntusche gibt es jetzt offenbar auch in einer wasserfesten Version. Das ist praktisch, vor allem im verregneten Sommer 2024.

Und das kommt an. Mimoza Lekaj ist zu einer Marke geworden. Egal wie banal, egal, was sie macht oder postet – ihre Fans lieben sie. Die meisten von ihnen sind Frauen, sie überschütten den Instagram-Star mit Komplimenten. «Wie schön kann man sein 😍😍», schreibt eine. «Breath taking ❤️», eine andere. «Einfach Miss Mommy Switzerland 🇨🇭🔥❤️», eine dritte.

Lekaj ist vor kurzem zum zweiten Mal Mutter geworden. Sie sagt: «Ich habe keine Hemmungen davor, mich nicht perfekt zu zeigen.» Und: «Ich bin authentisch, nahbar.» Es klingt überzeugt, souverän, echt. Und doch fragt man sich, wie authentisch das nahezu perfekte Mutterbild wirklich sein kann, das Lekaj auf Instagram zelebriert.

Weltoffen oder nicht?

Doch von solchen Bedenken lässt sich Lekaj nicht beirren. Sie sagt: «Ich will vielen Frauen Mut machen.» Am Alba-Festival etwa will die Zürcherin dem Publikum zeigen, dass auch «ganz normale Menschen» wie sie auf der Bühne stehen und das Open Air eröffnen können, wie sie das bereits 2019 und 2022 getan hat. «Hallo Menschen! Heisse Stimmung hier, und so viele heisse Chicks!», rief sie bei der Premiere ins Publikum. Und: «Trinkt genug Wasser, dann ist alles gut!» Es war ein heisser Sommertag.

Auch dieses Jahr möchte Lekaj, dass es den Festivalbesuchern gutgeht. Ihre beiden Kinder sollen sie nicht davon abhalten. Um ihren Jüngsten kümmern sich die Schwiegermutter und ihr Mann. Doch die Familie wird in ihrer Nähe sein, Lekaj hat beim Festivalgelände eigens ein Appartement gemietet – für Notfälle, wie sie sagt. Die Tochter ist knapp zwei. Vielleicht wird das Mädchen die Mama kurz besuchen auf dem Kasernenareal. «Das würde sie bestimmt freuen», sagt Lekaj. «Dann sieht sie mal, was ich sonst noch mache in meinem Job.»

Und die Vorurteile, die viele Schweizer gegenüber Albanern und Kosovarinnen immer noch haben? Was ist davon zu halten, dass ein Boulevard-Journalist nach der Premiere 2019 vom PR-Verantwortlichen des Festivals unbedingt wissen wollte, ob es eine Messerstecherei gegeben habe?

Lekaj winkt ab. «Das hat nichts mit der Nationalität zu tun. Entweder man ist weltoffen, oder man ist es nicht.» Daran könne auch das beste Festival der Welt nichts ändern.

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