Samstag, April 19

Unter den Augen von Roger Federer gewinnen die ZSC Lions ihr 15. Play-off-Heimspiel in Folge und führen in der Finalserie mit 2:0. Wenig deutet auf ein Comeback des Lausanne HCD hin. Es sei denn, der Aussenseiter kann sich an seinem erstaunlichen Torhüter Kevin Pasche aufrichten.

Der Lausanne HC macht wenig Hehl aus seinen Ambitionen. Eigentlich ist nur der Titel gut genug – der Klub investiert sehr viel Geld in das Vorhaben, nach mehr als 100 Jahren des Bestehens erstmals Meister zu werden. Das Budget ist so üppig, dass der russisch-amerikanische Klubbesitzer Gregory Finger auch schon Jahresdefizite im zweistelligen Millionenbereich gedeckelt hat.

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Der Wunsch, welcher der sportlichen Führung abgeschlagen wird, muss erst noch erdacht werden. Das macht die Entscheidungen des Managements auf der Torhüterposition in den letzten zwei Jahren so bemerkenswert.

In der Saison 2023/24 setzte Lausanne auf den Hünen Connor Hughes, der zuvor mehrheitlich in der Swiss League zum Einsatz gekommen war und dort so wenig verdiente, dass er sich nur ein Mal pro Monat eine Pizza im Restaurant leisten konnte. Hughes, 28, brachte die Erfahrung einer einzigen Play-off-Partie mit. Oder eher: Einer halben. In Langenthal war er 2020 bei einer 0:7-Niederlage in Olten nach dem fünften Gegentor eingewechselt worden.

Mit diesem Hughes erreichte Lausanne 2024 den Final, es fehlte ein einziger Sieg zum Meistertitel. Im Sommer nahmen in die Montréal Canadiens unter Vertrag, er spielt aktuell in der Farmteamliga AHL.

Sein Nachfolger in Lausanne heisst Kevin Pasche. Sieben Jahre jünger, 15 Zentimeter kleiner, 25 Kilo leichter. 1,78 Meter misst er nur, zusammen mit Melvin Nyffeler von den Rapperswil-Jona Lakers ist er der kleinste Nummer-1-Goalie der Liga. Pasche hat 2023/24 35 Partien bestritten, 13 davon in der Swiss League, in der Anonymität von Martigny, einem Klub, der sich gerade eben freiwillig aus der drittklassigen MyHockey League zurückgezogen hat.

Der ZSC-Goalie Hrubec schreibt gerade Geschichte

Es waren Pasches einzige Duftmarken im Profibereich. Und doch widerstand Lausanne der Versuchung, auf dem Transfermarkt aktiv zu werden. Die sportliche Leitung sollte recht behalten: Lausanne wurde mit ihm erstmals überhaupt Qualifikationssieger, Pasche wies hinter dem Phänomen Stéphane Charlin von den SCL Tigers die besten Statistiken der Liga auf.

John Fust sitzt am Donnerstagabend während dem zweiten Spiel der Finalserie auf der Medientribüne der Swiss-Life-Arena. Der Sportchef des Lausanne HC sagt: «Wir wussten um sein Talent. Ich kenne ihn, seit er 10 ist. Wir haben an ihn geglaubt. Und die Resultate geben uns recht.» Neun Ausländer stehen in Lausanne aktuell unter Vertrag, aber keiner davon ist Torhüter – nicht einmal als Absicherung für die Play-offs wurde einer engagiert. «Das ist Teil unseres Commitments gegenüber Kevin», sagt Fust.

Pasche hat wenig Zeit benötigt, um sich in Lausanne zum Publikumsliebling aufzuschwingen. Wobei es bestimmt zuträglich war, dass er sich das Logo der «Section Ouest 93», der führenden Ultra-Gruppierung im LHC, auf seine Goaliemaske hat sprühen lassen.

