Die Harvard-Professorin wollte über ihr neues Buch reden, nicht über die Credit Suisse. Sie hätte besser kein Interview gegeben.
Die Frau verdient zuerst einmal Lob: Als bisher Einzige der früheren Verwaltungsräte der untergegangenen Credit Suisse (CS) hat Iris Bohnet diese Woche ein Interview gegeben. Die akademisch hochdekorierte Verhaltensökonomin stellte sich den Fragen der NZZ. Allerdings erlitt sie dabei einen kommunikativen Totalschaden.
Das Ungemach bahnte sich früh an. Nach ersten spannenden Einblicken in ihr Forschungs- und Lehrgebiet Fairness, Gleichstellung und Inklusion rund um ihr neues Buch machte die Professorin der Harvard Kennedy School rasch klar, dass sie nicht über die politisch heiklen Themen reden will. Und sie sich nicht direkt zur Situation rund um US-Präsident Trump äussern würde, welcher der Elite-Universität Fördergelder in Milliardenhöhe gestrichen hat.
Ganz stumm wurde sie, als es um die eigene Vergangenheit ging. Zu ihrem Engagement als langjährige CS-Verwaltungsrätin sagte sie gar nichts mehr. «Dazu kann ich Ihnen nichts sagen», wiederholte sie auf das mehrmalige Nachfragen zu ihrem damaligen Amt. Der frühere Präsident Urs Rohner hatte die gebürtige Luzernerin 2012 in den hochdotierten Job geholt. Für rund 358 000 Franken im Jahr sass sie in den entscheidenden Jahren, welche den Untergang der Bank einleiteten, im obersten Gremium.
Es ist nicht per se überraschend, dass sich von den Verwaltungsräten jener Ära bisher niemand öffentlich geäussert hat. Offensichtlich will niemand für das Debakel Verantwortung übernehmen. Zudem raten Anwälte es ab, da Aussagen in die noch laufenden juristischen Verfahren fliessen würden. Dennoch bleibt es stossend, dass sich bis heute kein einziger der damaligen CS-Kapitäne mit Namen zu den Vorgängen geäussert hat.
Iris Bohnet hat ihren Lebensmittelpunkt seit langem in den USA, dort ist die CS kein grosses Thema mehr. Doch forscht und lehrt sie in Cambridge, Massachusetts, ausgerechnet dazu, wie Unternehmen erreichen können, dass Mitarbeiter ethisches und moralisches Handeln als Herzstück der Firmenkultur begreifen. Zu diesem Thema hat sie persönlich bei der CS nicht reüssiert. Mit ihrem jüngsten Auftritt zementiert sie das Klischee einer realitätsfernen Akademikerin, die sich heute sagen muss, statt des Nicht-Interviews besser gar keins gegeben zu haben.