Vor zwei Jahren kippte das Oberste Gericht der USA das landesweite Recht auf Abtreibung. Nun aber lehnten die Richter eine Klage gegen die medikamentöse Abtreibung ab. Im Hinblick auf die Wahlen im Herbst dürfte dies den Republikanern helfen.
Das Urteil des Supreme Court zur Abtreibungspille war mit Spannung erwartet worden. Am Donnerstag fällten die Obersten Richter dann jedoch eine einstimmige Entscheidung. Sie lehnten die Klage einer texanischen Ärztegruppe gegen die amerikanische Arzneimittelbehörde aus prozeduralen Gründen mit 9 zu 0 Stimmen ab. Da die Kläger das Medikament nicht selber verwendet und keinen Schaden erlitten hätten, seien sie in dieser Sache nicht beschwerdeberechtigt, urteilte das Oberste Gericht.
Die Arzneimittelbehörde FDA liess die Abtreibungspille Mifeprex mit dem Wirkstoff Mifepriston im Jahr 2000 zu. In den vergangenen Jahren weitete die Behörde den Zugang und die Anwendung des medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs aus. So wurde etwa die Verschreibung bis zur zehnten und nicht nur bis zur siebten Schwangerschaftswoche erlaubt. Zudem dürfen die Tabletten heute per Telemedizin verschrieben und mit der Post verschickt werden. Auf diese Weise ist das Medikament auch für Frauen erhältlich, die in Gliedstaaten mit restriktiven Abtreibungsgesetzen leben.
Medikamentöse Abtreibungen nehmen zu
Im Juni vor zwei Jahren hob der Supreme Court das landesweite Recht auf Abtreibung auf. Wenige Monate danach reichten die Ärzte in Texas die Klage gegen die Zulassung von Mifepriston vor einem Bundesbezirksgericht ein. Ein konservativer Richter hiess die Klage im April 2023 gut. Die FDA habe das Medikament und seine Sicherheit ungenügend geprüft, schrieb er in seinem Urteil. Fehlende Beschränkungen hätten zudem zu vielen Todesfällen und lebensbedrohenden Nebenwirkungen geführt. Gemäss wissenschaftlichen Studien sollen medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche hingegen auch per Telemedizin eine sichere Behandlung sein.
Der Supreme Court revidierte das Urteil in Texas nun, ohne auf Fragen zur Sicherheit oder Ethik der medikamentösen Abtreibungen einzugehen. Wenige Monate vor der Präsidentschaftswahl ist das aus politischer Sicht vor allem für die Republikaner eine gute Nachricht. Ein Verbot von Mifepriston hätte vermutlich noch mehr Wähler – und insbesondere Wählerinnen – mobilisiert, um für die Demokraten zu stimmen. Bereits bevor der Supreme Court das landesweite Recht auf Abtreibung aufhob, wurden rund die Hälfte der Schwangerschaftsabbrüche in den USA medikamentös durchgeführt: 53 Prozent. Seither ist dieser Anteil auf 63 Prozent gestiegen.
Allerdings beschäftigt sich das Oberste Gericht derzeit noch mit einem zweiten Fall zum Recht auf Abtreibung. Dabei steht der konservative Gliedstaat Idaho im Fokus. Dieser erlaubt einen Schwangerschaftsabbruch nur, wenn das Leben der Frau in Gefahr ist. Die Regierung von Präsident Joe Biden verlangt indes, dass eine Abtreibung aufgrund eines Bundesgesetzes bereits dann zwingend ist, wenn die langfristige Gesundheit einer Patientin auf dem Spiel steht.
Wichtiges Wahlkampfthema für Frauen in Vorstädten
Unabhängig von diesen Urteilen wird die Abtreibungsfrage bei der Präsidentschaftswahl im Herbst aber eine Rolle spielen. In den vergangenen zwei Jahren haben 14 Gliedstaaten ein Abtreibungsverbot eingeführt, und 3 weitere haben eine restriktive 6-Wochen-Frist in Kraft gesetzt. In mehreren Gliedstaaten werden die Bürger im November auch über Gesetzesinitiativen für das Recht auf Abtreibung abstimmen. Das Thema ist mit ein Grund, warum Biden bei einer wichtigen Wählergruppe wesentlich beliebter ist als Trump: bei den Frauen in den Vorstädten. Gemäss einer neuen Umfrage des «Wall Street Journal» ist die Abtreibungsfrage für diese Frauen das wichtigste Thema bei dieser Wahl.
Interessant könnte dabei vor allem Florida sein. Donald Trump lag dort in den Umfragen bisher komfortabel in Führung. Doch in dem bevölkerungsreichen Gliedstaat gilt seit Mai ein Abtreibungsverbot nach der sechsten Schwangerschaftswoche. Nun lag Biden in einer kürzlichen Umfrage «nur» noch vier Prozentpunkte hinter Trump zurück. Gewinnt der demokratische Präsident die Wahl in dem grossen Gliedstaat, würde dies seine Chancen auf eine Wiederwahl wesentlich erhöhen.

