Freitag, Januar 10

Deutschland hat sich politisch und gesellschaftlich völlig in die falsche Richtung entwickelt. Dennoch ist fraglich, ob die US-Indizes weiterhin besser abschneiden werden. Zu gross ist ihre Dominanz in den Weltaktienindizes und ihre Abhängigkeit von wenigen grosskapitalisierten Aktien.

«Es liegt in der Natur des Kapitalismus, dass es periodisch zu Ausbrüchen des Wahnsinns kommt»
John Kenneth Galbraith (Kanadisch-amerikanischer Ökonom und Diplomat, 1908–2006)

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Von Seiten der Politik kommen in letzter Zeit verstärkt Appelle, man soll nicht alles schlechtreden. Schliesslich sei Deutschland immer noch eine starke Wirtschaftsmacht und hat jüngst sogar Japan überholt. Nun liegt es mir völlig fern, als Nestbeschmutzer aufzutreten. Doch die wirtschaftliche Entwicklung treibt mir seit längerem die Sorgenfalten auf die Stirn.

Die Deutschen waren immer stark in der Veredelung traditioneller Erzeugnisse. Wir produzierten die besten Autos, die besten Maschinen und den besten Stahl. Weniger gut lief es bei der Adaption neuer Technologien. So wurde der Computer von Gewerkschaften und Medien bis in die späten Siebzigerjahre als Jobkiller gebrandmarkt. Sicher mit ein Grund, warum man in Deutschland Technologiefirmen von Weltrang mit der Lupe suchen muss – ganz im Gegensatz zu den USA, Japan, China, Taiwan und Südkorea –, obwohl sowohl Computer als auch Halbleiter bei uns erfunden wurden. Und Versuchsfelder mit gentechnisch veränderten Pflanzen wurden hierzulande nachts so lange niedergetrampelt, bis die Forschung ins Ausland verlegt wurde.

Um es überspitzt auszudrücken: Heute sind die Deutschen bestenfalls führend im Krankfeiern (durchschnittlich zwanzig Arbeitstage im Jahr gegenüber acht Tagen in der restlichen EU), bei der geschickten Ausnutzung von Brückentagen, dem Ruf nach der Viertagewoche, der Anzahl der jährlichen Arztbesuche und der Buchung von Fernreisen. Wer wie ich mit über 70 noch voll berufstätig ist, wird als ausgesprochen dämlich angesehen. Und die SPD als einstige Arbeiterpartei sieht ihre Hauptaufgabe heute darin, soziale Wohltaten an die zu verteilen, die nicht arbeiten können oder wollen.

Kursentwicklung spricht Bände

Während Handwerk und Mittelstand händeringend um Nachwuchs werben, stehen massenweise Studienabgänger für eine Stelle beim Vater Staat Schlange. Und während man erfolglose und korrupte Linkspopulisten wie Lula hofiert (brasilianischer Bovespa-Index 2024 in € mit 24,2% im Minus), werden radikale Reformer wie Milei (argentinischer Merval-Index in 2024 +127% in €), der den Augiasstall der Bürokratie effizient ausmistet, als zum Scheitern verurteilt.

Ob diese Entwicklung auf Dauer tragfähig ist, darf doch mit Fug und Recht bezweifelt werden. Man sagt zwar immer, dass politische Entwicklungen an den Börsen kurze Beine haben. Aber die unterschiedlichen Kursverläufe an den Märkten seit 2007 zeigen, dass die Anleger durchaus mit den Füssen abzustimmen verstehen.

Die aktuelle Börsenlage: immer mehr Klumpenrisiken

Eines muss man unseren amerikanischen Freunden neidlos zugestehen: Sie verstehen es meisterhaft, die internationalen Finanzströme zu kontrollieren und in ihre Kapitalmärkte zu lenken. Dies liegt auch daran, dass alle grossen Ratingagenturen (Moody’s, Standard & Poor’s) als auch Indexanbieter (MSCI) fest in amerikanischer Hand sind. Es liegt durchaus in deren «patriotischem» Interesse, dass z.B. US-Aktien im Weltaktienindex mit über 72% gewichtet sind – mit stark steigender Tendenz, während der Anteil an der weltweiten Wirtschaftsleistung derzeit weniger als 26% beträgt und eine fallende Tendenz aufweist.

Wer also seine Aktienanlagen mit dem MSCI-Welt-Aktienindex international streuen will, sitzt hier im total falschen Boot. Selbst im MSCI World ACWI, der auch die Emerging Markets umfasst, sind US-Aktien mit über 66% vertreten, während es China gerade mal auf einen Anteil von 2,7% (!) bringt.

