Der Aktienkurs des Hardwarekonzerns ist in anderthalb Jahren rund 240% vorgeprescht. Deutlich günstiger und ebenso gut positioniert bei schnellen Rechnern und Servern sind die Wettbewerber HP und Hewlett Packard Enterprise.
Es rumpelt wieder an den Technologiebörsen. 20% Minus an nur einem Handelstag bei Salesforce Mitte vergangener Woche – ein Ausverkauf, der eine Schockwelle durch den Sektor sendete. Dass es sich bei dem Kursrutsch um mehr als ein singuläres Ereignis handelte, stellte sich 24 Stunden später heraus: Diesmal verlor die Aktie des IT-Ausrüsters Dell Technologies 18% binnen eines Tages.
Ist damit die Trendwende gekommen, nach einer der spektakulärsten Aufwärtsbewegungen in Tech-Titeln, die den Leitindex Nasdaq 100 binnen achtzehn Monaten um mehr als 70% in die Höhe beförderte? Dass es zumindest «ein abenteuerlicher Sommer für Technologieaktien» werden könnte, legen die jüngsten Kurskapriolen nahe.
Allein: Während Salesforce nach dem Kursrutsch seit Jahresbeginn im Minus darbt, kann Dell noch immer einen enormen Kurszuwachs von über 80% seit Januar halten. Auch im Langzeitvergleich trennen die Tech-Dickschiffe Welten. Seit der Aufnahme in das Blue-Chip-Barometer Dow Jones vor knapp vier Jahren ist Salesforce beständiger Underperformer, während Dell seit dem zweiten Börsenlisting Ende 2018 eine bemerkenswerte Wertsteigerung hingelegt hat, die selbst die grössten Tech-Namen mit Ausnahme von Nvidia in den Schatten stellt.
Dell mit Traumperformance seit Anfang 2023
Wie ist die Renaissance des einst fast vergessenen Laptop- und PC-Herstellers zu erklären, dessen Aktienkurs in den Nuller- und den frühen Zehnerjahren noch so schwach lief, dass Gründer Michael Dell ihn zusammen mit Finanzinvestor Silver Lake 2013 von der Börse wegkaufte?
Verkürzt betrachtet lautet die Antwort: mit den gleichen Kräften, die in den vergangenen achtzehn Monaten die Aktien von Nvidia, Super Micro Computer oder auch ARM dreistellig in die Höhe katapultiert haben. Auch wenn Dell weiterhin für Laptops, Desktops, Monitore und All-in-One-PC bekannt ist, setzen Investoren auf eine Story, die sich bislang in der Konzernbilanz nur andeutungsweise wiederfindet: Dell ist für viele Anleger inzwischen eine Wette auf künstliche Intelligenz (KI).
Synchron zur Einführung des Textroboters ChatGPT Ende 2022 begann die Dell-Aktie zum Höhenflug anzusetzen. Der Hardwarehersteller verzeichnete in anderthalb Jahren einen Kursgewinn von bis zu 340%. Der Börsenwert erreichte in der Spitze annähernd 130 Mrd. $. Der grösste Kursschub folgte nicht zuletzt nach der Ankündigung einer Zusammenarbeit mit Nvidia Mitte März.
Kurseinbruch nach Quartalszahlen
Im Bericht zum Quartal per Ende April wird dieser überbordende Optimismus allerdings nicht annähernd reflektiert. Der Umsatz legte um lediglich 6% auf 22,2 Mrd. $ zu und konnte damit die Erwartungen leicht übertreffen. Es war überhaupt das erste Umsatzwachstum seit sechs Quartalen. Netto erzielte der 1984 von Michael Dell gegründete Hardwarepionier einen Konzerngewinn von 955 Mio. $ (+65%). Operativ wurde allerdings auf adjustierter Basis ein Gewinnrückgang von 4% auf 923 Mio. $ errechnet.
Seit Dell 2016 den Branchennachbarn EMC übernommen hat, steht die Sparte Infrastructure Solutions Group (ISG) an der Börse im Fokus. Sie umfasst das Infrastrukturgeschäft mit Grossrechnern, Speicherlösungen und Netzwerk-Equipment für Unternehmenskunden. Mit einem Plus von 22% verzeichnete sie im vergangenen Quartal das kräftigste Wachstum.
Hier die Details dazu:
- Subsegment Speicherlösungen: 3,8 Mrd. $ Umsatz, also Stagnation.
- Subsegment Server und Netzwerke: 5,5 Mrd. $ Umsatz, +42%, zum grössten Teil dank der rasch wachsenden Nachfrage nach Grossrechnern für KI-Anwendungen.
