Donnerstag, Oktober 3

Warum es keine gute Idee ist, mit Einkommensprämien gegen Klein-Pensen vorzugehen, und was man stattdessen tun sollte.

An einer durchschnittlichen Zürcher Schule arbeiten 20 bis 30 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer maximal zwei Tage pro Woche. Dieser Wert weicht deutlich von der Norm der Schweizer Arbeitswelt ab, wie die Beschäftigungsstatistiken des Bundes zeigen. Die Erklärungen dafür reichen von Überlastung bis Bequemlichkeit, von privater Familienplanung bis zu bürokratischen Vorgaben seitens der Schulbehörden, und an allen ist etwas dran.

Es herrscht weitgehend Einigkeit, dass die vielen Klein-Pensen der Qualität der Volksschule nicht guttun. Sie erschweren enge Beziehungen zu den Schülern, bringen Unruhe ins Klassenzimmer. Nicht zuletzt kosten sie auch Geld, weil es Koordinationsaufwand und Reibungsverluste gibt. Zudem müssen dadurch mehr Lehrer ausgebildet werden, um alle Stellen zu besetzen.

Der Zürcher Kantonsrat hat deshalb diese Woche auf Betreiben der FDP Massnahmen angeregt, die es für Lehrkräfte attraktiver machen sollen, ihren Beschäftigungsgrad zu erhöhen und mehr Verantwortung zu übernehmen. Es ist nicht der erste Vorstoss in diese Richtung, aber der erste, der auch bei den Löhnen ansetzen will.

Angeregt wird ein Strauss an finanziellen Anreizen: von Einmalprämien über vorübergehende Boni bis hin zu einer dauerhaften Anhebung der Löhne für Lehrerinnen und Lehrer mit einem Pensum von 80 Prozent und mehr.

Es ist – das muss man hier deutlich sagen – der falsche Hebel.

Die Löhne sind hoch genug, Anreize funktionieren kaum

Lehrerinnen und Lehrer verdienen im Kanton Zürich genug. Berufseinsteiger auf Primarstufe bekommen fast 98 000 Franken im Jahr. Das sind 20 Prozent mehr als im Durchschnitt der anderen Deutschschweizer Kantone.

Wenn schon, müsste man also die Löhne für Mini-Pensen kürzen. Das aber wäre realpolitisch nicht durchsetzbar. Überdies ist fraglich, wie gut finanzielle Anreize bei Lehrerinnen und Lehrern überhaupt funktionieren.

Bezeichnenderweise zweifelt man nicht nur beim Verband der Schulpräsidenten daran, die sich täglich mit Klein-Pensen herumschlagen müssen. Auch der Erfinder des politischen Vorstosses selbst ist skeptisch: Wer nur 50 Prozent arbeite, habe in der Regel einen guten Grund dafür und bleibe dabei, sagt Marc Bourgeois.

Die Statistik zeigt, wo der Kern des Problems liegt: Viele Lehrerinnen reduzieren das Pensum, wenn sie Kinder bekommen, und erreichen daher nie mehr den Beschäftigungsgrad von zuvor. Ein langjähriger Schulleiter sagt, er habe es nie erlebt, dass eine Lehrerin voll zurückgekommen sei. Dahinter stehen traditionelle Familienmodelle mit dem Mann als Hauptverdiener.

Lehrerinnen arbeiten weniger als Lehrer

Beschäftigungsgrad von Volksschullehrpersonen im Kanton Zürich, in Prozent, nach Alter

Die Volksschule ist im Vergleich mit anderen Arbeitgebern besonders empfänglich für Teilzeit-Lösungen. Einerseits, weil sie wegen des Lehrermangels nicht wählerisch sein kann, andererseits aus systemimmanenten Gründen.

Während früher ein Lehrer pro Klasse genügte, rechnet das kantonale Volksschulamt heute mit etwa 125 Stellenprozent für eine Klasse. In der Praxis läuft das oft darauf hinaus, dass sich jemand mit einem hohen Pensum und jemand mit einem tiefen eine Klasse teilen. Erschwerend kommt hinzu, dass die bewilligten Stellenprozente Jahr für Jahr schwanken, je nach Kinderzahl – darum sucht eine Schule nicht selten Personal für genau zwei Stunden an einem Nachmittag.

Solange sich der Arbeitsmarkt und die Familienmodelle nicht in der Breite ändern, wird sich an der Sonderstellung der Schule wenig ändern.

Wichtiger, als mit nutzlosen Lohnanreizen gegen Klein-Pensen vorzugehen, ist es deshalb, die Arbeitsbedingungen für jene zu verbessern, die intrinsisch motiviert sind, mit hohem Pensum zu arbeiten. Denn ihr Anteil sinkt. Sie müssen von administrativen Nebenaufgaben entlastet werden und genügend Zeit bekommen für das, was zählt: auf Kinder eingehen, mit Eltern Probleme lösen, ein positives Schulklima schaffen.

Sie brauchen nicht mehr Geld, sondern weniger Stress. Immerhin: Den zweiten Teil hat die Zürcher Politik inzwischen verstanden.

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