Sonntag, September 29

Hohe Schulden, operatives Missmanagement und ein gravierender Hackerangriff. Bei Varta kam jüngst viel Ungemach zusammen.

Varta steht für Energie. Doch gerade die Energie drohte dem Batteriehersteller aus Baden-Württemberg sinnbildlich auszugehen: zu hoch die Schulden, zu gross die operativen Probleme. Seit Wochen verhandelten Vorstand, Gläubiger, Kreditfonds und mögliche neue Investoren über eine Sanierung. Jetzt einigten sich die Beteiligten auf eine Lösung. Das Traditionsunternehmen mit dem blau-gelben Batterielogo ist vorerst gerettet.

Fehlkalkulation mit Apple-Belieferung

Varta produziert und vermarktet ein umfassendes Portfolio von Mikrobatterien über Haushaltsbatterien und Energiespeichersysteme bis hin zu kundenspezifischen Batterielösungen für unterschiedliche Anwendungen. Der Grund für die Schieflage sind laut dem Vorstandsvorsitzenden Michael Ostermann Fehlinvestitionen aus den Jahren 2021 und 2022.

Diese betrafen grosse Lithium-Ionen-Batterien sowie Mini-Akkus für Kopfhörer, mit denen Varta den amerikanischen Technologiekonzern Apple belieferte. Apple hat jedoch damit begonnen, seine Lieferkette zu diversifizieren, so dass für Varta weniger Aufträge übrigbleiben. Zugleich drückten den Konzern sehr hohe Schulden, so dass offenbar eine Insolvenz wegen Überschuldung im Raum stand.

Die übermässigen Schulden sollen nun durch eine Kombination aus Schuldenschnitt und Verlängerung der verbleibenden Kreditforderungen von 485 auf 200 Millionen Euro sinken. Zugleich verlieren alle bisherigen Aktionäre ihr Geld, denn das Grundkapital wird im Rahmen der Rettung auf null gesetzt – daraus resultiert ein Totalverlust für die Anteilseigner.

Im Anschluss bekommt Varta per Kapitalerhöhung 60 Millionen Euro und erhält weitere 60 Millionen Euro durch ein vorrangig besichertes Darlehen von bestehenden Gläubigern. Dadurch sollen die Liquidität und die Fähigkeit zu nötigen Investitionen sichergestellt werden. Die Gläubigerbanken verzichten zudem auf knapp 60 Prozent ihrer Forderungen, womit die Finanzierung bis Ende 2027 gesichert ist.

Porsche will Booster-Batterien für den 911er GTS sichern

Bei der Kapitalerhöhung kommen 30 Millionen Euro vom Grossaktionär Michael Tojner, einem österreichischen Investor, der 50,1 Prozent der Aktien besitzt und zugleich als Aufsichtsratsvorsitzender bei Varta amtiert. Die anderen 30 Millionen Euro steuert die Porsche AG bei, eine Tochtergesellschaft des Volkswagen-Konzerns, die bei Varta Grosskunde ist. Rechtlich gehört Varta künftig also zu jeweils 50 Prozent Michael Tojner und der Porsche AG.

Für Porsche ist die Rettung essenziell, weil der Sportwagenhersteller sogenannte Booster-Batterien von der Varta-Tochter V4Drive bezieht. Für das Produkt ist Porsche der einzige Kunde. Diese Batterie kann offenbar sehr schnell Energie aufnehmen und auch wieder abgeben, weshalb Porsche sie beim Turbohybrid-Antrieb des Modells 911 GTS einsetzt. Einen anderen Anbieter mit einer derart leistungsfähigen Batterie gibt es offenbar weltweit nicht. Mittelfristig soll die Produktion der Batterien in die V4Drive-Battery-GmbH ausgegliedert werden, an der Porsche dann die Mehrheit übernehmen will.

Der Kredit über 60 Millionen Euro der bestehenden Gläubiger wird diesen dadurch versüsst, dass sie eine virtuelle Beteiligung von 36 Prozent am wirtschaftlichen Eigenkapital von Varta erhalten und entsprechend von den künftigen Gewinnausschüttungen profitieren. Die übrigen 64 Prozent teilen sich jeweils hälftig die Finanzgesellschaft MT InvestCo von Michael Tojner und die Porsche AG.

Varta saniert sich im Rahmen eines seit Anfang 2021 gültigen Gesetzes, des sogenannten Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens für Unternehmen (Starug). Dieses Verfahren dient vereinfacht gesagt dazu, den Widerstand einzelner Aktionäre oder Gläubiger zu umgehen, falls durch ihr Verhalten ein überlebensfähiges Unternehmen in die Insolvenz zu rutschen droht. Das Verfahren wurde bereits beim Automobilzulieferer Leonie, dem Oberhemden-Hersteller Eterna und der Modekette Gerry Weber angewandt.

Hackerangriff und Verbannung aus dem S-DAX

Dennoch bleibt ein unangenehmer Beigeschmack, weil die bestehenden Kleinaktionäre nicht bei der Kapitalerhöhung mitmachen dürfen. Aktionärsschützer sprechen von kalter Enteignung. Doch auch bei einer normalen Insolvenz wäre den Aktionären vermutlich nichts geblieben. Auch der Grossaktionär Tojner, dem die Hälfte des Unternehmens gehört, geht leer aus, er gibt jedoch frisches Kapital. Die andere Hälfte der Aktien liegt bei institutionellen Investoren und Kleinanlegern, Letztere trifft ein solcher Fall typischerweise besonders hart.

Der Vorstand habe alles versucht, um die Kleinaktionäre bei der Kapitalerhöhung noch an Bord zu holen, sagte der Konzernchef Ostermann gegenüber den Medien. Das sei rechtlich in der jetzigen Situation aber nicht möglich gewesen, weil Varta mangels eines geprüften Jahresabschlusses für 2023 keinen Prospekt erstellen könne, der für eine breite Kapitalerhöhung aber notwendig sei.

Varta war im Februar Opfer eines Hackerangriffs geworden, weshalb die Produktion teilweise stillstand und Mitarbeiter nicht auf Firmendaten zurückgreifen konnten. Daraufhin wurde auch die Publikation des Jahresabschlusses verschoben. Der mangelnde Abschluss hatte zur Folge, dass Varta den Nebenwerte-Index S-DAX verlassen musste.

Ein alternativer Sanierungsvorschlag von vier Kreditfonds ohne die Beteiligung von Tojner und Porsche kam nicht zum Zug. Dabei sollte laut Medienberichten die benötigte Liquidität vor allem über neue Kredite sowie den Verkauf von Patenten zugeführt werden. Am Ende scheinen die Kreditfonds jedoch eingelenkt zu haben.

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