Den Bürgerlichen geht die Nähe von Sozialarbeit und Fans deutlich zu weit.
Fan-Sozialarbeit ist der Versuch, Fussballfans zu begleiten – und über den Fussball Leute zu erreichen, die sonst für Sozialarbeiter schwer zugänglich sind. Das Ziel ist letztlich Gewaltprävention. So schreibt es der Verein Fan-Sozialarbeit FC Zürich auf seiner Homepage.
Die Idee ist schön. Doch wird der von Stadt, Kanton und FCZ unterstützte Verein dem Anspruch der Gewaltprävention wirklich gerecht? Die Bürgerlichen sind skeptisch – und sehen deshalb auch die deutliche Aufstockung des städtischen Beitrags von 50 000 Franken auf 130 000 Franken jährlich kritisch.
Der Stadtrat begründet die zusätzlichen 80 000 Franken Beitragsgelder damit, dass sich die FCZ-Südkurve in den letzten Jahren stark vergrössert habe. Es brauche eine zusätzliche Stelle.
Mit dem Geld sollen zudem sogenannte Tutoren engagiert werden: ältere Kurvengänger, die jungen FCZ-Fans gemäss Sozialdepartement ein «angemessenes Verhalten innerhalb und ausserhalb der Stadien und im öffentlichen Raum» vermitteln sollen. Die Betriebsgesellschaft FCZ erhöht ihren Beitrag ebenfalls, von 50 000 auf 70 000 Franken. Der Kanton steuert unverändert 50 000 Franken bei.
Sprayereien beim Wohnhaus von SVP-Gemeinderat
Skeptisch sind die Bürgerlichen in erster Linie wegen der langen Liste von Gewalttaten an Fussballspielen, die trotz Fan-Sozialarbeit begangen worden sind. Die Liste reicht vom Überfall durch FCZ-Ultras an der Dorfchilbi bis zum Eklat am Juniorenspiel mit Angriffen auf GC-Matchbesucher.
Die Bürgerlichen stört zudem, dass die Fan-Sozialarbeiterinnen ihre Rolle nicht als Vermittlerinnen sehen – so, wie das bei Fussballklubs in der Schweiz üblicherweise der Fall sei. Auf der Homepage des Vereins heisst es: «Wir sehen uns nicht in der Vermittlerrolle zwischen Klub und Fans.» Die Logik dahinter ist, dass diese Ausrichtung der Akzeptanz bei den Fans dient.
Im Jahresbericht 2022/23 schreibt eine Fan-Sozialarbeiterin, die Fussball-Ultras nähmen «enorme Strapazen auf sich, Infamie von Ordnungs- und Sicherheitsdiensten, Willkür, anmassendes Auftreten und Nötigung der Polizeikräfte, Übergriffe bei Personenkontrollen, Gästekäfige sowie stundenlange, strapaziöse Anreisen».
Samuel Balsiger (SVP) sprach von einem haarsträubenden Geschäftsbericht, in dem «auf eine perverse Art eine Opfer-Täter-Umkehr» vorgenommen werde.
Balsiger sagte in der Debatte auch, er habe in der Kommission von «radikalem Durchgreifen» gesprochen. Danach sei sein Wohnhaus von FCZ-Fans mit Sprayereien verunstaltet worden, was in den zehn Jahren, seit er an diesem Ort wohne, nie vorgekommen sei. Dass der Vandalismus drei Tage nach der entsprechenden Kommissionssitzung stattgefunden hat, kann Balsiger belegen. Ob wirklich ein Zusammenhang besteht, ist offen.
Eine Distanzierung von Gewalt suche man im Bericht vergeblich, kritisierte auch der FDP-Gemeinderat Andreas Egli in der Stadtparlamentsdebatte vom Mittwoch. Seine Partei stellte sich erstmals überhaupt gegen die jährliche Unterstützung der Fan-Sozialarbeit.
Rot-Grün und die Mitte-Parteien konnten mit dem Fokus der Bürgerlichen auf die Gewalt wenig anfangen. Es gehe bei diesem Geld um Sozialarbeit, und dieser Mitteleinsatz sei sinnvoll, sagte Karin Stepinski (Mitte). Gerade um die jungen Mädchen in der Kurve müsse man besorgt sein. Die Fan-Sozialarbeit könne hier viel bewirken.
Moritz Bögli (AL) kritisierte die FDP. Diese habe erst kürzlich ein Vier-Säulen-Prinzip gegen Fangewalt vorgeschlagen. Die Förderung positiver Fankultur sei eine dieser Säulen. Jetzt mache die Partei das Gegenteil davon. Das zeige: Ihr gehe es nicht um die Jugendlichen, sondern um Repression. Er wies darauf hin, dass sogar 9-Jährige unbegleitet an die Matches gingen.
Der Erfolg wird nicht gemessen
Marita Verbali (FDP) konterte: Man sei nicht grundsätzlich gegen die Fan-Sozialarbeit. Aber die Stadt versuche nicht einmal, den Effekt für die Gewaltprävention zu messen. Stefan Urech (SVP) sagte, bei der Fan-Sozialarbeit heisse es bei konkreten Gewaltvorfällen stets: «Nicht gewusst», «nicht zuständig» oder «no comment». Man könne aber nicht ständig behaupten, die Fan-Sozialarbeit sei erfolgreich – und zugleich sagen, der Erfolg sei nicht messbar.
Sozialarbeit im Fussballumfeld könne schon sinnvoll sein, so Urech. «Aber hören Sie auf, von Gewaltprävention zu sprechen.»
Der Sozialvorsteher Raphael Golta (SP) sprach von der Südkurve als «grösstem Jugendzentrum» der Stadt. «Wo die Jugendlichen sind, müssen auch wir mit unserer Arbeit vor Ort sein.» Das Messen von Erfolg sei tatsächlich schwierig, aber unbestritten sei, dass Sozialarbeit grundsätzlich Gewalt vorbeuge.
Der Rat stimmte der Erhöhung deutlich mit 82 zu 33 Stimmen zu. Die zweite Forderung der Bürgerlichen zielte darauf, dass dem Jahresbericht der Fan-Sozialarbeit wenigstens ein Kapital über Fangewalt angefügt werde. Auch mit diesem Ansinnen blieben sie chancenlos.