Mittwoch, März 19

Die Finanzen des Kunsthauses laufen aus dem Ruder. Mehr Besucher heisst höhere Erträge. Aber auch höhere Kosten. Das Leitungsteam zeigt auf die Vorgänger. Damit ist das Problem nicht gelöst.

Wer schuld sei, interessiere sie eigentlich nicht, sagt Ann Demeester. Im Interview mit Radio SRF hält die Direktorin des Kunsthauses Zürich trotzdem fest: «Das war ja nicht ich!», und meint das Defizit von 4,5 Millionen Franken, das das Kunsthaus für das vergangene Jahr ausweist. Im Gespräch mit der NZZ wurden sie und Philipp Hildebrand ziemlich deutlich. «Das ist lang vor unserer Zeit geschehen», sagte der Ex-Nationalbank-Chef und Blackrock-Banker: «Wenn die Vergangenheit so gut gewesen wäre, dann hätten wir heute diese Probleme nicht.»

Die Botschaft ist klar: Wir haben damit nichts zu tun. Verantwortlich sind die Vorgänger, die vor mehr als zehn Jahren die Grundlagen für den Erweiterungsbau gelegt haben. Mit ihm hat sich die Ausstellungsfläche des Museums praktisch verdoppelt. Zusammen mit den ins Kunsthaus integrierten Sammlungen Bührle, Merzbacher und Looser hat er die Attraktivität des Hauses deutlich gesteigert. Mehr Raum, mehr Kunst und mehr Besucher heisst höhere Erträge. Aber auch höhere Kosten. Für Billettverkauf, Sicherheit, Reinigung oder Verkaufspersonal im Museumsshop. Und das sei zu wenig bedacht worden, sagen Demeester und Hildebrand. Von den Vorgängern.

Zusammen mit dem Kredit für den Bau des Hauses entschieden die Stadtzürcher Stimmberechtigten 2012 auch über eine Erhöhung des Betriebsbeitrags. Von 8,2 stieg er auf 12,7 Millionen Franken. Heute ist er teuerungsbedingt noch etwas höher. Das sei nicht genug, sagt die Leitungs-Crew. Der Betrieb sei «nicht ausreichend auf die neue Realität des doppelt so grossen Hauses vorbereitet» gewesen, lässt sich Philipp Hildebrand zitieren. Das Museum hat sich «supersized», wie Ann Demeester sagt.

«Niemand wurde getäuscht»

Damit wird nicht nur die Kalkulation der früheren Leitung des Museums in Zweifel gezogen. Es stellt sich auch die Frage, ob die Stimmberechtigten über das wahre Ausmass der Kosten getäuscht wurden. «Das will ich nicht kommentieren. Das ist lange vor unserer Zeit geschehen», sagte Hildebrand der NZZ auf diese Frage.

Einer der Vorgänger, an die sich die Vorwürfe richten, ist Walter Kielholz. Der frühere Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse und spätere Präsident der Swiss Re war von 2002 bis 2021 Präsident der Zürcher Kunstgesellschaft. Kielholz war die treibende Kraft hinter dem Erweiterungsbau. Er kümmerte sich um die Finanzierung, suchte Sponsoren und Mäzene.

Ohne Kielholz gäbe es den Erweiterungsbau nicht. Dass die Kunstgesellschaft fast die Hälfte der Baukosten von rund zweihundert Millionen Franken bei privaten Spendern gesammelt hat, ist wesentlich sein Verdienst. Zur Debatte um die Finanzprobleme will er sich nicht öffentlich äussern. Nur so viel sagt er: «Niemand wurde getäuscht.» Man habe die Kosten sorgfältig berechnet. So gut man es konnte, aufgrund der Zahlen und der Annahmen, die man vor der Abstimmung 2012 gehabt habe. Aber die Welt, sagt Kielholz, habe sich verändert.

«Ein lächerlicher Betrag»

Hat sich auch die Spendefreudigkeit der Zürcher Gesellschaft verändert? Nein, grundsätzlich nicht, davon ist der Zürcher Kommunikationsberater Klaus J. Stöhlker überzeugt. In einem Beitrag auf der Online-Plattform «Inside Paradeplatz» rühmt er den Kunsthaus-Neubau und die Sammlung Bührle und fügt hinzu: «Und jetzt fehlen 4,5 Millionen, ein für Zürcher Verhältnisse lächerlicher Betrag, den mancher Freund des Kunsthauses aus der Portokasse bezahlen könnte.»