- Die Bestellungen für KI-optimierte Server nahmen sequenziell weiter auf 2,6 Mrd. $ zu, die Auslieferungen stiegen über 100% auf 1,7 Mrd. $, und der Auftragsbestand wuchs um mehr als 30% auf 3,8 Mrd. $.
Fragen zur Profitabilität
«Kein Unternehmen ist besser positioniert als Dell, um KI in die Unternehmen zu bringen», kommentierte Dell-Vizechef und Chief Operating Officer Jeff Clarke das Wachstum selbstbewusst.
Allein: Anleger und einige Analysten wollten die Begeisterung nicht teilen. Sie wurden durch ein Eingeständnis von Finanzchefin Yvonne McGill verstimmt, das den Verkauf von KI-Servern als Bürde für die Profitabilität erscheinen lässt. «Angesichts inflationärer Inputkosten, des Wettbewerbsumfelds und des höheren Umsatzanteils an KI-optimierten Servern erwarten wir einen Rückgang unserer Bruttomarge um etwa 150 Basispunkte», skizzierte McGill den Ausblick auf das Gesamtjahr 2025. Für die Ertragskraft bedeutet das eine entsprechende Belastung; die Bruttomarge fällt damit auf 22,1%.
Was lässt sich daraus ableiten? Toni Sacconaghi, Analyst in Diensten von Bernstein Research, rechnet vor, dass Dell die KI-Server im vergangenen Quartal «mit nahezu null Marge» verkauft hat. Bringt das Zukunftsgeschäft also kaum Profit?
Die Analysten von Bank of America relativieren in diesem Zusammenhang, dass dieses Business sich noch im Anfangsstadium befinde und die Auftragslage Besserung erwarten lasse. «Wir gehen davon aus, dass Dell im Laufe der Zeit in der Lage sein wird, höhere KI-Margen zu erzielen», befanden sie und hoben das Kursziel auf 180 $ an; derzeit notieren die Aktien bei rund 140 $.
Dell ist nicht zu hoch bewertet
Chancen sieht auch die Beteiligungsgesellschaft Silver Lake. Sie war zeitweise ausgestiegen, hat im ersten Quartal 2024 aber Aktien im Wert von 50 Mio. $ gekauft. «Die Leute unterschätzen immer noch, welche Summen in den kommenden fünf Jahren in die Infrastruktur von KI-Anwendungen investiert werden müssen», sagte Silver-Lake-Mitgründer Greg Mondre diese Woche bei der Private-Equity-Konferenz SuperReturn International in Berlin.
Mondre persönlich hält immer noch Dell-Aktien im Wert von mehr als 36 Mio. $. Er prüfe bei jedem Unternehmen, wie es von KI betroffen sei: «Wenn es negativ betroffen ist, ergreifen wir die Flucht.» Silver Lake investiere in «Ableitungen des KI-Booms» wie Server und Rechenzentren. Er wolle wissen, welche Unternehmen die besten Produkte für die KI-Infrastruktur offerieren. Dell gehöre dazu, bestätigte Mondre auf Nachfrage.
Der IT-Konzern ist nach fundamentalen Parametern nicht übermässig teuer. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis der Analystenschätzungen für die nächsten zwölf Monate beläuft sich auf etwa 16. Für den US-Leitindex S&P 500 ist der Vergleichswert mit 21 signifikant höher, das Technologiebarometer Nasdaq 100 wird fast zum 27-Fachen des erwarteten Gewinns gehandelt.
Hewlett Packard Enterprise als günstigere Alternative
Anleger können allerdings noch günstiger am Bau der vielen neuen KI-Rechnerzentren mitverdienen. Wenige Tage vor Dell legte der Silicon- Valley-Pionier Hewlett-Packard die Quartalszahlen vor, die an Wallstreet erheblich besser aufgenommen wurden. Die Aktie des 1939 gegründeten Druckerherstellers schoss binnen eines Handelstages um 20% nach oben und kratzte fast am Allzeithoch, ehe der Ausverkauf im Sog von Salesforce und Dell einsetzte. Der Kurssprung dürfte auch einen der grössten Investoren aller Zeiten überrascht haben: Warren Buffett hat seine HP-Beteiligung in den vergangenen Quartalen zu schlechteren Kursen verkauft.
