Donnerstag, Januar 30

Obwohl die USA den technologischen Fortschritt Chinas bremsen wollen, entwickelt ein chinesisches Startup ein Sprachmodell, das mit Amerikas besten mithält. Was heisst das für die amerikanische Strategie und Chinas Entwicklungsstand?

Seit das chinesische Startup Deepseek ein Sprachmodell veröffentlicht hat, das mit Amerikas besten mithalten kann, versuchen Experten die Bedeutung dieser Entwicklung einzuschätzen. Sie fragen sich, ob das Geschäftsmodell des amerikanischen Vorreiters Open AI bedroht ist. Ob Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) in Zukunft auch mit deutlich weniger Hightech-Chips möglich sind als bisher gedacht. Und man fragt sich, was Deepseeks Erfolg für den Technologie-Wettkampf zwischen den USA und China bedeutet: Hat China ein Tor geschossen, hat es ein Spiel gewonnen? Oder ist es gar dabei, die Meisterschaft für sich zu entscheiden?

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Das erklärte Ziel der USA ist es, die Tech-Meisterschaft zu gewinnen. Die USA sollen immer vor China bleiben. Zu diesem Zweck hatte Joe Biden, Donald Trumps Vorgänger als US-Präsident, beispielsweise den Export von modernsten KI-Chips des amerikanischen Herstellers Nvidia nach China über die vergangenen Jahre stark eingeschränkt. So wollten die USA die technologische Entwicklung Chinas verlangsamen und verteuern.

Die amerikanische Strategie ist langfristig ausgelegt

Tatsächlich beruht Deepseeks Erfolg auf Nvidia-Chips, deren Export nach China die US-Regierung im Oktober 2023 verboten hat. Die Chips hat Deepseek aber vorher erworben – ganz legal. Experten schliessen deshalb daraus, dass die Kontrollen zu spät sowie zu wenig umfangreich eingeführt und zu zögerlich verschärft worden sind.

John Lee ist Chip-Experte und Direktor der Beratungsfirma East West Futures. Er sagt, die amerikanische Regierung habe eine Entwicklung wie Deepseek wohl verhindern wollen. Gleichzeitig verweist er aber darauf, dass die amerikanische Regierung langfristiger denkt. Solange China selbst keine Chips produzieren kann, die jenen von Nvidia ebenbürtig sind, werde es durch die Exportkontrollen in seiner KI-Entwicklung behindert.

Wegen der Exportkontrollen mussten sich die Forscher von Deepseek für die Entwicklung ihres Modells mit zwei Jahre alten Chips begnügen. Trotzdem schafften sie es, ein Modell zu entwickeln, das ähnlich gut ist wie jenes von Open AI, das dafür die modernsten Chips verwendet. Das zeugt von Deepseeks Innovationsfähigkeit.

Antonia Hmaidi ist Expertin für Chinas technologische Entwicklung bei der Berliner Denkfabrik Merics. Sie sagt, Vergleiche seien schwierig. Aber man könne sich vorstellen, dass China bei KI ohne Exportkontrollen schon viel weiter wäre.

Zahlreiche Experten teilen Hmaidis Einschätzung. Es ist ein Zugeständnis an Chinas Fähigkeiten und aus amerikanischer Sicht ein Plädoyer dafür, warum die Exportkontrollen notwendig sind.

Hmaidi sagt: «Deepseek hat den derzeitigen Entwicklungsstand der amerikanischen Modelle erreicht. Aber wie es von hier an weitergeht, ist unklar.» Die gegenwärtigen Massnahmen stellen sicher, dass Deepseek lediglich zu Open AI aufschliessen, es aber nicht überholen kann. Jedenfalls wenn die USA es schaffen, die Exportbeschränkungen konsequent durchzusetzen.

In Zukunft dürfte es für Deepseek immer schwieriger werden, mit Chips von 2023 den Anschluss zu halten. Die amerikanischen KI-Entwickler verwenden längst leistungsfähigere Chips. Über die Zeit, so das Kalkül der USA, sollten sich die amerikanischen Firmen einen soliden Vorsprung erarbeiten können.

Militärisch sind andere Entwicklungen wichtiger

Den grössten Nutzen der Exportkontrollen und die grössten Gefahren durch KI sehen die USA in der Zukunft. Deshalb ist Chinas Erfolg mit Deepseek aus Sicherheitssicht wohl zu verkraften. Hmaidi sagt, die USA fürchteten sich nicht vor gegenwärtigen Sprachmodellen wie Chat-GPT 4 oder Deepseek. Die Angst bestünde vielmehr vor künftigen Fähigkeiten. «Man fürchtet sich beispielsweise davor, dass eine chinesische KI irgendwann so schnell Viren programmieren und einsetzen könnte, dass Menschen nicht mehr dagegen ankommen.» Solche komplexen Dinge könne KI heute noch nicht.

Doch wäre es nicht möglich, dass schon das gegenwärtige Deepseek-Modell beispielsweise dem chinesischen Militär hilft, seine künftigen Fähigkeiten auszubauen? Hmaidi verneint: «Deepseek ist bis jetzt nicht besonders relevant für die Dinge, von denen wir glauben, dass das chinesische Militär danach sucht.» China, so Hmaidi, strebe etwa nach sogenannten «multi-agent models», beispielsweise Drohnen, die im Verbund miteinander agieren. Grundsätzlich fokussiere China auf autonome Waffensysteme. Da könne Deepseek nicht helfen.

So wirkt der Erfolg von Deepseek derzeit lediglich wie ein Tor für China im Technologie-Wettstreit mit den USA und nicht wie ein Sieg. Es wird sich zeigen, wie viele chinesische Tore die amerikanische Strategie in Zukunft noch zulassen wird. Oder ob China dank selber entwickelten KI-Chips noch erfolgreicher sein wird. Noch ist das Spiel um Sprachmodelle offen. Und die Meisterschaft sowieso.

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