Er war erst Held, dann Kriegsverbrecher: Über das Ende einer australischen Ikone.
Australiens Nationalheld ist tief gefallen – und dies bereits zum zweiten Mal. Ben Roberts-Smith, einst gefeierter Elitesoldat und Träger der höchsten britischen militärischen Auszeichnung, des Victoria-Kreuzes, hat seine Berufung gegen ein Verleumdungsurteil verloren. Drei Bundesrichter in Sydney bestätigten am Freitag das Urteil aus dem Jahr 2023, wonach Medienberichte, gemäss denen Roberts-Smith in Afghanistan Kriegsverbrechen begangen hat, im Kern wahr sind.
Damit dürfen Medien weiterhin berichten, dass der 46-Jährige Kriegsverbrechen begangen hat – eine dramatische Wende für einen Mann, der in Australien lange als Inbegriff von Mut, Ehre und Patriotismus galt. Seine Uniform ist im australischen Kriegsmuseum in Canberra ausgestellt, ein Foto zeigt ihn neben der verstorbenen Queen Elizabeth II. 2013 wurde er zum «Vater des Jahres» gekürt. Heute ist sein juristischer Kampf offenbar am Ende, sein Ruf schwer beschädigt.
Was hat Ben Roberts-Smith getan?
Das Zivilverfahren vor zwei Jahren war nicht nur wegen der prominenten Figur im Zentrum des Falls von grosser Bedeutung. Es war das erste Mal in der Geschichte Australiens, dass ein Zivilgericht sich mit Vorwürfen mutmasslicher Kriegsverbrechen durch eigene Streitkräfte befasst hatte.
Roberts-Smith hatte 2018 mehrere Zeitungen verklagt, darunter den «Sydney Morning Herald» und die «Canberra Times». Journalisten hatten unter Berufung auf Augenzeugenberichte und interne Militärdokumente detailliert beschrieben, wie Roberts-Smith unbewaffnete afghanische Zivilisten getötet und sich an brutalen Ritualen beteiligt haben soll. Roberts-Smith bestritt alle Vorwürfe.
Das Gericht sah es jedoch als erwiesen an, dass die Medien im Wesentlichen korrekt berichtet hatten. Bereits 2023 kam ein Richter zu dem Schluss, dass Roberts-Smith mit «überwiegender Wahrscheinlichkeit» Kriegsverbrechen begangen habe. Unter den schwerwiegendsten Anschuldigungen war die Tötung eines Mannes im afghanischen Dorf Darwan im September 2012. Roberts-Smith soll den mit Handschellen gefesselten Bauern über eine zehn Meter hohe Klippe in ein trockenes Flussbett getreten haben. Im Anschluss sollen seine Untergebenen den verletzten Mann, der sich bei dem Sturz mehrere Zähne ausgeschlagen hatte, zu einem Baum gezerrt und auf seine Anweisung hin erschossen haben.
Eine weitere Mission, die vor Gericht behandelt wurde, fand im April 2009 statt, als australische Spezialeinheiten ein Taliban-Gelände namens «Whiskey 108» angegriffen hatten. Laut den Journalisten soll Roberts-Smith einen der Männer, der eine Beinprothese trug, ausserhalb des Geländes mit einem Maschinengewehr mindestens zehnmal in den Rücken geschossen und ihn so getötet haben. Die Prothese soll er als eine Art Trophäe behalten und daraus später mit Kameraden Bier getrunken haben. Ein zweiter Mann soll – angeblich auf Anordnung von Roberts-Smith – von einem jungen Soldaten erschossen worden sein. Dies soll der Veteran als eine Art Initiierung ins Kriegshandwerk gesehen haben.
Jetzt droht die strafrechtliche Verfolgung
Die Berufungsverhandlung fand bereits im Februar 2024 statt und dauerte insgesamt zehn Tage. Am Freitag wurde die Beschwerde von Roberts-Smith nun jedoch zurückgewiesen. Damit bleibt ihm nur noch die Option, den High Court, Australiens höchstes Gericht, anzurufen. Ob dieser einer weiteren Berufung stattgeben würde, ist offen. Gleichzeitig öffnet das Urteil die Tür für eine strafrechtliche Verfolgung durch die australische Bundespolizei und das Office of the Special Investigator, das für die Aufarbeitung mutmasslicher Kriegsverbrechen australischer Soldaten zuständig ist.
Der Prozess um Roberts-Smith entwickelte sich über die Jahre zu einem medialen Grossereignis. Insgesamt 110 Verhandlungstage, geschätzte Kosten von über 25 Millionen australischen Dollar – über 14 Millionen Euro – und ein Thema, das an den Grundfesten des australischen Selbstverständnisses rüttelte.
Australien arbeitet den Afghanistan-Einsatz auf
Die Causa Roberts-Smith ist Teil einer breiteren Aufarbeitung des australischen Militäreinsatzes in Afghanistan. Ein offizieller Bericht aus dem Jahr 2020 kam zu dem Ergebnis, dass australische Elitesoldaten zwischen 2005 und 2016 vermutlich 39 Zivilisten und Gefangene getötet haben. Im März 2023 wurde erstmals ein ehemaliger Soldat wegen mutmasslicher Kriegsverbrechen angeklagt. Weitere Verfahren könnten folgen – auch gegen Roberts-Smith.