Sonntag, November 24

Die Grasshoppers bleiben nach einem wilden 1:1 gegen den FC Winterthur Tabellenletzter. Beim Debüt des Nachfolgers von Marco Schällibaum zeigt sich, dass die GC-Verantwortlichen vergeblich auf einen frischen Impuls gehofft haben.

Es gibt einige bekannte Trainer mit Vergangenheit in der 2. Bundesliga. Jürgen Klopp in Mainz gehört zu ihnen. André Breitenreiter begann in Paderborn und gewann später mit dem FC Zürich den Titel. Oder Thorsten Fink. Er kam 2009 mit der Erfahrung von 28 Zweitligaspielen nach Basel und gewann gleich das Double. Das Feld war also durchaus mit positiven Vorzeichen bestellt, als der Rekordmeister Grasshopper-Club Zürich am Dienstag den 51-jährigen Tomas Oral als Nachfolger von Marco Schällibaum vorstellte.

Nach dem 1:1 gegen den FC Winterthur betrat Oral den Medienraum und gab seine Eindrücke wieder nach einem wilden Match, in dem seine Mannschaft in der Nachspielzeit den Ausgleich zugelassen hatte. «Wir haben noch einen weiten Weg vor uns» war einer der Sätze, die vom neuen GC-Trainer zu vernehmen waren. Statt den FC Winterthur zu überholen, bleibt GC mit zwei Punkten Rückstand Tabellenletzter.

Bekanntschaften aus den Fussball-Niederungen

Oral war während anderthalb Jahren ohne Klub. Er besitzt ein Café in Frankfurt am Main, es heisst «Leidenschaft» und soll für seine Schwarzwälder- und Sachertorten eine gewisse Bekanntheit haben in der Stadt am Main. Zuletzt hatte Oral viel Zeit für sein Lokal und half im Betrieb mit. Kaffee machen, Leute bedienen, solche Sachen. Seit Anfang dieses Jahres geht Oral regelmässig ins Gym, er fühlt sich fit und straff. Vor der anderthalbjährigen Pause hatte der 51-Jährige 152 Spiele in der 2. Bundesliga gecoacht. Der Schweizer Rekordmeister Grasshopper-Club Zürich hat das so mitgeteilt im Communiqué zum neuen Trainer.

Oral hat für Vereine wie Sandhausen, Ingolstadt oder den FSV Frankfurt als Cheftrainer gearbeitet, für ein paar Monate war er Assistent von Felix Magath, als die deutsche Trainerlegende einen ziemlich verunglückten Auslandsaufenthalt in London beim FC Fulham absolvierte. «Die ersten Eindrücke sind schon mal überwältigend, weil das ein grosser Traditionsklub ist, ein Klub mit unheimlich viel Erfahrung», hatte Oral nach dem ersten Tag auf dem Campus in Niederhasli gesagt.

Dass Oral überhaupt den Weg nach Niederhasli gefunden hat, ist alten Verbindungen aus Deutschland geschuldet. Als ihn der GC-Sportchef Stephan Schwarz anrief und ihm mitteilte, er solle sich doch einmal Gedanken machen über die Grasshoppers, leuchtete auf dem Handydisplay unter dem Namen des Anrufers TSV 1860 München auf. Schwarz arbeitete dort vor 15 Jahren als Scout. Man kennt sich schon lange. Oral machte sich Gedanken.

86TV | Erste Pressekonferenz mit Tomas Oral

Als dann Schwarz Absagen von Trainern wie Peter Zeidler, Patrick Rahmen und anderen bekommen hatte, wurde das Netzwerk der GC-Verantwortlichen immer kleiner und schrumpfte schliesslich auf alte Bekanntschaften aus den Niederungen des deutschen Fussballs. Und so kam es, dass sich Schwarz und Oral mit dem Segen der GC-Besitzer des Los Angeles FC und des Europa-Verantwortlichen Harald Gärtner auf die Unterzeichnung eines Vertrages bis Ende Saison einigten. Er habe auch mit Joe Thorrington, dem Sportdirektor des Los Angeles FC, «sehr interessante Gespräche geführt», hatte Oral gesagt. Gärtner kennt er aus der Zeit in Ingolstadt.

Auch aus den Zeiten in Ingolstadt kennt Oral seinen Assistenten, den er nach Zürich mitgebracht hat. Der Stadionspeaker nannte diesen Assistenten am Samstag «Michael Henkel», aber es handelt sich um jenen Michael Henke, der einst unter Ottmar Hitzfeld bei Bayern München und Borussia Dortmund gearbeitet hatte. Henke, immerhin ein Name mit Vergangenheit.

Schneebälle als Derby-Vorgeschmack

Oral entledigte sich bei seiner Premiere als Cheftrainer in einer höchsten Liga im bitterkalten Letzigrund rasch einmal seines Mantels und legte einiges an Engagement an den Tag. 4400 Zuschauer und Zuschauerinnen waren gekommen, um das Nachbarschaftsduell der Kellerkinder der Liga zu verfolgen. Die Grasshoppers waren zu Beginn die weniger schlechte Mannschaft in einem Spiel zwischen Not und Elend, das mit einem gehaltenen Penalty und einem grossen Durcheinander in der Schlussphase immerhin etwas Unterhaltung bot.

«Ich habe gute Ansätze gesehen», sagte Oral nach dem Spiel, «aber natürlich würde es unsere Arbeit erleichtern, wenn wir heute mit einem Sieg nach Hause gehen könnten.» Sein Auftrag lautet gemäss dem Sportchef Schwarz, das Team zu stabilisieren und am Ende der Saison mindestens den 10. Schlussrang zu erreichen. Oral glaubt, dass er die Aufgabe meistern kann, Schritt für Schritt. Der nächste folgt am Samstag im Derby gegen den FCZ. «Ich weiss, was das heisst», sagt er mit einem Lachen, «unser Bus wurde bei der Fahrt ins Stadion an einer Ampel mit Schneebällen beworfen.» Eine gute Nachricht: Oral scheint sich tatsächlich auf sein zweites Spiel als GC-Coach zu freuen.

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