Eigentlich wuchs Pasche als Gottéron-Fan auf. In der Trutzburg St. Léonard hatte es ihm Sébastien Caron angetan, ein Kanadier mit NHL-Vergangenheit. In Pasche erwuchs der Traum, selbst Goalie zu werden. Knapp 15 Jahre später gehört er auf Anhieb zu den besten seines Fachs. Hat aber in diesem Final das Pech, dass Simon Hrubec sein Gegenspieler ist. Der Tscheche Hrubec, 33, kassiert in diesem Play-off bisher durchschnittlich 1,42 Gegentore – es ist ein geschichtsträchtiger Wert wie aus einer fremden Galaxie. Hrubec dürfte erneut die Jacques-Plante-Trophy gewinnen, die Auszeichnung für den besten Torhüter der Liga. Der Namensgeber ist eine kanadische NHL-Legende, die 1986 in Genf verstarb. Und von der dieses Bonmot überliefert ist: «Wie fändest Du es, wenn jedes Mal, wenn dir in deinem Job auch nur der Anflug eines Fehlers unterläuft, eine rote Lampe über deinem Kopf zu leuchten beginnt und dich 18 000 Menschen anschreien?»

Plantes Einblick in die Torhüterseele kann einem zu schaffen machen und Nervosität auslösen, zumal jetzt, im gleissenden Scheinwerferlicht des Finals. Aber Pasche meistert seine Feuertaufe bisher bravourös. Nach wechselhaften Darbietungen zum Play-off-Auftakt gegen den krassen Aussenseiter SCL Tigers hat er sich gefangen – seine Abwehrquote liegt inzwischen bei respektablen 91,51 Prozent. Lausannes grosses Comeback vom 1:3 zum 4:3 im Halbfinal gegen die alte Liebe Gottéron war auch sein Verdienst: In den finalen drei Duellen kassierte er nur drei Tore.

Auch gegen den ZSC liegt es nicht an ihm, dass sich die Seinen arg in Rücklage befinden. «Wir verlangen nur, dass er uns eine Chance auf den Sieg gibt. Und das tut er», sagt Fust. Bei der von Roger Federer live im Stadion beobachteten 2:3-Niederlage nach Verlängerung vom Donnerstag trifft Pasche keine Schuld.

Das Lob des Stanley-Cup-Siegers Cristobal Huet

Ein paar Stockwerke tiefer steht der Mann, dessen Protegé Pasche zwei Jahren ist: Cristobal Huet. Einer der besten Torhüter, die Europa je hervorgebracht hat. 2010 war der Franzose Stanley-Cup-Sieger mit den Chicago Blackhawks, die Jacques-Plante-Trophy hat er mit Lugano und Lausanne insgesamt drei Mal gewonnen. Huet, seit sieben Jahren Torhütertrainer des LHC, sagt: «Kevin ist ein eher kleiner Goalie. Aber mit seinem Positionsspiel macht er sich gross und seine Reflexe sind verdammt schnell. Sein Fleiss hat mir von Anfang an imponiert, er hat eine schöne Zukunft vor sich.»

Ganz grundsätzlich stimmt das bestimmt, aber in Lausanne könnte ein alter Freund Pasches kurzfristige Perspektiven trüben: Andere NL-Manager berichten übereinstimmend, dass Connor Hughes sich für die kommende Saison im Fall einer Rückkehr längst Lausanne versprochen habe. Aktuell ist nicht abzusehen, ob der auch schon für die Schweizer Nationalmannschaft berücksichtigte Hughes seine Zukunft über diese Saison hinaus in Nordamerika sieht. Finanziell dürfte ein Wechsel nach Lausanne lukrativer sein. Bei einem, der im Herbst 29 wird und bis 2023 nie je mehr als 100 000 Franken verdient hat, dürfte dieser Aspekt durchaus Berücksichtigung finden.

Es sind Sorgen für andere Tage. Am Samstag braucht Lausanne zu Hause dringend einen Sieg. Sonst kann diese Saison schneller zu Ende sein als Kevin Pasche seine Fanghand hervorschnellen lässt.

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