Sonntag, Dezember 29

Der Fussball-WM 2034 im Königreich folgen womöglich die Olympischen Spiele. Wie lange die Ära dauert, entscheidet sich nicht zuletzt in der Schweiz.

Eigentlich sollte es keine Frage sein, wo sich das machtpolitische Zentrum der Sportwelt befindet: am nördlichen Ufer des Genfersees. Mehr als vierzig internationale Sportverbände und -organisationen haben ihren Hauptsitz in der Schweiz, besonders viele von ihnen im Kanton Waadt. Das Internationale Olympische Komitee logiert am Seeufer in Lausanne. Zwölf Autominuten oberhalb fällt der Internationale Sportgerichtshof seine Urteile. In der Schweiz werden Grossanlässe konzipiert, Wettkämpfe vergeben, Regeln beschlossen und deren Einhaltung überwacht.

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In letzter Zeit konnte der Eindruck entstehen, statt der Schweiz übernehme Saudiarabien die globale Vormachtstellung. Das Königreich investiert enorm, um sich Veranstaltungen ins Land zu holen, Stars in die nationale Fussballliga zu lotsen und Klubs zu übernehmen. Seit April unterstützt der saudische Ölkonzern Aramco die Fifa mit dem lukrativsten Sponsoringvertrag in der Geschichte des Weltfussballverbandes. Jetzt hat Saudiarabien den Zuschlag erhalten, um die Fussball-WM 2034 auszutragen. In etlichen weiteren Sportarten vom Tennis übers Boxen bis zum Golf läuft es ähnlich: Saudiarabiens Staatsfonds öffnet das Portemonnaie, und das Königshaus bekommt, was es will.

Viele Funktionäre lassen sich einfach korrumpieren

Hartnäckig halten sich Spekulationen, die Monarchie könnte sich auch noch um die Olympischen Sommerspiele 2036 bemühen. Die Liste der Kontrahenten ist lang, aber es ist anzunehmen, dass das Internationale Olympische Komitee (IOK) die Bewerbung aus dem Nahen Osten besonders wohlwollend prüfen würde. Im Juli vergab das IOK bereits die neu lancierten olympischen E-Sports-Spiele für die nächsten zwölf Jahre an Saudiarabien. Selbst Experten zeigten sich überrascht, wie schnell und intransparent der Entscheid fiel. Saudiarabien hat die in der Schweiz beheimateten Sportinstitutionen von der Fifa bis zum IOK mit seiner Spendierfreude in ein Abhängigkeitsverhältnis manövriert.

Doch all das ist kein neuartiges Phänomen. Seit Jahren untergraben autokratische Regime den Einfluss der Verbände. Sie nützen aus, dass sich viele Funktionäre ernüchternd einfach korrumpieren lassen. Russlands Langzeitherrscher Wladimir Putin umgarnte bereits den ehemaligen Fifa-Präsidenten Joseph Blatter. Offen berichtete der Schweizer später von bezahlten Flügen mit Privatjets, Schlittschuhlaufen in Moskau und einem regen Briefwechsel.

Putin schaffte es, Vertrauenspersonen in den wichtigsten Gremien der Sportwelt zu installieren. Blendend vernetzt, holte sich Russland Grossanlässe in Serie ins Land: Die Biathlon-Weltmeisterschaften 2011, die Leichtathletik-WM 2013, die Olympischen Winterspiele 2014, die Schwimm-WM 2015, die Eishockey-WM 2016, die Fussball-WM 2018. Russland rief eine «Dekade des Sports» aus, und es wäre naheliegend gewesen, das Land in jener Phase als Zentrum der Sportwelt zu bezeichnen.

Das Beispiel zeigt aber vor allem, wie schnell sich die Zeiten ändern können. Als Russlands staatlich orchestriertes Doping aufflog, nahm Putins Ruf in der Sportwelt bereits schweren Schaden. Spätestens mit dem völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine wurden Weltmeisterschaften in Moskau oder St. Petersburg auf absehbare Zeit undenkbar. Russische Sportler durften an internationalen Titelkämpfen nur noch unter neutraler Flagge antreten, und Putins einst mächtige Funktionärsriege wurde von den Ehrentribünen verbannt.

Im Fussball geht die Strategie auf

Saudiarabien hat in den letzten Jahren über 50 Milliarden Dollar in Anlässe, Klubs und Athleten investiert oder entsprechende Zusagen gemacht. Das ist viel Geld – aber Russland gab allein für die Winterspiele in Sotschi 50 Milliarden Dollar aus. Es blieben leerstehende Sportstätten sowie verwaiste Hotelanlagen zurück. Und eine lokale Bevölkerung, die sich fragen muss, was das alles sollte, sofern sie nicht der Staatspropaganda erlegen ist.

Bis jetzt wirkt Saudiarabiens Vorgehen nachhaltiger. Das Königreich vermeidet den Fehler Russlands, sich auf einmalige Grossanlässe zu fokussieren. Stattdessen legt es besonderen Wert darauf, die nationale Fussballliga attraktiv zu machen – vorderhand für die einheimische Bevölkerung und erst im zweiten Schritt zwecks globaler Vermarktung. Die Strategie beginnt aufzugehen. Bei den Spielen der vier besten Klubs sind die Stadien gut gefüllt, die Fanszenen wachsen.

Saudiarabiens Ära im Sport wird voraussichtlich länger dauern als jene von Russland. Aber auch sie dürfte eines Tages enden. Vielleicht weil die Begeisterung des Königshauses nachlässt, signifikante Teile der schwindenden finanziellen Reserven in den Sektor zu investieren. Oder auch weil sich die geopolitischen Verhältnisse ändern.

Nicht auszuschliessen ist zudem, dass sich die Protagonisten der in der Schweiz sitzenden Verbände eines Tages im eigenen Interesse von den Autokratien zu emanzipieren beginnen. Sie wären gut beraten, nicht mehr allzu viele Grossanlässe in Staaten ohne Sporttradition zu vergeben. Denn wenn angestammte Zuschauer das Interesse verlieren, ist der Schaden irreparabel. Die Funktionäre hätten es in der Hand: Sich korrumpieren zu lassen, ist Selbstverzwergung.

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