Donnerstag, März 20

Der Österreicher war schon bei vielen Verbänden im Skisport engagiert. Nun arbeitet Riml nationenübergreifend mit einigen der besten Athletinnen und Athleten zusammen – und erklärt, wie diese voneinander profitieren.

Patrick Riml, der Abfahrts-Weltmeister Franjo von Allmen hat uns erzählt, wie er Sie kennengelernt hat: indem er Sie fragte, ob er ein Red Bull haben dürfe.

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Ja, das war sehr lustig. Es war vor einem Jahr beim Weltcup-Final in Saalbach, da war ich erst seit einem Monat in meiner neuen Funktion tätig. Ich hatte schon gewisse Ideen und Athleten auf dem Radar, kannte von Allmens Leistungen. Es war fast niemand mehr im Zielraum, wo es ein paar Kühlschränke mit unseren Getränken gab. Ich sprach mit jemandem und sah aus dem Blickwinkel Franjo von Allmen herumtänzeln, der hat dort sicher zehn, fünfzehn Minuten gewartet. Und als ich fertig war, kam er zu mir, stellte sich vor und fragte, ob er sich eine Dose nehmen dürfe.

So hat er Sie überzeugt?

So hat das Ganze angefangen, wir haben ein bisschen gesprochen und ein paarmal telefoniert. Und dann haben wir uns getroffen und die Zusammenarbeit fixiert. Das Potenzial hatte ich schon erkannt, aber wie er sich dann vorgestellt hat und ich ihn als Menschen kennengelernt habe, da war für mich klar, dass er einen blau-silbernen Helm auf dem Kopf haben muss.

Ist der Charakter eines Athleten so wichtig für einen Vertrag mit Red Bull?

Natürlich ist es wichtig, dass der Athlet in seinem Land auch vermarktet werden kann. Er soll ja eine junge Gesellschaft dazu motivieren, unsere Getränke zu konsumieren. Er muss das gewisse Etwas haben, nicht einfach erfolgreich sein. Die Leute sollen sagen: «Das ist ein super Typ. Wie der riskiert, wie der sich gibt!»

Diese Stichworte treffen auch auf Lindsey Vonn zu, die in dieser Saison ihr Comeback gab. Wie war Ihre erste Reaktion, als Sie bei Ihnen anrief?

Ich habe zu ihr gesagt: «Du bist verrückt, ganz ehrlich.» Und dann haben wir uns hingesetzt und einen Plan gemacht. Nach der Operation ging es ihr wirklich gut, wir spielten im Sommer in Park City in den USA zusammen Tennis, das gibt’s nicht, wie die auf dem Platz herumsprang. Der Plan war, dass sie diese Saison zum Training und Herantasten nutzt und bei gewissen Rennen Vorfahrerin ist. Es ging dann alles schnell gut, woraufhin sie den Wunsch formulierte, im Dezember in St. Moritz am Start zu stehen. Allerdings gehen ihr noch die Schneetage ab, man kann die fünf, sechs Jahre nicht einfach ignorieren. Das Material hat sich entwickelt, und um das optimale Set-up zu finden, braucht man Tage auf Schnee.

Diese Geduld ist neu für Vonn.

Das ist genau das Problem. Das Wort «geduldig» gibt es in Lindsey Vonns Wortschatz nicht. Als die Rennen in St. Moritz und St. Anton gut liefen, wollte sie gleich mehr und noch mehr. Ihre Leistungen diesen Winter darf man nicht unterschätzen, ich bin sehr glücklich damit. Aber die Geduld ist ein Riesenproblem für sie. Ein grosser Teil dieser Comeback-Geschichte besteht im Moment aus Bremsen. Die Zügel stramm halten und sagen: Schritt für Schritt. Nicht zwei, drei überspringen. Damit tut sie sich schwer – aber das ist auch der Grund, weshalb sie so viel Erfolg hatte. Dass sie so hart pusht, wie es geht.

