Montag, September 30

Der Stadtrat reagierte mässig enthusiastisch: Man habe in der Verwaltung keine Freudensprünge gemacht.

Der Zürcher Gemeinderat will eine Idee aus Simbabwe in die Stadt holen: «friendship benches», oder zu Deutsch: Freundschaftsbänke. Das primäre Ziel der Sitzbänke im öffentlichen Raum ist es aber nicht, dass dort grosse Freundschaften geknüpft werden. Vielmehr sollen sie dazu beitragen, psychische Leiden zu lindern.

AL-Gemeinderat David Garcia Nuñez, der die Forderung nach solchen Bänken zusammen mit seiner Parteikollegin Tanja Maag aufgebracht hatte, begründete die Sache am Mittwoch im Stadtparlament so: Psychische Störungen gehörten zu den häufigsten Erkrankungen in der Schweiz. Doch der Zugang zu den raren Spezialisten sei schwer, die Wartelisten lang.

Hier soll das Postulat der AL ansetzen, zu dem sie sich von einem Konzept inspirieren hat lassen, das um die Welt gegangen ist.

Am Anfang standen Gespräche mit Grossmüttern

Vor gut zwanzig Jahren wollte der Psychiatrieprofessor Dixon Chibanda in seiner Heimat Simbabwe ein niederschwelliges Angebot für Menschen mit psychischen Problemen schaffen. Auf die rund 16 Millionen Einwohner kommen dort nur ein gutes Dutzend Psychiater. Chibanda wollte mit den «friendship benches» ein Therapieangebot auch in die entlegenen Gebiete des Landes bringen.

Die Rolle der Laientherapeutinnen sollten ältere Frauen aus den jeweiligen Gemeinschaften übernehmen. Die Grossmütter seien die Hüter der lokalen Kultur und der Weisheit, sagte Chibanda einmal im «Boston Globe». Die Frauen wurden in den Grundlagen der Verhaltenstherapie geschult und bekamen dann eine Parkbank in ihrer Gemeinde zugewiesen. Die Gespräche mit den Frauen sind kostenlos. Bekommen es die Laientherapeutinnen mit schweren Fällen zu tun, weisen sie diese an klinische Einrichtungen weiter.

Wissenschaftliche Auswertungen zeigten, dass die Patienten von den Gesprächen profitierten. Diverse Länder kopierten die Idee: Kenya, Vietnam oder die USA. Inzwischen stehen solche Bänke sogar im Appenzellerland – allerdings ohne Therapeuten drauf.

Der Stadtrat ist skeptisch

Die «Wie geht’s dir?»-Bänkli werden finanziert durch die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz. Die gelben Bänke stehen in vierzehn Kantonen, unter anderem auch im Kanton Zürich. Die Stadt macht bis jetzt aber noch nicht mit. Und vor allem schwebt der AL eine Variante vor, die viel näher an der Idee aus Simbabwe liegt.

Die Bänke sollten in verschiedenen Quartieren aufgestellt werden – an nicht allzu stark frequentierten Orten, damit die Betroffenen nicht zu exponiert sind. «Betrieben werden» sollen sie von geschulten Laienhelfern. Die Stadt solle dies im Rahmen eines Pilotprojekts umsetzen.

Grüne, Mitte und SP unterstützten den Vorschlag: «Genau solche innovativen Konzepte braucht es», sagte Dafi Muharemi (SP). Es handle sich um ein kostengünstiges und niederschwelliges Angebot, das auch dabei helfe, die Stigmatisierung von psychischen Problemen zu bekämpfen.

Weniger überzeugend fanden SVP und FDP die Idee. SVP-Gemeinderat Walter Anken sagte, er könne es gar nicht fassen, dass Zürich spezielle Bänke brauche, damit die Menschen miteinander sprächen. «Im Emmental gehen wir einfach in eine Beiz und unterhalten uns.» Ja, es gebe Menschen, die einsam seien. «Aber wir haben es alle selbst in der Hand, den Kontakt mit solchen Personen in unserem Umfeld zu suchen.»

Frank Rühli (FDP) ergänzte, dass man die Situationen in Simbabwe und Zürich schlecht vergleichen könne. Angebote gebe es hierzulande schon viele. Zudem müsse man auch vorsichtig sein mit Beratungen durch fachlich nicht qualifizierte Personen, «das kann auch kontraproduktiv sein». Der GLP stellten sich einige praktische Probleme. Muss die Bank dann ständig besetzt sein – und ist das dann wirklich noch effizient? Oder bestimmt man Betriebszeiten? Und wollen die Betroffenen wirklich in der Öffentlichkeit über ihre Probleme sprechen?

Auch der Gesundheitsvorsteher Andreas Hauri (GLP) sagte, dass man in der Verwaltung nicht gerade Freudensprünge gemacht habe, als die AL das Postulat eingereicht habe. Zumal es in der Stadt schon viele Anlaufstellen auch im niederschwelligen Bereich gebe. Man sei aber bereit, die Sache zu prüfen. Allzu viel dürfe man sich von den Freundschaftsbänken aber nicht versprechen. «Es ist sicher gut, wenn dort einzelne Menschen Hilfe finden.» Die Wartelisten bei den Psychiatern würden damit aber kaum kürzer.

Trotz der stadträtlichen Skepsis votierte das Parlament am Ende mit 69 zu 49 Stimmen deutlich für die Freundschaftsbänke.

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