Donnerstag, Juli 4

Ein 40-jähriger Schweizer soll den Hitlergruss gemacht, gegenüber dunkelhäutigen Minderjährigen das N-Wort benützt und sie mit einem Hammer bedroht haben.

Es war ein sonniger Sonntagnachmittag im Oktober 2023, als zwei dunkelhäutige Jugendliche es auf dem Sportplatz Meierwiesen in Wetzikon aus heiterem Himmel mit der Angst zu tun bekamen. Der eine von ihnen, ein 15-jähriger Schweizer, schildert im Saal des Bezirksgerichts Hinwil, wie er vom aggressiven Verhalten eines vorerst Unbekannten schockiert worden sei: Als er, der Jugendliche, über den Basketballplatz gelaufen sei, habe der später als 40-jähriger arbeitsloser Schweizer Bauleiter identifizierte Mann zu ihm gesagt: «Gaa zrugg nach Afrika, du Neger.»

Der Jugendliche zögert, den exakten Wortlaut des weiteren Ablaufs auszusprechen, wird aber von der vorsitzenden Richterin aufgefordert, es so zu sagen, wie es vorgefallen sei. Der Beschuldigte habe zu ihm gesagt, er werde seine Mami ficken, wenn er nochmals über den Basketballplatz laufe, erzählt der Jugendliche. Dann soll der Mann einen Hammer aus seinem Rucksack genommen und damit mehrfach gegen den Metallzaun geschlagen haben.

Wie die Staatsanwältin später in ihrem Plädoyer sagt: «in einer Manier, die man sonst nur aus amerikanischen Gangsterfilmen kennt». Ob er «Stress» oder «Schlegi» wolle, soll der Mann drohend gefragt haben.

Hitlergruss mit entblösstem Oberkörper

Vor einem anderen dunkelhäutigen Jugendlichen, der eine Adidas-Trainerjacke trug, soll sich der Beschuldigte dann mit entblösstem Oberkörper aufgebaut und den Hitlergruss gemacht haben. «Adidas ist eine deutsche Marke, du Fotze», soll der Beschuldigte zu ihm gesagt haben. Der 40-Jährige nahm sein Handy, machte ein Foto von dem Minderjährigen und soll kommentiert haben, er habe noch nie einen Schwarzen in einer deutschen Kleidermarke gesehen.

Die Sporttrainer der Jugendlichen riefen die Polizei. Das Foto wurde auf dem Mobiltelefon des Bauleiters gefunden. Zudem hatte er anfänglich seine Polizeikontrolle gefilmt. Auf dem Video ist zu hören, er werde jetzt nur kontrolliert, weil irgendwelche «chline Büebli de Polizei aaglüte händ». Gegenüber den Beamten soll sich der Bauleiter dann spontan geäussert haben: «Ich nehme eine Motorsäge und zerschnetzle die Ausländer. Nigger und Schwarze sollen massakriert werden.»

In seinem Rucksack wurden der Hammer, ein Küchenmesser, ein Teppichmesser und sein Schweizer Taufschein gefunden, den er – laut Staatsanwältin – mitführe, «um stets seine aus seiner Sicht superiore Abstammung gegenüber jedermann beweisen zu können».

Der 40-Jährige wurde verhaftet und ist bis heute, also rund neun Monate später, nicht mehr freigekommen. Im psychiatrischen Gerichtsgutachten wird ihm eine hohe Gefahr für schwere Gewaltdelikte attestiert. Er ist wegen Hinderung einer Amtshandlung und wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte vorbestraft. Beim zweiten Vorfall war ein Messer im Spiel.

Der Beschuldigte stellt sich als Opfer dar

Bei seiner Befragung im Gerichtssaal erklärt der Beschuldigte, nicht er habe die Minderjährigen bedroht, sondern sie hätten ihn bedroht und ihm auf die Schuhe gespuckt. Was sie erzählten, sei unwahr. Er sei schockiert gewesen, als er erfahren habe, dass sie noch minderjährig seien, und habe das nicht gemerkt. Die Jugendlichen gehörten zu einer gefährlichen Jugendgang in Wetzikon und hätten ihm gegenüber das C-Handzeichen der berüchtigten amerikanischen Gang Crips gemacht.

