Freitag, Januar 10

Islamabads Beziehungen mit dem Regime in Kabul sind auf einem Tiefpunkt, nachdem die Armee Ende Dezember Luftangriffe in Afghanistan geflogen ist. Indien sieht darin eine Chance.

Nach dem überstürzten Abzug der Amerikaner aus Kabul und der triumphalen Rückkehr der Taliban im August 2021 sah sich Pakistan am Ziel. Es schien sich auszuzahlen, dass es den Kampf der Taliban gegen die Amerikaner über Jahre mit Geld und Waffen unterstützt hatte. Die Taliban hätten «die Ketten der Sklaverei zerbrochen», freute sich der damalige pakistanische Premierminister Imran Khan. Der Chef des mächtigen pakistanischen Militärgeheimdiensts ISI reiste nach Kabul und traf sich mit den neuen Machthabern zum Tee.

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Heute jedoch stellt sich die Lage ganz anders dar. Pakistans Erwartung, seinen Einfluss am Hindukusch ausbauen zu können, hat sich nicht erfüllt. Vielmehr hat sich Islamabads Verhältnis zu seinen früheren Protégés in Afghanistan stark abgekühlt. Der wichtigste Grund dafür ist, dass sich die Taliban weigern, ihre Unterstützung für die islamistische Rebellengruppe Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) einzustellen und deren Rückzugslager in Afghanistan zu schliessen.

Militärischer Schlagabtausch an der Grenze

Die TTP kämpfen seit 2007 mit Gewalt für die strenge Durchsetzung der Scharia sowie die Errichtung eines Kalifats in Pakistan. Ideologisch ist die sunnitische Islamistengruppe eng verwandt mit den afghanischen Taliban. Seit deren Rückkehr an die Macht in Kabul hat sie ihre Operationen in Pakistan ausgeweitet. Allein in der gebirgigen Grenzprovinz Khyber Pakhtunkhwa sind Hunderte Sicherheitskräfte ihren Anschlägen und Überfällen zum Opfer gefallen.

Erst am 21. Dezember wurden bei einem TTP-Angriff in der Region Süd-Waziristan 16 Soldaten getötet. Die Armee flog daraufhin Luftangriffe auf angebliche TTP-Lager jenseits der Grenze in Afghanistan. Die Taliban werfen Pakistan vor, bei den Luftangriffen am 24. Dezember Dutzende Zivilisten getötet zu haben. 51 Männer, Frauen und Kinder seien in der Grenzprovinz Paktika ums Leben gekommen, hiess es. Auch die Uno-Mission in Afghanistan beklagte zahlreiche zivile Opfer.

Zur Vergeltung bombardierten die Taliban ihrerseits am 28. Dezember mehrere Orte auf der pakistanischen Seite der Grenze. Die Angriffe hätten Lagern des Islamischen Staats Khorasan (IS-K) gegolten, erklärten die Taliban. Beim IS-K handelt es sich um den afghanischen Ableger des globalen Terrornetzwerks. Zwar gibt es ideologische Überschneidungen mit den Taliban, doch sind die beiden sunnitischen Islamistengruppen verfeindet und bekämpfen sich seit Jahren erbittert.

Delhi sieht das Zerwürfnis der Taliban mit Pakistan als Chance

Mit dem Schlagabtausch an der Grenze hat das Verhältnis von Pakistan und den Taliban einen neuen Tiefpunkt erreicht. In dieser Situation sieht Indien offenbar eine Chance, die eigenen Beziehungen mit Kabul zu stärken. In Reaktion auf den pakistanischen Angriff in Afghanistan verurteilte die Regierung in Delhi am Montag die Tötung «unschuldiger Zivilisten» und warf dem Erzfeind vor, seine Nachbarn «für das eigene interne Versagen» verantwortlich zu machen.

Am Mittwoch traf dann der indische Topdiplomat Vikram Misri den afghanischen Aussenminister Amir Khan Muttaqi zu Gesprächen in Dubai. Es war das erste Mal, dass die Regierung in Delhi einem solch hochrangigen Treffen mit den Taliban zustimmte. Der indische Premierminister Narendra Modi hofft offenbar, nach dem Zerwürfnis der Taliban mit ihren früheren Sponsoren in Islamabad den eigenen Einfluss in Kabul stärken zu können.

Bei dem Treffen in Dubai ging es laut Medienberichten um Indiens humanitäre Hilfe für Afghanistan sowie um den iranischen Hafen Chabahar, dessen Ausbau Indien seit Jahren vorantreibt, um den Handel mit Afghanistan zu stärken. Die desaströse Lage der Frauen unter den Taliban war laut den Berichten dagegen kein Thema. Das Treffen in Dubai zeigt, dass Indien entschlossen ist, dem Erzfeind Pakistan und dem Rivalen China nicht das Feld in Afghanistan zu überlassen.

Indien will Pakistan und China nicht das Feld überlassen

China hat grosses Interesse an den reichen Vorkommen von Lithium, Kupfer, Gold und Eisenerz am Hindukusch und hat umfangreiche Investitionen in Aussicht gestellt. Zudem baut es im Zuge seiner Belt-and-Road-Initiative den pakistanischen Hafen Gwadar aus, um den Zugang nach Afghanistan zu erleichtern. Seit Anfang 2024 sind die Taliban mit einem Botschafter in Peking vertreten.

Auch Russland ist zuletzt auf das Regime in Kabul zugegangen. Moskau ist insbesondere an einer Kooperation gegen den IS-K interessiert, der im März einen Anschlag auf eine Moskauer Konzerthalle mit über 140 Toten verübt hat. Im Dezember hat das russische Parlament ein Gesetz verabschiedet, das es erlaubt, die Taliban von der Terrorliste zu streichen. Russland ist wie auch den anderen Staaten der Region klar, dass die Taliban auf absehbare Zeit die Regierung in Kabul stellen werden. In dieser Situation will auch Indien nicht abseitsstehen.

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