Sie arbeiten mit den Allerbesten des Skisports zusammen. Was haben diese Athletinnen und Athleten gemein?

Den Drang, das Maximale herauszuholen. Sie haben einen klaren Fokus, ordnen alles ihrer Karriere unter. Sie wollen sich jeden Tag verbessern. Ob das im Sommer im konditionellen Bereich ist oder auf Schnee.

Wie ist es, wenn die in einem Training aufeinandertreffen?

Ein Beispiel: Als Dominik Paris diesen Winter zu Hause im Ultental trainierte, war Ester Ledecka dabei. Später in Kitzbühel kam Paris zu mir und sagte: «Diese Frau ist verrückt. Wir haben Super-G trainiert, und es war so neblig, man hat kein Tor gesehen. Und Ester ist in der Hocke da runter ohne Rücksicht auf Verluste.» Diese Aussage kam von einem der wildesten Hunde im Weltcup! Paris schwärmte von Ledeckas Einstellung und will auch mit 35 Jahren noch weiter lernen. Das finde ich spannend und schön. Auch, dass Frauen und Männer zusammen trainieren. In verschiedenen Verbänden, in denen ich gearbeitet habe, wurde immer gesagt: «Die fahren eine ganz andere Linie!»

Mit Hirscher, Vonn und Braathen gaben drei Grosse des Ski-Weltcups ihr Comeback. Sie alle sind Red-Bull-Athleten. War das ein Marketing-Gag?

Nein, überhaupt nicht. Wenn jemand ein Red-Bull-Athlet ist, weiss er, dass er die hundertprozentige Unterstützung von uns hat. Bei solch speziellen Projekten sind wir die Ersten, die sagen: «Setzen wir uns an den Tisch und schauen, was wir organisieren müssen.» Das hat mit einem Marketing-Gag nichts zu tun, aber ich weiss nicht, wie viele andere Sponsoren die Möglichkeiten haben, Comebacks so zu unterstützen, wie wir es tun. Wenn Aksel Svindal heute anruft und sagt, er wolle wieder fahren, dann finden wir zusammen eine Lösung.

Früher war das Red-Bull-Logo auf dem Helm exklusiv, nur wenige Stars wie Vonn fuhren damit. Nun sind es bereits siebzehn Fahrerinnen und Fahrer. Was ist die Firmenstrategie im alpinen Skisport?

Wir sind gewachsen, das stimmt. Seit dem letzten Winter sind fünf Athleten dazugekommen. Die drei Rückkehrer, die vor ihren Rücktritten schon bei Red Bull waren, und zwei Junge, Franjo von Allmen und die Kroatin Zrinka Ljutic. Alle unsere Athleten sind auf einem sehr hohen Niveau, sie haben zusammen in diesem Winter über 80 Podestplätze erreicht. Unsere Strategie ist simpel: Wir wollen junge Athleten zusammen mit dem jeweiligen Verband so unterstützen, dass sie es auf das Podest schaffen.

Dann wächst das Engagement noch weiter?

Nicht unbedingt. Mein Ziel ist es, dass wir in jeder Disziplin drei bis fünf Athletinnen und Athleten haben, die um den Sieg mitfahren.

Ihre Marke stand früher hauptsächlich für verrückte Events und coole Sportarten eher aus dem Freestyle- oder Extremsport. Weshalb wurde Ski alpin immer wichtiger?