Für den 2015 nach der Abspaltung der Serversparte als Restmasse erhaltenen Hardwarehersteller hatten Analysten eine Fortsetzung des Abwärtstrends erwartet. Stattdessen kann CEO Enrique Lores eine Turnaround-Story präsentieren: Gemäss Analystenschätzungen dürfte der Umsatz im kommenden Geschäftsjahr wieder anziehen, während der Gewinn je Aktie in den nächsten Jahren im mittleren einstelligen Prozentbereich wachsen soll. Das KGV von knapp 10 ist moderat. Anleger erhalten eine Dividendenrendite von 3,2%, deutlich mehr als bei Dell (1,3%).
Der Hardwarehersteller bringt es inzwischen wieder auf einen Börsenwert von 35 Mrd. $, auch wegen der KI-Euphorie. Das Geschäft mit leistungsfähigeren Computern, Laptops und Workstations könnte durch den KI-Boom Auftrieb erfahren. «Wir haben ein innovatives Portfolio an Lösungen vorgestellt, die für das KI- und Hybrid-Zeitalter entwickelt wurden», sagt HP-CEO Lores. Während die Druckersparte mit einem sinkenden Erlös zu kämpfen hat, kann die nach Einnahmen doppelt so grosse Einheit Personal Systems einen einstelligen Zuwachs verbuchen.
Noch stringenter ist die KI-Investmenthypothese bei der 2015 abgespaltenen Tochter Hewlett Packard Enterprise (HPE), die auf IT-Hardware für Unternehmen spezialisiert ist. Dazu gehören Server, Speicher, Netzwerke und Cloud-Dienste. HPE wird mit 23 Mrd. $ bewertet. Die Ende 2023 verkündete Kooperation mit Nvidia sorgt für Kursfantasie.
Die Analysten hatten bislang kaum Wachstumshoffnung für Hewlett Packard Enterprise. Der Quartalsbericht vom 4. Juni nach Börsenschluss schlug daher stark ein. Der Umsatz legte um über 3% auf mehr als 7 Mrd. $ zu, wogegen Analysten mit einem Rückgang von 2% gerechnet hatten. Mehr als die Hälfte der Einnahmen kam aus dem Verkauf von Servern. Das Unternehmen hat nicht abgearbeitete Aufträge von über 3,1 Mrd. $ an KI-tauglichen Servern. Zum Vergleich: Dells Server-Backlog beträgt wie oben erwähnt 3,8 Mrd. $. Auch der Gewinn pro Aktie von 42 Cent übertraf die Schätzungen von 39 Cent.
«Der Markt wird deshalb jetzt aufwachen», sagte HPE-CEO Antonio Neri. «Nach unserer heutigen Veröffentlichung werden [Investoren] mehr verstehen.»
Wie im Fall von Dell musste das Management allerdings einräumen, dass die Verlagerung zu mehr Einnahmen mit KI-Servern die Profitabilität belasten werde. So dürfte die Bruttomarge für das laufende Geschäftsjahr unter den bislang prognostizierten 35% zu liegen kommen.
«Obschon die Preisgestaltung im Servermarkt, insbesondere bei KI-Systemen, nach wie vor aggressiv ist, verfolgen wir weiterhin profitables Wachstum durch Disziplin bei den Kosten und den Preisen», sagte Finanzchefin Marie Myers.
Der Aktienkurs sprang gestern Mittwoch nach der Publikation des Quartalsberichts zum Börsenstart um mehr als 15% auf ein Rekordhoch gut 20.40 $. Mit einem KGV von rund 10 ist die Bewertung noch immer moderat, und die Dividendenrendite von 2,8% ist nicht unattraktiv.
Vor allem die HP-Aktien sind spannend
Die drei Wegbereiter der amerikanischen Technologieindustrie könnten nach Dekaden im Schatten von Titanen wie Microsoft, Amazon oder Alphabet aufgrund des unterstellten KI-Booms nachhaltiges Aufwärtspotenzial besitzen. Die Titel erscheinen gemessen an den spannenden Perspektiven nicht teuer.
Investments sind jedoch wie immer nicht ohne Risiko. Sollte dem seit achtzehn Monaten ohne Unterlass laufenden Tech-Bullenmarkt und dem KI-Hype die Luft ausgehen, dürften sich die Aktien von Dell, HP und Hewlett Packard Enterprise dem Abwärtstrend kaum entziehen können.
Gerade Dell erscheint nach den exorbitanten Kursavancen korrekturgefährdet. Die Aktien von Hewlett Packard könnten sich daher nach dem Chance-Risiko-Verhältnis als bessere, weil defensivere Option erweisen. Auch die Titel von Hewlett Packard Enterprise sind als potenzieller Profiteur des KI-Booms eine Überlegung wert.