Beim SWR klafft eine riesige Lücke in der Rechnung. Nun werden mit den Sendungen von Denis Scheck ausgerechnet die beliebtesten Formate der Literatur gestrichen.

Diesmal sind wohl wirklich die Boomer schuld. Die Angestellten des öffentlichrechtlichen Rundfunks in Deutschland haben sich über Jahrzehnte ein luxuriöses Leben gegönnt. Noch auf lange Zeit werden andere den Schaden bezahlen müssen. Mit an der Spitze steht der SWR. Finanziell ist er im freien Fall. Allein zwischen 2013 und 2022 hat sich das Eigenkapital des Senders von einem Plus von 346 Millionen Euro in ein Minus von 233 Millionen verwandelt.

Schuld daran sind üppige SWR-typische Sonderpensionsvereinbarungen. In den nächsten Jahren werden die finanziellen Belastungen weiter ansteigen. Für das Jahr 2028 prognostiziert der Rechnungshof jährliche Kosten von 112 Millionen Euro, die der Sender allein für seine pensionierten Mitarbeiter bezahlen muss. Zusätzlich zu deren staatlicher Rente.

Nivellierung nach unten

Händeringend und in einem Anfall von Wirklichkeitsflucht klagt man darüber, dass die Erhöhung der Rundfunkgebühren geringer ausfällt, als man sich gewünscht hat. Aber man muss und will tatsächlich auch sparen. Zum Beispiel bei der Kultur. 2025 wird beim SWR die Sendung «Lesenswert» mit Denis Scheck eingestellt. Dazu gleich auch noch das «Lesenswert Quartett», in dem Scheck mit den Kritikern Ijoma Mangold und Insa Wilke und einem Gast über Bücher diskutierte.

Über die unkritische Kumpanei von Scheck mit manchen Autoren kann man streiten, aber das Ende der beiden Sendungen ist ein weiterer Schlag gegen komplexere Inhalte im Fernsehen. Die SWR-Begründung für die Streichung der Formate hat eine tragikomische Pointe: Man wolle «mehr Generationengerechtigkeit durch neue Angebote für digitalaffine Zielgruppen» schaffen. Generationengerechtigkeit? Angesichts des SWR-Pensionsskandals klingt das nach purem Zynismus.

Der Kahlschlag des SWR in Sachen Literatur ist symptomatisch. Der NDR hat sein «Bücherjournal» gestrichen. WDR, Hessischer und Bayerischer Rundfunk haben nachgezogen und Wortlastiges aus dem Programm genommen. In Bayern sind die Einschnitte besonders drastisch ausgefallen. «Diwan – Das Büchermagazin» ist im Frühjahr verschwunden. Auch das «Nachtstudio» und das «Kulturjournal» gibt es nicht mehr.

Der BR spart, obwohl er in seinem Budget Überschüsse produziert. Im Hinblick auf den amtlichen Bildungsauftrag ist das ebenso absurd wie die Idee des SWR, das riesige Finanzloch durch kulturfeindliche Knausrigkeit zu stopfen.

Pferde ziehen mehr

Was sich immer weniger verbergen lässt: Ausgerechnet die öffentlichrechtlichen Sender haben ein Problem mit Intelligenz. Der Trumpf, der sie von den privaten Anstalten unterscheiden könnte, wird immer verschämter ausgespielt. Die Kultur findet fast nur noch in den Nachtprogrammen statt.

Was die üppig finanzierte filmische Herz-und-Schmalz-Dauerwalze des öffentlichrechtlichen Fernsehens an Komplexität überragt, wird gestrichen. Bis auf ein paar Ausnahmen. Das «Literarische Quartett», in dem es eher um Eitelkeiten als um Bücher geht, existiert immer noch. Und Jahr für Jahr wundert man sich, wenn die «Tage der deutschsprachigen Literatur», auch Bachmann-Wettbewerb genannt, via 3 Sat ungekürzt und in vielen Sendestunden über den Bildschirm flimmern.

Seit fast einem halben Jahrhundert gibt es diese Rache der Literatur am aufmerksamkeitsökonomischen Zeitgeist. Drohungen, die Sache abzuschaffen, gab es bisher immer wieder. Unvergessen ist das Statement eines Senderverantwortlichen, der sich rühmte, es nicht zu tun, aber die Bemerkung nachschob, dass jede Pferdedoku mehr Zuschauer habe als der Bachmann-Wettbewerb. Fernsehen ist für alle da. Wenn es mit den Gebühren aller bezahlt wird, dann auch für die, die hochhalten, was den Programmverantwortlichen zunehmend fehlt: Kultur.

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