Diese Entwicklung hat unter meinem Vorgänger Robert Trenkwalder begonnen. Der Fokus war zu Beginn stark auf Abfahrt und Super-G, weil es dieses verrückte, dramatische Element enthält. Nach Daron Rahlves, unserem ersten Athleten, kamen Aksel Lund Svindal, Eric Guay und Lindsey Vonn dazu. Zu diesem Zeitpunkt war ich der Chef des amerikanischen Frauenteams. Vom Verband aus hatte ich nicht die Ressourcen, um das optimale Programm für die Athletinnen bereitzustellen. Es gab nur einen Konditionstrainer – für den Nachwuchs, den Europacup, den Weltcup und sämtliche Disziplinen. Ich redete mit Robert darüber, wie man Athletinnen wie eine Lindsey Vonn auf ein anderes Niveau bringen kann. Er hat mir dann via Red Bull einen Konditionstrainer und einen Physiotherapeuten zur Verfügung gestellt. Mehr oder weniger exklusiv für Lindsey Vonn, aber ich habe die beiden dann ins Team integriert. Das war das Pilotprojekt.

Und so läuft die Zusammenarbeit mit den Verbänden heute überall?

Wir schauen immer gemeinsam mit dem Verband: Hat dieser gute Möglichkeiten, oder ist jene eingeschränkt? Dann können wir uns einbringen. Mittlerweile habe ich siebzehn Mitarbeiter, die in verschiedenen Bereichen und Verbänden mit den Athleten arbeiten. Im letzten Jahr waren es erst fünf. Die Nachfrage wurde immer grösser: Wie könnt ihr uns unterstützen?

Bei Marco Odermatt oder Franjo von Allmen ist das anders – sie haben bei Swiss Ski optimale Strukturen. Wovon können sie profitieren?

Wir haben viele unterschiedliche Möglichkeiten in unserem Trainingszentrum in Thalgau bei Salzburg. Besonders im Winter, wenn es kleinere Verletzungen gibt und der Tross inklusive der Betreuer der Verbände von einem Weltcup-Ort zum nächsten weiterzieht, können wir Athleten dorthin schicken und eine individuelle Reha durchführen, wenn das gewünscht ist. Unsere Athleten kommen auch alle zum Konditionstest im Frühjahr nach Thalgau, manchmal auch im Herbst, auch das immer in Absprache mit den Verbänden. Marco Odermatts früherer Konditionstrainer Kurt Kothbauer hat Swiss Ski im vergangenen Frühling verlassen, er ist nun in unserem Team.

Der Ski-Weltenbummler

Patrick Riml

eva. In Sölden in Tirol aufgewachsen, musste Patrick Riml seine Skikarriere bereits im Europacup wegen einer Verletzung beenden. Seither war der 54-Jährige in verschiedenen Posten als Cheftrainer oder Alpinchef in den USA, Kanada und Österreich tätig. Zu seinen Aufgaben als «Head of Athletes Special Projects» der Alpinen von Red Bull gehören die Kommunikation mit den Verbänden, das Scouting von Talenten und die Organisation von Trainingspisten, zudem ist er bei vielen Trainings dabei.

Dann haben die beiden immer noch miteinander zu tun?

Kurt Kothbauer sieht Marco Odermatt immer noch regelmässig. Odermatt kommt mit seinem neuen Konditionstrainer Alejo Hervas nach Salzburg für die Leistungstests, aber Kothbauer ist dort auch dabei. Nach den Tests analysieren wir diese gemeinsam und entwickeln ein Programm für den Sommer, das machen wir bei allen siebzehn Athletinnen und Athleten so. Daneben optimieren wir die Reisen etwa mit Helikopterflügen, speziell für Athleten wie Odermatt, der drei Disziplinen fährt und einen intensiven Winter hat. So können wir die Regeneration optimieren.

Was machen die siebzehn Angestellten genau?

Es gibt Konditionstrainer, Physiotherapeuten und teilweise auch Schneetrainer, die insbesondere Athleten in sehr kleinen Verbänden unterstützen wie etwa Alice Robinson aus Neuseeland, Lara Colturi aus Albanien, Ester Ledecka aus Tschechien und Braathen aus Brasilien. Aber auch Sofia Goggia hat einen Physiotherapeuten und einen Konditionstrainer von uns erhalten. Wo wir uns einbringen, um dem Athleten das optimale Umfeld zu bieten, kommt immer darauf an, was der jeweilige Verband möchte.

