Montag, Oktober 7

Der Kanton Zug plant eine Belüftungsanlage für den See. Andere haben damit jahrelange Erfahrung – und mässigen Erfolg.

Es sei der schönste im ganzen Land, schwärmen die Zuger, wenn sie vom Sonnenuntergang über dem Zugersee erzählen. Das Licht auf der Wasseroberfläche, die Farben, die Berge. Doch unter Wasser ist es mit der Idylle vorbei. Dem Zugersee fehlt der Sauerstoff. Er braucht deshalb bald eine künstliche Lunge. Eine Anlage in über 90 Metern Tiefe soll in Zukunft Luftbläschen ins südliche Seebecken pumpen und so für eine bessere Durchmischung des Wassers sorgen.

Einen See künstlich belüften? Was absurd klingt, ist im Mittelland seit Jahrzehnten Alltag. Der Baldegger-, der Sempacher- und der Hallwilersee sind seit den 1980er Jahren mit Belüftungsanlagen ausgestattet. Sie sind bis heute in Betrieb.

Der Mangel an Sauerstoff ist in den Schweizer Seen ein verbreitetes Problem. Ein See braucht laut Gewässerschutz mindestens 4 Milligramm Sauerstoff pro Liter. Doch 60 Prozent der grösseren Schweizer Seen liegen laut Bundesamt für Umwelt unter dem Grenzwert oder erreichen ihn nur dank künstlicher Belüftung.

Viele Schweizer Seen sind überdüngt

Mit 80 Milligramm pro Kubikmeter Wasser ist der Phosphorgehalt im Zugersee mehr als doppelt so hoch wie der vom Bund vorgesehene Zielwert von 30 Milligramm. Jahrzehntelang flossen Abwasser und Gülle via Zuflüsse in den See. Mit anderen Worten: Der See ist überdüngt.

Dadurch wachsen viele Algen. Und die sinken nach ihrem Absterben auf den Grund, zersetzen sich und entziehen dem Gewässer dabei Sauerstoff. Der Sauerstoff fehlt den Lebewesen. Das ist besonders für Fische ein Problem.

Der Zustand des Zugersees ist seit langem bekannt. Doch es brauchte den Druck des Bundes, damit es nun vorwärtsgeht.

Die künstliche Belüftung eines Sees läuft folgendermassen ab: In den meisten Fällen wird dem Wasser mit sogenannten Diffusoren reiner Sauerstoff oder Luft zugeführt. Das Verfahren soll die Zirkulation ankurbeln und das Wasser besser durchmischen.

Im Mittelland hat man mit den Diffusoren jahrzehntelange Erfahrung. Die Bilanz fällt jedoch durchzogen aus. Zwar habe sich die Wasserqualität seit den 1980er Jahren stark verbessert, schreibt die zuständige Arbeitsgruppe «Sanierung Mittellandseen» im neusten Jahresbericht. Auch das Bundesamt für Umwelt stellt fest, dass der Phosphorgehalt vielerorts zurückgegangen sei, auch dank dem Ausbau von Abwasserreinigungsanlagen.

Doch die Mittellandseen erholen sich nur langsam. In der Tiefe herrscht im Sommer trotz Belüftung teilweise Sauerstoffmangel. Das hat Konsequenzen: Untersuchungen im Hallwilersee zeigten, dass sich Felchen, welche ihre Eier ins Seesediment ablegen, kaum mehr natürlich vermehren können.

Die Seen im Mittelland müssen daher auch nach vierzig Jahren noch belüftet werden. «Die Einstellung der Seebelüftung würde die Erfolge der Massnahmen der vergangenen Jahrzehnte gefährden, da immer noch zu viel Phosphor in die Seen gelangt», sagt Andrea Muff vom Umweltdepartement des Kantons Luzern. Zumal der Klimawandel den Effekt verstärkt.

Landwirte wehren sich gegen Auflagen

«Die Mittellandseen liegen seit Jahrzehnten auf der Intensivstation», sagt Nathalie Rutz, Sprecherin von Pro Natura. Als Notmassnahme habe sich die künstliche Belüftung bewährt, es sei jedoch keine dauerhafte Lösung. Für die Naturschutzorganisation ist es unumgänglich, dass die bisherigen Massnahmen zur Phosphorreduktion weitergeführt und ausgebaut werden. Dazu gehört unter anderem, dass Landwirte im sogenannten Zuströmbereich der Seen heute weniger Gülle ausbringen dürfen als früher.

«Aus Sicht von Pro Natura ist zudem klar, dass zu einer nachhaltigen Lösung auch der Tierbestand, der in der Region seit Jahrzehnten zu hoch ist, reduziert werden müsste», sagt Rutz. Je weniger Tiere in der Landwirtschaft, umso weniger Gülle fällt an. Doch solch einschneidende Massnahmen sind im Luzerner «Schweinegürtel» – im Kanton werden 30 Prozent aller Schweizer Schweine gehalten – höchst umstritten und müssten, das betont auch Pro Natura, sozialverträglich umgesetzt werden.

Als der Kanton den Bauern im Einzugsgebiet von Sempacher-, Baldegger- und Hallwilersee vor wenigen Jahren vorschrieb, ihre Felder weniger zu güllen, wehrten sich mehr als hundert von ihnen. Sie zogen bis vor Bundesgericht – jedoch erfolglos. Die Richter in Lausanne entschieden im Januar 2024, dass die neue Phosphorverordnung rechtens sei. Für die betroffenen Landwirte bedeutet dies: Entweder sie verkleinern ihre Tierbestände, was sich meist nicht rentiert, oder sie müssen den überschüssigen Hofdünger in andere Regionen «exportieren».

Die Seen brauchen viel Zeit

Der Fall der Mittellandseen zeigt: Eine schnelle Lösung ist kaum in Sicht. Und das Engagement für mehr Sauerstoff in den Seen hat seinen Preis. Insgesamt 130 Millionen Franken hat allein der Kanton Luzern seit den 1980er Jahren für die Massnahmen ausgegeben. Und es fallen weitere Kosten an, denn die Anlagen im Sempacher- und Baldeggersee müssen für zwei Millionen Franken erneuert werden. Wirksame und günstigere Alternativen zur Sanierung der Seen gibt es laut den Luzerner Behörden nicht.

Auch im Kanton Zug wurden andere Ideen als die Belüftung geprüft, aber sie wurden wieder verworfen. Dies, obwohl selbst der Berufsfischerverband einer Belüftung gegenüber kritisch eingestellt ist. «Die Beispiele Sempacher- und Baldeggersee, die bereits seit vielen Jahren belüftet werden, zeigen, dass diese aufwendige Methode eine äusserst bescheidene Wirkung erzielt», sagte ein Berufsfischer im Juni gegenüber der «Zuger Zeitung».

Damit die Seen gesund werden, braucht es vor allem eines: Zeit. Die Zuger Kantonsregierung rechnet damit, dass das Ziel beim Phosphorgehalt im Zugersee mit der neuen Belüftungsanlage bis im Jahr 2070 erreicht werden kann. Das ist in 46 Jahren.

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