Donnerstag, Januar 30

Das KI-Modell der chinesischen Forschungsgruppe Deepseek ist kostenlos, offen verfügbar und gleich gut wie das beste Bezahlmodell von Open AI. Und es beweist: Auch mit wenig Rechenleistung kann man gute KI entwickeln.

Lange war man in Europa überzeugt, chancenlos zu sein im Wettrennen um künstliche Intelligenz (KI). Schliesslich habe man hierzulande einen unüberwindbaren Nachteil: Während amerikanische Tech-Giganten scheinbar unendlich grosse Budgets in den Aufbau von genügend Rechenleistung stecken können, sind die erforderlichen gigantischen Summen hierzulande nicht aufzutreiben. Und Rechenleistung, so schien es, ist im KI-Wettlauf alles, was zählt.

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Doch die chinesische Forschergruppe Deepseek stellt diese Annahme derzeit auf den Kopf. Die bis dato unbekannte Gruppe hat jüngst ein bemerkenswertes KI-Modell veröffentlicht. Dieses ist in den gängigen Tests ebenso gut wie die fortschrittlichste Variante von Open AI, Chat-GPT – obwohl es laut den Forschern mit deutlich weniger Ressourcen entwickelt wurde. Deepseek hat einen Hype ausgelöst. Ihre KI-App steht in den USA, der Schweiz und vielen weiteren Ländern derzeit auf Platz eins der Download-Charts von Apple.

Deepseek eröffnet europäischen Forschern und Unternehmen neue Möglichkeiten, bei KI-Technologien echte Fortschritte zu machen. Und beweist gleichzeitig, dass die USA im KI-Wettlauf nicht unangefochten vorne liegen. Damit haben auch Europa und die Schweiz wieder eine Chance, im KI-Wettrennen an die Spitze zu gelangen. Jetzt gilt es, diese Chance auch zu ergreifen.

Auf dem Modell von Deepseek kann jeder aufbauen

Während Nutzer für den unlimitierten Zugang zu Chatbots von Open AI 200 Dollar pro Monat zahlen, ist das Modell von Deepseek kostenlos und steht offen zur Verfügung. Das heisst, jeder kann es herunterladen, verändern und den Software-Quellcode vollständig einsehen.

Für europäische Unternehmen sind das phantastische Neuigkeiten. Deepseek ist nicht nur günstiger als die amerikanische Konkurrenz, das chinesische Modell ist ausgerechnet in Sachen Datensicherheit attraktiver. Denn mit genügend eigener Rechenkapazität kann ein Unternehmen das Modell von Deepseek herunterladen und lokal innerhalb der eigenen Firewall betreiben. Das erlaubt es, KI in die firmeninternen Prozesse einzubinden, ohne interne Daten an fremde Unternehmen weitergeben zu müssen. Das geht mit den Modellen von Open AI und Co. nicht.

Für Forscher ist das Deepseek-Modell ebenfalls extrem wertvoll. Denn sie können es nur nutzen und gleichzeitig auch darauf aufbauen und innovative Derivate entwickeln. Indem sie das Modell mit eigenen Datensätzen weiter trainieren, können sie es beispielsweise für bestimmte Aufgaben spezialisieren. Das erfordert viel Know-how, aber wenig Rechenleistung – genau hier können Europa und die Schweiz ihre Stärken ausspielen.

Deepseek zeigt: Es geht auch mit weniger Ressourcen

Doch ein anderer Faktor dürfte noch wichtiger sein: Mit ihrem Modell haben die chinesischen Forscher gezeigt, dass man auch mit weniger Geld und Rechenleistung gute KI entwickeln kann. Laut dem Forschungspapier, in dem sie ihr Modell beschreiben, haben sie dieses mit deutlich weniger und schlechteren Computerchips trainiert als die amerikanische Konkurrenz und zu einem Bruchteil der Kosten. Ein detailliertes Rezept, wie man es möglich macht, haben sie gleich mitgeliefert.

Für europäische Forscher ist damit der Weg offen, mit ähnlich wenig Rechenkapazität eigene Top-Modelle zu entwickeln. Europa und die Schweiz haben keine Ausreden mehr, sich selber zu bemitleiden. Denn sie besitzen die wichtigste Ressource, die es wirklich braucht, um im KI-Boom vorne mitzuspielen: kluge, gut ausgebildete Köpfe. Regierungen und Forschungsinstitute müssen sich jetzt überlegen, was es braucht, um diese Chance bestmöglich zu ergreifen. Denn dank Deepseek ist der Ausgang des Wettrennens um KI wieder völlig offen.

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