Am ersten Tag seiner Präsidentschaft legt Trump in atemberaubendem Tempo los. In Davos ticken die Uhren langsamer – und alles fragt sich: Wie viel Pragmatismus ist richtig?
Alle wichtigen Staatsoberhäupter der westlichen Welt kommen in dieser Woche am Weltwirtschaftsforum in Davos zusammen und diskutieren nichts geringeres als die Zukunft des Planeten. Wirklich alle? Nein, einer fehlt: US-Präsident Donald Trump. «Collaboration for the Intelligent Age» lautet das diesjährige Motto des WEF und so mancher Teilnehmer hätte vermutlich gerne mit Trump darüber gesprochen, wie dessen Vorstellung von Kollaboration aussieht.
Doch Trump ist beschäftigt. Am Montag ist seine Amtseinführung, anschliessend unterzeichnet er im Eiltempo eine Verordnung nach der anderen. Er tritt aus der WHO und aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aus, lockert Umweltschutzregulierungen und den Arbeitsschutz für Beamte. «Woke» Gender-Vorschriften verbannt er aus der Verwaltung.
Alles dreht sich um Trump
Fürs WEF bleibt da keine Zeit. Den Teilnehmern in Davos wird beim Tempo, das Trump vorlegt, genau so schwindelig wie den Beobachtern in Washington. An einem Panel am Dienstagmorgen bittet Reuters-Chefredaktorin Alessandra Galloni die teilnehmenden Experten für internationale Beziehungen, ihre Eindrücke vom Tag der Amtseinführung in je einem Wort zusammenzufassen. Sie entscheiden sich für: Mittäterschaft, aufregend, Vibe-Shift und Trump.
«Mittäterschaft», weil Trump nach dem Eindruck von Sicherheitsexperte Ian Bremmer über eine nie da gewesene Machtfülle verfügt, die Politiker weltweit in vielen Bereichen dazu zwingen dürfte, sich seinem Willen zu beugen. «Aufregend», weil Trump mit grossen Versprechen angetreten ist, wie das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und den Krieg in der Ukraine zu beenden. «Vibe-Shift», weil seine Rhetorik aggressiver ist als je zuvor. Und «Trump», weil sich dieser Tage alles nur um ihn dreht – auch am WEF.
Auch wenn der neue US-Präsident nicht da ist, sein Schatten überragt das Treffen in Davos. In den ersten beiden Tagen des Forums gibt es kaum ein anderes Thema. Am Montag, wo sonst fast keine Veranstaltungen stattfinden, gibt es im Kongresszentrum und in den Häusern an der Promenade mehrere Panel-Diskussionen zu Trumps Amtseinführung, am Dienstagmorgen geht es direkt weiter.
Keiner weiss, wie es nun weitergeht
Es gibt ein Wort, dass die Panelisten am Forum immer wieder verwenden, wenn sie auf Trump zu sprechen kommen: Unberechenbarkeit. Trump sei mit einer optimistischeren Botschaft angetreten als beim letzten Mal, findet Patrick Foulis, Auslandsredaktor beim «Economist». Doch die Executive Orders, die Trump in seinen ersten Tagen unterzeichnen wird, bringen seiner Ansicht nach einige Herausforderungen mit sich – und dürften die Gerichte in nächster Zeit beschäftigen.
Uneinig sind sich die Panelisten darin, wie Trump mit China umgehen wird. Während die Ökonomin Allison Schrager erwartet, dass Trump Zölle primär als Druckmittel für Verhandlungen nutzen werde, prophezeit der Sicherheitsexperte Ian Bremmer einen neuen Handelskrieg. Graham Allison, Politik-Professor an der Harvard-University, wagt beim Ukraine-Krieg eine Prognose: Der Krieg werde in einem halben Jahr beendet sein. «Trump will nicht nur ein Dealmaker, sondern auch ein Peacemaker sein.»
Die Unsicherheit ist gross. Die «Bloomberg»-Journalistin Stephanie Flanders, die ein weiteres Panel moderiert, bringt die Herausforderung auf den Punkt: «Will Davos learn the Art of the Deal?» Also: Schaffen es die Teilnehmer am Forum, den neuen Präsidenten richtig einzuschätzen und mit ihm auf Augenhöhe in Verhandlungen zu treten?
Trump, der neue Napoleon?
Flanders weist darauf hin, dass sich Trumps Wahrnehmung in der Öffentlichkeit in den vergangenen Wochen bereits geändert habe. Sie vergleicht den US-Präsidenten mit Napoleon Bonaparte: Als dieser 1815 im Exil auf Elba gelebt habe, sei er von französischen Zeitungen als «Monster» bezeichnet worden. Doch je näher er später der Hauptstadt Paris gekommen sei, desto öfter hätten die Journalisten von «seiner Majestät» geschrieben.
Auch unter den Teilnehmern des WEF überwiegt der Pragmatismus: Trump ist da, nun muss mit ihm ein Umgang gefunden werden. Die grossen Tech-Konzerne haben bereits vorgelegt. Meta schaffte in den USA die Fact-Checker ab und verkündete das Ende seiner Diversity-Programme. Amazon-Chef Jeff Bezos, Mark Zuckerberg und Elon Musk zählten allesamt zu den prominentesten Gästen von Trumps Inaugurationsfeier.
Der Pragmatismus unter Wirtschaftsführern und Politikern ist so weit fortgeschritten, dass sich Sicherheitsexperte Ian Bremmer zu einer Warnung veranlasst sieht: «Wir sollten Trump nicht einfach so behandeln wie einen gewöhnlichen Präsidenten», sagt er am Dienstag zu den Zuschauern. «Denn das ist er nicht. Ich akzeptiere, dass viele gezwungen sein werden, sein Spiel mitzuspielen. Aber wir sollten das nicht normalisieren.»
Ganz ohne WEF geht es doch nicht
So radikal, wie Trump in den ersten Tagen seiner Amtszeit aufgetreten ist, bekommt man den Eindruck, er und das WEF würden ohnehin nicht zueinander passen. Während Trump ankündigte, «woke» Strömungen in der Wirtschaft zu bekämpfen und Klimaschutzmassnahmen zurückzufahren, ist eines der Hauptthemen in Davos «Saveguarding the Planet», also der Schutz des Planeten. 27 verschiedene Panels und Veranstaltungen beschäftigen sich mit Themen wie CO2-Einspeicherung, Wasserverbrauch und LGBTQ-Rechten.
Das WEF hat im republikanischen Lager viele Gegner. Gründer Klaus Schwab ist in den vergangenen Jahren zu einer Zielscheibe der rechten und verschwörungstheoretischen Szene avanciert. Auch Trumps «First Buddy» Elon Musk ist nicht als WEF-Fan bekannt. Im vergangenen Jahr bezeichnete er das Treffen als «Boring as fuck».
Das sieht Trump nicht so: Trotz allen Kampfansagen gegen das Weltverbessertum und trotz seiner vielen Termine in der ersten Woche will er es sich nicht nehmen lassen, mit den Teilnehmern des WEF zu sprechen. Am Donnerstag soll er dem Forum per Videokonferenz zugeschaltet werden. Bis dahin haben die Teilnehmer Zeit, die Kunst des Deals zu lernen.