Der Kantonsrat kritisiert die Fachhochschulen und die Universität Zürich, ohne ihnen wirklich weh zu tun. Das darf nicht sein.
Das Zürcher Kantonsparlament hat diese Woche ein eigenartiges Schauspiel aufgeführt. Die Volksvertreter gaben sich alle Mühe, empört zu wirken. Schliesslich ist der Kantonsrat nicht irgendein Plaudergremium, sondern der wichtigste Financier der kantonalen Hochschulen. Er entscheidet über deren Budget. Und wer zahlt, befiehlt.
Also sollten die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK), die Pädagogische Hochschule Zürich (PHZH), die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und die Universität Zürich genau hinhören, wenn das Parlament ihre Jahresberichte debattiert. Denn darüber kann man sich in der Tat aufregen.
Die ZHdK bietet hier ein besonders schlechtes Beispiel. Die Kunsthochschule hat im vergangenen Jahr einen Verlust von knapp 7 Millionen Franken produziert. Und was macht das Parlament? Es rümpft ein bisschen die Nase.
Raffaela Fehr (FDP), die Präsidentin der zuständigen Aufsichtskommission, sagte im Plenum: «Die ZHdK steht eher schlecht da. Die finanzielle Führung durch die Hochschulleitung lässt etwas zu wünschen übrig.» Über die Kosten des seit Jahren kritisierten und vor kurzem beendeten China-Experiments der Kunsthochschule werde man sich «demnächst» informieren lassen.
Solch zahme Wortmeldungen werden die Verantwortlichen auf dem mondänen Toni-Areal, wo das Sorgenkind der Zürcher Fachhochschulen residiert, kaum aus der Ruhe bringen. Zumal der Eiertanz um (Führungs-)Verantwortung im Kantonsrat damit erst begonnen hatte.
Die Schweige-Direktorin
Bei der Kunsthochschule liegt noch mehr im Argen. Empörte Mitarbeiter gelangen immer wieder an die Medien und berichten von Vetternwirtschaft und Missmanagement. Das ist auch der Aufsichtskommission nicht entgangen. Also hat sie sich bei der Bildungsdirektion über die Rekrutierung von Personen kundig gemacht, die Kadermitgliedern der betreffenden Hochschule nahestehen. Die erhellende Erkenntnis: Auch dazu gibt es – wie für fast alles in der Verwaltung – Regeln, die in irgendeinem Paragrafen festgeschrieben sind.
Doch die entscheidenden Fragen der wackeren Aufsichtskommission blieben unbeantwortet: Wird überprüft, dass die Fachhochschulen diese Regeln auch einhalten? Schreitet der Fachhochschulrat – ein weiteres Schattengremium der undurchsichtigen Bildungsbürokratie – zur Tat und setzt diese Bestimmungen durch, falls die Hochschulen tatsächlich anderes im Sinn haben sollten?
Parlament und Öffentlichkeit erfahren nichts darüber, weil Bildungsdirektion und Fachhochschulrat sich darum foutieren, zu diesen Punkten Stellung zu beziehen. Und so blieb der Kommissionspräsidentin fast nichts anderes übrig, als zahnlose Plattheiten von sich zu geben: Die Leitung der Fachhochschulen möge sich des Konfliktpotenzial bei der Anstellung von nahestehenden Personen bewusst sein. Der Fachhochschulrat möge seiner Aufsichtspflicht nachkommen, sagte Fehr in der Debatte im Parlament.
Auch das klang nicht gerade so, als hätten ZHdK, PHZH und ZHAW von ihrem strategischen Führungsorgan etwas zu befürchten. Dessen Präsidentin Silvia Steiner, die gleichzeitig Bildungsdirektorin und Präsidentin des Universitätsrats ist, beeilte sich zwar festzuhalten, dass der Fachhochschulrat seinen Aufgaben sehr wohl nachkomme. Aber das überzeugte nicht. Erst recht nicht, da sich die Mitte-Politikerin auch noch zur Aussage verstieg, dass alle drei Fachhochschulen ein «erfolgreiches Geschäftsjahr» gehabt hätten.
Die ZHdK macht ein Millionendefizit und wird von der Bildungsdirektorin erst noch gelobt dafür. Mehr Balsam von oben geht nicht. Dabei hätte die Kunsthochschule eine tüchtige Abreibung verdient gehabt – auch und gerade von ihrer obersten Chefin. Steiner indes ist bekannt für ihren maximal zurückhaltenden Politikstil: geschehen lassen, aussitzen, schweigen, zumindest gegen aussen – bis es für glaubwürdige Direktiven zu spät ist.
So führt man keine Hochschulen. So kommuniziert man nicht mit dem Parlament und auch nicht mit der Öffentlichkeit.
Klartext, bitte!
Andererseits: Wozu die Aufregung? Der Kantonsrat hat die Jahresberichte der drei Fachhochschulen und der Universität Zürich genehmigt, ohne eine einzige Gegenstimme. Schwamm drüber, am Ende einer pseudokritischen Debatte haben sich alle wieder lieb. Für ihre Defizite könnten die Hochschulen nichts, sagte Steiner. Das Minus beruhe vor allem auf dem Teuerungsausgleich, den die Hochschulen ihren Angestellten gewähren mussten und den sie vom Kanton nur zum Teil finanziert bekommen hatten.
Diese Haltung ist gefährlich, denn es erlaubt den Hochschulen, sich hinter solchen Totschlagargumenten zu verstecken. Die Finanzen der Universität Zürich etwa sind derart komplex, dass es für die steigenden Kosten des Milliardenbetriebs zwingend noch andere Erklärungen geben muss. Auch Studenten werden immer teurer. 2021 kostete ein Student der Universität den Zürcher Steuerzahler knapp 22 000 Franken pro Jahr. 2023 waren es 26 000 Franken.
Warum? Was tut die Hochschule dagegen?
Diese Fragen müssen Politiker stellen. Und die Hochschulen müssen sie klipp und klar beantworten. Sonst setzen sie sich dem Vorwurf aus, ihre Kostentreiber gekonnt zu verwedeln – bevor sie vom Parlament noch mehr Geld verlangen fürs nächste Jahr. Hochschulen sollten ein Kostenbewusstsein entwickeln. Und nicht einfach davon ausgehen, dass die Politik alles abnickt, was sie von ihnen vorgelegt bekommt.