Doch die Klumpenrisiken beschränken sich nicht nur auf die völlig überhöhten Anteile der US-Aktien im Weltaktienindex. Sondern auch in der extrem hohen Gewichtung einiger weniger Einzelaktien, die als «Magnificent 7» jedem bekannt sind. Zu verdanken haben sie dies auch dem Superboom der ETF (Exchange Traded Funds), in denen die Aktien nicht nach ihren Fundamentaldaten sondern nach ihrer Börsenkapitalisierung gewichtet sind.

Einseitige Konzentration auf US-Aktien

Sieht man sich den ETF-Markt genauer an, fällt sofort auf, dass die Anleger derzeit ein extremes Übergewicht in hoch bewerteten US-Aktien haben. So bringen es die ETF auf den S&P-500-Index auf ein Fondsvermögen von 2,3 Bio. $, während beim Stoxx-Europe-600-Index als europäisches Pendant gerade einmal mickrige 27 Mrd. $ investiert sind. Das wäre vielleicht noch tragbar, wenn nicht im S&P 500 mehr als ein Drittel allein auf sieben Aktien konzentriert wären.

Auch dies ist nicht allein den tollen Zukunftsaussichten zu verdanken. Während europäische Unternehmen traditionell eher eine hohe Dividendenrendite bieten, schütten die gewinnträchtigsten US-Unternehmen fast keine Dividenden aus. Stattdessen treiben sie mit Aktienrückkäufen in atemberaubender Höhe (allein bei Apple läuft ein Rückkaufprogramm über mehr als 100 Mrd. $) ihre Aktienkurse in die Höhe, um eine möglichst hohe Gewichtung in den Indizes zu erreichen.

Gleichzeitig werden missliebige Konkurrenten mit mehr oder weniger subtilen Methoden kaltgestellt. So befinden sich zahlreiche chinesische Aktien inzwischen auf einer schwarzen Liste und dürfen nicht mehr gekauft werden, weil sie angeblich Kontakte zum chinesischen Militär unterhalten. Neben prominenten Beispielen wie China Mobile und Huawei hat es jüngst auch den Spieleentwickler Tencent erwischt. Wie würde wohl eine schwarze Liste von US-Unternehmen aussehen, die Kontakt zum US-Militär haben?

Können Bäume in den Himmel wachsen?

Die völlig einseitige Konzentration der weltweiten Aktienvermögen auf den boomenden und hoch bewerteten US-Markt bereitet uns Bauchweh, auch wenn die Aufwärtstrends noch voll intakt sind. Aber es gibt genug Warnzeichen, dass auch hier die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Dies gilt sowohl monetär (steigende Renditen bei den zehnjährigen Treasury-Bonds trotz Zinssenkungen durch die Notenbank, schwache Geldmengenentwicklung) als auch markttechnisch (extremer Optimismus, hoher Investitionsgrad in Aktien, geringe Neigung zu Absicherungen) und fundamental (hohe Bewertung).

Kein Wunder, dass Warren Buffett seine Aktienpositionen massiv reduziert (Apple, Bank of America) und Barreserven anhäuft. Der alte Börsenfuchs ist zwar oft zu früh dran, teilweise bis zu drei Jahren, doch hat ihm die Marktentwicklung am Ende fast immer recht gegeben.

Es kann durchaus sein, dass die neuen technologischen Entwicklungen (Künstliche Intelligenz, Quantencomputer, humanoide Roboter, autonomes Fahren) zu deutlichen Effizienzgewinnen und neuen Wachstumsschüben führen. Davon würden aber nicht nur einige wenige Unternehmen profitieren. Und welche Unternehmen das genau sein werden, ist heute alles andere als sicher. Die Bewertung der «Magnificent 7» legt aber einen anderen Marktkonsens nahe!

Wir bleiben konservativ investiert mit 60 bis 70% in niedrig bewerteten Substanzwerten, 5 bis 10% in physischem Gold und Silber sowie Anteilen an kurz laufenden Anleihen guter Bonität und Cash.

Peter E. Huber

Peter E. Huber ist Gründer und Geschäftsführer der Huber Portfolio GmbH in Oberursel. Er ist spezialisiert auf antizyklische Investitionen an den Aktien- und Anleihenmärkten. Zuvor war er Partner und Fondsmanager beim Vermögensverwalter StarCapital, den er 2016 an die Bellevue Group verkaufte. Huber hat in Mannheim Betriebswirtschaft studiert und danach für die Privatbank SMH in Frankfurt gearbeitet, bevor er sich 1981 selbständig machte.

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