Profitieren die kleinen Teams auch untereinander?

Im vergangenen Jahr in Neuseeland trainierten zum Beispiel Alice Robinson und Marcel Hirscher zusammen. In Sölden auf dem Weltcup-Hang waren im Herbst Braathen, Hirscher, Kristofferson, Colturi, Robinson und Ljutic zusammen. Danach trainierten dort Paris, Goggia und Odermatt gemeinsam. Wenn Odermatt mit den Red-Bull-Athleten trainiert, sind auch die anderen aus seiner Trainingsgruppe eingeladen, Tumler war dort, Caviezel, Murisier. Wir wollen die Gruppen nicht sprengen.

Das wirkt schon fast wie ein Markenteam. Was halten Sie von der Idee solcher Teams im Skisport?

Ein Markenteam wäre schwierig. So wie die Infrastruktur und die ganze Organisation auf FIS-Ebene heute funktionieren, ist der Verband immer noch sehr wichtig, so meldet er etwa die Athleten an. Ausserdem sind die Verbände wichtig, um die Nachwuchsarbeit zu machen. Zurzeit versuchen wir einfach, die Ressourcen zu bündeln. Der Skisport ist generell sehr teuer, und wenn sich Colturi und Braathen selbst organisieren, um in Neuseeland zu trainieren, müssen sie dort die Pisten reservieren und dafür Gebühren bezahlen. Da ergibt es Sinn, wenn man zusammen trainiert und die Kosten teilt. Ausserdem kann man auch die personellen Ressourcen bündeln, etwa bei der Pistenpräparation.

Weshalb haben Sie eigentlich noch nie in der Schweiz gearbeitet?

Als das 2013 ein Thema war, war es schon sehr verlockend. Ich lebte aber seit 1999 in Amerika, meine Tochter ist dort geboren, meine Frau ist Kanadierin. Zu diesem Zeitpunkt wäre ein Engagement in der Schweiz aus familiären Gründen schwierig gewesen. Zu einem gewissen Grad habe ich es bereut, dass ich damals abgelehnt habe. Aber ich war immer sehr glücklich mit den Orten, an denen ich gearbeitet habe. Und ich pflege eine gute Beziehung zu Swiss Ski.

Haben Sie objektiv messbare Daten, was ein Athlet der Marke bringt, etwa Marco Odermatt?

Ich denke schon, aber da gibt es andere Leute bei uns in der Firma, die das genauer wissen als ich. Marco Odermatt und Lindsey Vonn sind sicher weit oben. Wenn man die Welt bereist und zuhört, wie die Zuschauer über die Fahrer reden, dann merkt man schon, dass Odermatt einen Rieseneindruck macht. Wie er mit den Fans umgeht, sein Charakter, das ist sehr speziell. Er ist ein Superstar, unser Topathlet. Was der tagein, tagaus liefert, ist unglaublich.

Das Publikum im alpinen Skisport ist eher überaltert. Werden es Persönlichkeiten wie Odermatt oder von Allmen schaffen, die junge Generation anzulocken?

Jedes Kind hat seine Helden. Und wenn die Kinder skibegeistert sind und solche sympathischen und bodenständigen Typen sehen, können sich die Jungen identifizieren. Aber bei den Olympischen Spielen 1988 in Calgary waren die Schneesport-Medaillen ungefähr hälftig an Alpin- und Nordisch-Athleten verteilt, heute haben die Alpinen vielleicht 20 Prozent, wegen neuer Sportarten wie Snowboarden und Freestyle. Ski Alpin ist für viele Junge vielleicht nicht so cool wie Slopestyle oder Big Air, aber Athleten wie von Allmen, Odermatt oder Braathen können bei Kindern sicher Begeisterung und den Wunsch auslösen, so zu sein wie sie.

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