Als es um die Finanzierung des Erweiterungsbaus gegangen sei, sagt er im Gespräch, habe sich deutlich gezeigt, wie gross die Bereitschaft der wohlhabenden Zürcherinnen und Zürcher sei, Geld zu spenden für ein Projekt, von dem sie überzeugt seien. Viel Geld. Mittlerweile seien die meisten zurückhaltend geworden, wenn es um das Kunsthaus gehe. «Taschen zu», heisse es heute. Aber weshalb?

Es gebe sicher verschiedene Gründe, sagt Klaus J. Stöhlker. Aber es sei Demeester und Hildebrand offensichtlich nicht gelungen, «die Herzen der Zürcher zu gewinnen». Hildebrand verkörpere für viele die globalisierte Elite, der man in Zürich reserviert begegne. Anderseits habe die Globalisierung der Unternehmenskultur auch die Verbundenheit mit lokalen Institutionen geschwächt.

Das Geld hängt an den Wänden

Vielleicht ist auch die Art, wie das Leitungsduo das Problem kommentiert, nicht gerade vertrauensbildend. Von einer Museumsdirektorin wie Ann Demeester erwartet man nicht, dass sie fehlende Erträge und steigende Kosten mit «biblischen Plagen» vergleicht, als wären es Naturgewalten, denen sie hilflos ausgeliefert ist.

Dass das Kunsthaus in akuter Geldnot sei, wird man nicht sagen können. Das Geld hängt an den Wänden. Oder: Es liegt in den Depots. Rund zwanzig Prozent der Sammlungsbestände werden gezeigt, ein grosser Teil der Werke kommt nie aus dem Lagerraum hinaus. Die Sammlung Langmatt in Baden hat vergangenes Jahr drei Bilder verkauft, um den Betrieb des Museums längerfristig zu sichern. Ist das am Kunsthaus ein Tabu?

Verkäufe von Bildern seien an strenge Richtlinien gebunden, sagt der Mediensprecher des Kunsthauses, Alex Hefter. Sie müssten den Richtlinien des International Council of Museums entsprechen. Die Erträge sollten demnach nur für die Sammlung verwendet werden, nicht für die Kosten des regulären Betriebs. Allerdings sind das Empfehlungen, die in Einzelfällen verhandelbar sind, obwohl das Kunsthaus als öffentliches Museum anders als eine private Institution den Auftrag hat, eine repräsentative Sammlung zu unterhalten.

Jeder Dritte schaut gratis

Auch bei den Eintrittspreisen sind dem Haus die Hände gebunden. Am Mittwoch ist der Besuch der Sammlung gratis. Das hält der Subventionsvertrag mit der Stadt Zürich ausdrücklich fest, und es war schon vor dem Umbau so. Nur: Seit die Kollektionen von Bührle, Merzbacher und Looser Teil der Sammlung sind, ist das Angebot wesentlich attraktiver geworden. Das schlägt sich in den Zahlen nieder. Von den für das vergangene Jahr ausgewiesenen 500 000 Eintritten waren 160 000 gratis. Also rund jeder dritte. Allein dadurch entgehen dem Museum zwischen 1,6 und 2 Millionen Franken.

Die wichtigste Einnahmequelle für ein Museum sind allerdings die Sonderausstellungen. Viel verspricht man sich am Kunsthaus von der für kommenden Herbst geplanten Retrospektive der Performancekünstlerin Marina Abramović. Ob das Zürcher Publikum von den Versuchsanordnungen der serbischen Künstlerin angetan sein wird, steht allerdings in den Sternen. An den Donatoren, die das neue Haus ermöglicht haben, führt kein Weg vorbei. Wenn sie nicht bereit sind zu zahlen, wird es schwierig. «Die 4,5 Millionen Franken, die jetzt gesucht werden, sind nicht das Problem», sagt Klaus J. Stöhlker: «Die Kommunikation ist es.»

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