Der Regierungsrat muss prüfen, wie bis 2028 zusätzliche 500 Plätze im Medizinstudium geschaffen werden könnten. Im Vergleich zu heute entspräche das mehr als einer Verdoppelung.
Privat hat Josef Widler das Problem schon gelöst. Der 70-jährige Mitte-Kantonsrat hat für seine Hausarztpraxis eine Nachfolgerin gefunden – seine Tochter. Für viele Praxen und Spitäler ist genau dies heute aber schwierig geworden, denn in der ganzen Schweiz fehlt der Ärztenachwuchs. Deshalb will Widler die Sache nun auf breiterer Ebene anpacken.
Die Gründe für das Problem sind rasch benannt: Es werden zu wenige Ärztinnen und Ärzte ausgebildet. Zudem verlassen viele schon kurz nach oder gar während der Ausbildung den Beruf. Momentan schliessen die Spitäler und Praxen die Lücke mit ausländischen Medizinern. Fast vierzig Prozent der hiesigen Ärzte haben ein ausländisches Diplom.
Es ist aber fraglich, ob dies eine nachhaltige Strategie ist. Denn die umliegenden Länder haben die gleichen Probleme. Der demografische Wandel führt dazu, dass immer mehr Personen in einem Alter sind, indem sie häufiger medizinische Behandlungen brauchen. Zugleich kommen weniger junge Menschen nach, die sich um sie kümmern könnten.
Und in der Schweiz dürfte sich die Situation bald zuspitzen. Die Ärzte der Babyboomer-Generation gehen in Pension, und die jungen Mediziner wollen vermehrt Teilzeit arbeiten. Um dem entgegenzuwirken, gibt es zwei Strategien: mehr eigene Ärztinnen und Ärzte ausbilden – und dafür sorgen, dass sie im Job bleiben.
Parteien von SVP bis SP unterstützen die Idee
Widler fordert, beides zu tun. Dazu hat er zwei Vorstösse im Parlament eingereicht. Einer davon war am Montag im Kantonsrat erfolgreich. Das dringliche Postulat verlangt vom Regierungsrat, zu berechnen, wie viel es kosten würde und was sonst nötig wäre, um bis 2028 500 zusätzliche Studienplätze zu schaffen.
Denn Interessenten für das Medizinstudium gäbe es genug. 2022 hätten sich 6147 Personen um 2172 Studienplätze beworben, schreibt Widler in seinem Vorstoss. Fast 4000 Personen seien also abgewiesen worden, weil es an Studienplätzen mangle. «Unter den Abgewiesenen sind über 500 Bewerberinnen und Bewerber, die die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Abschluss des Studiums erfüllen und den Arztberuf erfolgreich ausüben könnten», heisst es im Text weiter.
Um dem Ärztemangel entgegenzuwirken, sei es unumgänglich, die Zahl der Ausbildungsplätze drastisch zu erhöhen – heute bietet die Universität Zürich knapp 400 Studienplätze an. Es gelte, sofort aktiv zu werden, denn vom Studienbeginn bis zum Abschluss der Facharztausbildung brauchen die angehenden Mediziner zwölf Jahre.
Widler konnte für seine Idee den ganzen Kantonsrat gewinnen, Parlamentarier von SVP bis SP unterzeichneten das Postulat mit. Am Montag wurde das Geschäft denn auch diskussionslos an den Regierungsrat überwiesen. Dieser hatte zuvor bereits mitgeteilt, dass er bereit sei, das Postulat entgegenzunehmen. Bis in einem Jahr muss die Regierung nun Antworten liefern. Wenn die Sache erst einmal mit einem Preisschild versehen ist, dürfte das Thema im Parlament kontroverser diskutiert werden.
Pflegepraktikum soll obligatorisch werden
Widlers zweiter Streich ist eine Motion, die ein verbindliches Pflegepraktikum für angehende Medizinstudenten fordert. Junge Ärztinnen und Ärzte sollen dadurch frühzeitig einen Einblick in den Berufsalltag erhalten. Dies soll verhindern, dass sich der Nachwuchs ein falsches Bild macht und schliesslich desillusioniert aus dem Job aussteigt. Die Motion wird im Kantonsrat noch behandelt. Neben der Mitte unterstützen aber auch FDP, GLP und SP, die gemeinsam eine Mehrheit im Parlament bilden, das Vorhaben.
Den jungen Ärzten wären indes andere Massnahmen wichtiger, namentlich eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen. In diesem Bereich konnte der Zürcher Verband der Assistenz- und Oberärzte am Montag einen Erfolg bekanntgeben. Man habe sich mit dem Unispital Zürich darauf geeinigt, die wöchentliche Soll-Arbeitszeit für Assistenzärzte in den kommenden vier Jahren schrittweise von 50 auf 46 Stunden pro Woche zu senken. Von den 46 Stunden sollen 4 für Weiterbildung reserviert sein.