Montag, Oktober 7


93 Prozent Umsatzwachstum

Das Zweitlabel der Prada-Gruppe wächst unaufhörlich – und das in schwierigen Zeiten. Was steckt hinter dem Boom?

Von solchen Zahlen können andere nur träumen. 93 Prozent Umsatzwachstum im ersten Halbjahr 2024 – mit diesen News sorgte der Prada-Konzern in den vergangenen Tagen für Schlagzeilen. Tatsächlich bezog sich der Boom jedoch nicht auf die Flaggschiff-Brand Prada, die «nur» um 6 Prozent wuchs, sondern auf ihre «kleine Schwester» – die Zweitlinie Miu Miu.

Die kann nun wirklich nicht mehr als klein bezeichnet werden. Schon im ersten Quartal 2024 beeindruckte das Label die Branche mit einem Umsatzwachstum von 89 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, nun hat es seine Performance erneut getoppt. Es ist eine erstaunliche Entwicklung, zumal in einer Branche, die zunehmend ächzt und leidet unter einer sinkenden Nachfrage nach Luxusgütern, einem schwierigen politischen Umfeld und schwächelnden wichtigen Märkten wie China.

Während Luxuskonzerne wie Kering und LVMH in den vergangenen Wochen schon für das zweite Quartal in Folge Umsatzeinbussen vermeldeten, liefert Miu Miu Top-Ergebnisse. Wie lassen sich diese erklären?

Jüngere Kundschaft mit jugendlicheren Looks

Gerade für ein sogenanntes Zweitlabel ist ein solcher Erfolg in den heutigen Zeiten ungewöhnlich. Zweitlabels, auf Englisch «diffusion lines» genannt, wurden historisch betrachtet von etablierten Luxusmarken eingeführt, um eine jüngere Kundschaft mit jugendlicheren Looks und zugänglichen Preisen anzusprechen. Schon die Marke Christian Dior bot in den 1960er Jahren mit einer Prêt-à-porter-Linie namens Miss Dior eine Alternative zu ihrer kostbaren Haute Couture.

Moderne «diffusion lines» waren vor allem in den 1990er und 2000er Jahren sehr populär und eben auch cool. Die Leute liebten die Taschen und Düfte von Marc by Marc Jacobs, die Jeans und Tops von D&G, die Blusen von Isabel Marant Étoile.

Manche Zweitlinien wie D&G oder Versus Versace wurden eingestellt, wohl weil Brands fürchteten, mit den günstigeren Preisen ihr Luxusimage zu verwässern. Andere, wie zum Beispiel Red Valentino, existieren noch, doch wohl keine ist heute so erfolgreich wie Miu Miu, die schon 1992 gegründet wurde.

Der Look der Kollektion war schon immer etwas verspielter, romantischer, mädchenhafter als bei der «grossen Schwester» Prada. Niedliche Tops, zarte Rüschen, transparente Röcke – Miu Miu machte Spass, forderte etwas weniger heraus, hatte trotzdem einen eigenen Look.

Ein Trend nach dem anderen: ultrakurze Röcke, Microshorts, Bootsschuhe

Gleichzeitig agierte die Marke nicht als kreativer Trendmotor, wie es Prada stets gelang. Doch das änderte sich im Jahr 2021, als Miuccia Prada mit der Frühlings- und Sommerkollektion 2022 einen Look vorstellte, der viral ging: ein winziger Minirock, der extrem tief sass, dazu wie abgeschnitten aussehende Jacken und Pullover über maskulinen Hemden, eine Art Schulmädchenuniform, an die man mit der Schere recht hart rangegangen ist. Der Entwurf wurde für unzählige Magazin-Cover fotografiert, Street-Style-Stars trugen ihn unentwegt, Tiktok-User schneiderten ihn nach.

Und Miu Miu lieferte seitdem eine Top-Kollektion nach der anderen. Deren Erfolg liegt an der Mischung aus ungewöhnlichen Ideen und Trends – ultrakurze Röcke, Microshorts, Cardigans, Bootsschuhe – und tragbaren Teilen, die nicht nur sehr junge Kundinnen begeistern. Die jüngste Show im vergangenen März setzte auf ein diverses Casting, bestehend aus vielen Frauen reiferen Alters wie der Schauspielerin Kristin Scott Thomas. Die Botschaft war eindeutig: Miu Miu liefert einen jugendlichen «Spirit», aber der steht jeder Frau.

Doch Hypes allein reichen nicht aus für ein profitables Geschäft. Hinter all dem Erfolg stecken eine ausgeklügelte Strategie und ein gutes Team – im Jahr 2020 bekam Miu Miu mit Benedetta Petruzzo zum ersten Mal eine eigene CEO. Die Stylistin Lotta Volkova, die regelmässig für das Label arbeitet, gilt als Mastermind hinter Looks wie dem Minirock-Ensemble. Der Fokus auf Accessoires ist stärker als früher, Miu Miu begeistert Kundinnen zunehmend mit Schuhen, Taschen und Accessoires wie Bucket-Hats, die vorher keine grosse Rolle spielten.

So ist aus dem einstigen Anhängsel das Zugpferd einer ganzen Gruppe geworden. Ewig kann ein solcher Boom nicht anhalten. Doch die Vorstellung, dass Miu Miu ein grösseres Label wird, das von vielen verschiedenen Produktkategorien gestützt wird und ein beständiges Angebot an zeitlosen Stücken schafft, ist durchaus realistisch. Die kleine Schwester wird erwachsen.

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