Mittwoch, Oktober 9

Der Nepalese behauptet, jemand habe seiner jüngsten Expedition auf den Mount Everest schaden wollen. Alles nur haltlose Anschuldigungen, entgegnet das nepalesische Tourismusministerium.

Hat der nepalesische Bergsteiger Nirmal Purja gelogen, um seine Popularität zu steigern? Oder wollte jemand seine Expedition sabotieren? Sicher ist lediglich, dass Purja dieser Tage am Mount Everest für Streitereien sorgt.

Purja zählt zu den weltweit bekanntesten Bergsteigern. Im Jahr 2019 bestieg er innert sechs Monaten alle 14 Achttausender. Begleitet wurde er dabei von einem Filmteam, welches das Projekt im Netflix-Film «14 Gipfel: Nichts ist unmöglich» dokumentierte. Der Film landete in den Top Ten der weltweit am häufigsten gestreamten Filme auf der Plattform und machte Purja zum Superstar. Auf Instagram folgen ihm über zwei Millionen Menschen. Nun verbreitet er auf seinem Kanal brisante Anschuldigungen.

«Die Leute versuchen mich stets zu Fall zu bringen»

Es geht um das Fixseil, das vom Basislager in 5350 Metern bis auf den 8848 Meter hohen Gipfel reicht und die Alpinisten beim Aufstieg sichert. «Jemand hat die Seile direkt unterhalb des Südgipfels durchgetrennt», sagt Purja in einem am Sonntag auf Instagram veröffentlichten Video. Damit habe man ihn und sein Team an der Besteigung des Gipfels hindern wollen. Es sei bekannt gewesen, dass sie an diesem Tag den Gipfel hätten erreichen wollen. Im Video spricht er per Funkgerät mit zwei Sherpas und fragt sie, ob sie bestätigen könnten, dass die Seile vergraben oder durchgeschnitten worden seien. Der erste Befragte konnte das nicht bestätigen. Der zweite sagte, es sehe so aus, als seien die Seile abgesägt und auf die andere Seite geworfen worden. Wer dafür verantwortlich sein soll, geht aus dem Video nicht hervor.

Er sei absolut sprachlos, schreibt Purja unter seinem Videobeitrag. Er habe versucht, ruhig zu bleiben. «Aber jetzt muss ich sprechen. Die Leute müssen das wissen.» Es sei nicht das erste Mal, dass er mit solch «ekelhaften» Dingen zu tun habe. Er sei seit mehreren Jahren «schmutziger Politik» ausgesetzt. «Einfach, weil ich die Branche aufgemischt habe und erfolgreich war. Die Leute versuchen mich stets zu Fall zu bringen.» Er sei enttäuscht von der Berggemeinde und werde wenn nötig jeden offen blossstellen. Blossgestellt wird nun aber Purja.

Vorwürfe schaden dem Image von Nepal

Die Vorwürfe seien falsch, teilte Damber Parajuli, der Präsident des Verbandes der nepalesischen Expeditionsveranstalter (EOAN), nach einer Krisensitzung in Nepals Hauptstadt Kathmandu mit. «Die Behauptungen sind haltlos und dienen lediglich dazu, die Sympathien der Menschen zu gewinnen.» Die Seile auf der Kletterroute seien intakt, mehrere Bergsteiger hätten in den vergangenen Tagen den Gipfel des Everest erklommen und keine Probleme an der Route oder den Seilen gemeldet. Unter ihnen die Nepalesin Purnima Shrestha, die am Wochenende als erste Frau überhaupt zum dritten Mal in einer Saison auf dem Gipfel stand. Parajuli sagte: «Zum Glück gibt es andere Bergsteiger, die das Fehlverhalten von Purja aufgedeckt haben.»

Auch andere Bergsteiger reagierten empört auf Purjas Video. «Niemand hätte absichtlich eine feste Linie am Berg durchgetrennt. Und wenn doch, wäre die Regierung bereit, schwere Strafen zu verhängen», schreibt der Sherpa Nga Tenjin in einem Kommentar unter dem Video.

«Die Vorwürfe schädigen das Image des Landes und der gesamten Klettergemeinschaft», sagte der EOAN-Präsident Parajuli der «Himalayan Times». Der Verband fordere das nepalesische Tourismusministerium auf, strenge Massnahmen gegen Purja zu ergreifen.

Das nepalesische Ministerium für Kultur, Tourismus und Zivilluftfahrt teilte Anfang Woche mit, dass ein Bergsteiger-Team den Everest in der Nacht auf Montag bestiegen und das Seil intakt vorgefunden habe – entgegen Purjas Behauptung. Am Dienstag kündigte das Ministerium an, dass es rechtliche Schritte gegen Purja und «andere Personen» eingeleitet habe. Der Vorwurf lautet «Verbreitung von Fehlinformationen mit der Absicht, Popularität zu gewinnen». Purja und sein Team haben sich zurzeit noch nicht zu den Ermittlungen und den Vorwürfen geäussert.

Das Mysterium am K2

An der Glaubwürdigkeit Purjas wurde auch früher schon gezweifelt. So behauptete Purja, er habe im Jahr 2016 eine indische Bergsteigerin am Everest gerettet. Laut eigenen Angaben soll er die Frau unterhalb des Gipfels gefunden und ins Lager 4 gebracht haben. Für die heroische Einzelrettung – für die Purja einen britischen Ritterorden erhielt – gibt es jedoch keine Beweise. Die Gerettete gab später an, dass sie weder Purja je getroffen habe, noch habe er sie gerettet, noch kenne sie ihn persönlich.

Auch seine Besteigung des K2 im Winter 2021 bleibt mysteriös. Laut eigener Aussage erklomm er den Gipfel ohne zusätzlichen Sauerstoff. Wie ihm das gelang, ist bis heute nicht vollends geklärt. Der Luftdruck ist am K2 in den Wintermonaten noch tiefer als am Mount Everest, die extreme Kälte erschwert das Atmen zusätzlich. Fragen, ob es Beweise gebe, dass er den Berg komplett ohne Sauerstoffflasche bestiegen habe, hat weder Purja noch seine Kommunikationsagentur je beantwortet.

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