Sonntag, April 20

Was die gemeinsame bodengestützte Luftverteidigung mit 21 europäischen Staaten für die Schweiz heisst, bleibt aber offen.

art./geo.

Es war eine handfeste Überraschung: Im vergangenen Sommer unterzeichneten die Chefin des Verteidigungsdepartements Viola Amherd und ihre österreichische Amtskollegin Klaudia Tanner eine Absichtserklärung für den Beitritt zur European Sky Shield Initiative (ESSI). Am Mittwoch hat nun der Bundesrat die Beitrittserklärung genehmigt. Bei der ESSI handelt es sich um eine Initiative Deutschlands zur bodengestützten Luftverteidigung (Bodluv) in Europa. Im Vordergrund der Zusammenarbeit steht laut einer Mitteilung des Bundesrats eine bessere Koordination von Beschaffungsvorhaben, der Ausbildung sowie logistischer Aspekte im Bereich der bodengestützten Luftverteidigung.

Die Initiative wurde im August 2022 von 15 europäischen Staaten lanciert. Ziel ist es, die Luftverteidigung in Europa zu stärken und die Anstrengungen besser zu bündeln. Ein gemeinsamer Aufbau des Systems wäre nicht nur kostengünstiger und effizienter, «es wäre ein Sicherheitsgewinn für ganz Europa und ein hervorragendes Beispiel dafür, was wir meinen, wenn wir von der Stärkung der europäischen Säule der Nato sprechen», argumentierte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Lancierung im August 2022. Mittlerweile sind 21 Staaten der Initiative beigetreten, 11 davon haben die Beitrittserklärung unterzeichnet.

Von einem echten Beitritt zum European Sky Shield kann allerdings keine Rede sein: Die Schweiz will bei der Beschaffung und in der Logistik von den Skaleneffekten profitieren. Was die ESSI für die Schweiz darüber hinaus tatsächlich bedeutet, hat der Bundesrat bisher nicht konkretisiert. Klar dürfte es spätestens bei den Rüstungsprogrammen der Jahre 2026 und 2027 werden. Gemäss derzeitiger Investitionsplanung sollen dann neue Bodluv-Systeme beschafft werden. Vor einer Integration der Schweizer Luftwaffe in ein gemeinsames Dispositiv schreckt die Schweiz zurück und hält weiterhin an einer Insellösung für den konkreten Einsatz fest.

Das deutet darauf hin, dass die Neutralitätsinitiative der SVP eine Vorwirkung entfaltet. Die Initiative fordert eine Absage an eine Beteiligung an Militärbündnissen wie der Nato sowie den Verzicht auf nichtmilitärische Zwangsmassnahmen (Sanktionen). Die SVP hatte bereits Amherds Absichtserklärung zur ESSI im vergangenen Sommer massiv kritisiert. Dieser Beitritt komme einem schleichenden Nato-Beitritt gleich und beschädige die ohnehin angeschlagene Glaubwürdigkeit der Schweizer Neutralität weiter, hielt die Partei fest.

Diese Kritik griff Bundespräsidentin Viola Amherd am Mittwoch anlässlich ihres Staatsbesuchs in Wien erneut auf. «Bei einem Angriff auf die Schweiz ist die Neutralität hinfällig», stellte sie klar. Um den innenpolitischen Widerständen zu begegnen, haben der Bundesrat und die österreichische Regierung im vergangenen Juli eine Zusatzerklärung unterzeichnet. Darin wird festgehalten, dass die Abwehrbatterien der beiden Staaten nur gegen Ziele im Inland zum Einsatz kommen und sie alle Entscheidungen selbst treffen.

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