Mittwoch, Januar 29

Der Durchbruch von Deepseek löst an der Börse Panik aus. Die chinesische KI bedroht die Vorherrschaft der amerikanischen Tech-Konzerne und stellt Milliardeninvestitionen wie Stargate infrage.

Der Hype um die neue chinesische KI Deepseek erreichte am Wochenende einen Höhepunkt – und sorgte unter Anlegern für grosse Unruhe. Sie fürchten, dass amerikanische Tech-Konzerne wie Nvidia oder Open AI mit Chat-GPT ihre dominante Stellung bei der künstlichen Intelligenz verlieren könnten.

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Die an der amerikanischen Technologie-Börse Nasdaq zusammengefassten Aktien standen am Montag stark unter Druck, Futures auf den Index gaben deutlich nach. Auch die europäischen Börsen und der Bitcoin gaben nach. Die Aktienkurse wichtiger Tech-Zulieferer in Europa wie ASML oder Siemens Energy verloren im zweistelligen Prozentbereich.

Das KI-Modell R1 von Deepseek kann über eine App abgerufen werden und kann leistungsmässig mit etablierten KI-Sprachmodellen wie Chat-GPT oder Claude mithalten. Der einflussreiche amerikanische Tech-Investor Marc Andreessen nannte Deepseek auf X «einen der erstaunlichsten und beeindruckendsten Durchbrüche, die ich je gesehen habe». Die Tatsache, dass Deepseek auf dem Open-Source-Prinzip basiere, also allen zugänglich ist, sei ein «Geschenk für die Welt».

Der überraschende Durchbruch von Deepseek ist auch schon an den Platzierungen in den App-Stores von Apple und Android abzulesen: Die App führt die Hitliste der kostenlosen Downloads für iPhones in den USA an und gehört auch zu den am meisten heruntergeladenen Apps auf Android – in der Schweiz belegt Deepseek im App-Store bereits Platz zwei hinter Chat-GPT.

KI, aber kostengünstig

Das Bahnbrechende an Deepseek ist, dass eine leistungsfähige KI viel effizienter und kostengünstiger betrieben werden kann als bei herkömmlichen Modellen. Chat-GPT oder Gemini beanspruchen enorme Rechenleistungen und Hochleistungs-Chips. Bei diesen verfügt der amerikanische Chip-Konzern Nvidia derzeit über ein Quasi-Monopol. Wegen Sanktionen werden die leistungsfähigsten KI-Chips aber nicht nach China geliefert.

Gemäss Tech-Experten könnte Deepseek die gesamte KI-Lieferkette auf den Kopf stellen. Diese wird von den amerikanischen Chip-Anbietern und grossen Betreibern von Rechenzentren (Hyperscaler) wie Alphabet, Amazon oder Microsoft dominiert. Sie investieren enorme Summen in den Ausbau ihrer KI-Infrastrukturen. Gemäss Schätzung der UBS wollen die amerikanischen Tech-Konzerne dieses Jahr weitere 280 Milliarden Dollar in KI investieren.

Im Gefolge des KI-Booms sind amerikanische Tech-Aktien stark gestiegen und haben hohe Bewertungen erreicht. Insbesondere Nvidia hat profitiert: Die Aktien des Chip-Entwicklers haben sich seit der Lancierung von Chat-GPT im November 2022 im Wert verachtfacht. Aber auch die Aktien von Alphabet, Meta oder Microsoft haben sehr hohe Bewertungsniveaus erreicht.

Milliardeninvestitionen infrage gestellt

Ihre Dominanz wurde durch den KI-Boom verstärkt – mittlerweile sind die amerikanischen Indizes stark konzentriert und von den Bewegungen dieser Werte abhängig. Das macht die Aktien dieser Tech-Konzerne anfällig für Kursrückschläge. Werden wegen Deepseek nun ihre KI-Strategien grundsätzlich angezweifelt, könnte das an der Börse einen Stimmungswechsel gegenüber amerikanischen Tech-Werten zur Folge haben.

«Die enormen Ressourcen, die für KI aufgewendet wurden, werden infrage gestellt», sagt der Tech-Experte Nirgunan Tiruchelvam von Aletheia Capital gegenüber Bloomberg. Die Strategie der amerikanischen Tech-Giganten war bisher, ihre KI-Kapazitäten maximal auszubauen, koste es, was es wolle. Damit begründeten die Konzerne ihre enormen Investitionen in KI-Chips und Rechenzentren.

Deepseek zeigt nun einen Weg auf, wie leistungsfähige KI viel effizienter betrieben werden kann. So ist Deepseek selbst kein grosser Tech-Konzern, sondern ein kleiner, in Peking ansässiger Spin-off eines Hedge Funds namens High Flyer. Er wird vom Unternehmer Liang Wenfeng geleitet. Laut Medienberichten kommt Deepseek mit 200 Mitarbeitenden aus. Die Entwicklungskosten des KI-Modells R1 sollen nur 6 Millionen Dollar betragen haben.

Stargate bereits überflüssig?

Der Durchbruch von Deepseek könnte auch die jüngst lancierte amerikanische KI-Initiative Stargate herausfordern. Vergangene Woche stellte US-Präsident Trump zusammen mit den Chefs von Open AI, Oracle und Softbank ein Investitionsprogramm über 500 Milliarden Dollar vor, mit der die USA ihre Vorherrschaft bei KI sichern wollen.

Inwiefern Deepseek die Stargate-Pläne beeinflussen wird, lässt sich noch nicht abschätzen – zu wenig ist bisher über Stargate bekannt. Die Skepsis gegenüber der Haltung «Hauptsache, klotzen bei KI» ist aber deutlich spürbar. Die Aktien des japanischen Tech-Konglomerats Softbank haben am Montag in Tokio zeitweise mehr als acht Prozent verloren.

Der Durchbruch von Deepseek kommt aber auch für die amerikanischen Tech-Riesen zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Diese Woche werden Apple, Microsoft, Meta und Tesla Finanzzahlen vorlegen und sich der Frage stellen müssen, wie sie auf Deepseek reagieren wollen.

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