Dass die Polizei angerufen worden sei, sei auf seinen Wunsch passiert. Zu dem Grund, weshalb er das Foto gemacht habe, erzählt er: «Wenn die mich umgebracht hätten, hätten die Polizisten so das Föteli gefunden und dann hoffentlich gedacht, vielleicht waren es ja die!»

Den Hammer habe er mitgeführt, um eingeklemmte Basketbälle wieder aus dem Ring zu stupsen. Das Teppichmesser benötige er, um Papiere für selbstgedrehte Zigaretten zu schneiden, und mit dem Küchenmesser habe er auf dem Basketballfeld einen Apfel zerteilt.

Dass die Richterin ihn nach dem Hitlergruss frage, sei eine Beleidigung, weil er ein Schweizer Bürger sei, dessen Grossväter im Zweiten Weltkrieg für die Souveränität gekämpft hätten. Er betont immer wieder, dass er ein «ganz normaler Schweizer 08/15-Bürger» und ein Freund der Polizei sei.

Es sei aber wirklich unglaublich, dass ein 40-jähriger Schweizer Bürger einfach so verhaftet werde. Die Staatsanwältin, die er mehrfach nur «junge Frau» nennt, sei stark überfordert mit dem Fall. Es sei gar nicht möglich, dass er rassistisch sei, weil er nur Musik von dunkelhäutigen Rappern höre und Familienangehörige in Afrika habe.

Als «absolut unseriös» bezeichnet er das psychiatrische Gutachten und lässt sich über den hochdeutsch sprechenden Gutachter aus. «Ich habe zu tausend Prozent kein psychisches Problem», argumentiert er und sagt, er werde bei einer Therapie nicht kooperieren. Es sei eine absolute Frechheit, dass ein deutscher Staatsbürger einen Schweizer Staatsbürger in puncto Nationalsozialismus beurteile.

Gemäss dem Gutachten war seine Einsichtsfähigkeit zur Tatzeit voll erhalten, die Steuerungsfähigkeit aber im mittleren Grad eingeschränkt. Der Beschuldigte leide an einer Persönlichkeitsstörung mit dissozialen, depressiven Verhaltensweisen und der basalen Wahrnehmung einer ungerechten Umgebung. Sodann bestehe ein starker Verdacht auf Schizophrenie mit undifferenzierter Verlaufsform.

Laut Gutachten muss zunehmend mit schwerer Gewaltkriminalität gerechnet werden, falls der Beschuldigte unbehandelt bleibe. Aufgrund der wiederholt mitgeführten Waffen und der Bereitschaft, diese einzusetzen, seien «schwere Opferschäden» möglich.

Stationäre Massnahme beantragt

Die Staatsanwältin beantragt eine Verurteilung wegen Diskriminierung und Aufruf zu Hass sowie Drohung und Beschimpfung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten und einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 30 Franken unter Einbezug einer widerrufenen Vorstrafe. Beides sei zu vollziehen. Es sei aber eine stationäre Massnahme im Sinne von Art. 59 Abs. 1 StGB zur Behandlung von psychischen Störungen anzuordnen, weil der Beschuldigte gefährlich sei.

Als der 40-Jährige während ihres Plädoyers immer wieder laut dazwischenredet, wird er mehrfach ermahnt und verlässt den Saal dann auf eigenen Wunsch: «Ich würde gerne draussen warten», meint er. Auch das Verteidigerplädoyer will er sich nicht mehr anhören und geht lieber vorzeitig ins Gefängnis zurück.

Sein amtlicher Verteidiger beantragt einen vollumfänglichen Freispruch. Die Delikte, die normalerweise bloss mit Geldstrafen geahndet würden, und die lange Haft stünden in keinem Verhältnis zueinander. Dem Beschuldigten sei eine Genugtuung von 53 600 Franken für 268 Tage ungerechtfertigte Haft auszurichten.

Es sei ein Fall von Aussage gegen Aussage. Die Vorwürfe könnten nicht rechtsgenügend erstellt werden. Die Aussagen der Jugendlichen seien stark übertrieben, dramatisiert und wenig authentisch. Der Beschuldigte müsse nach dem Grundsatz «in dubio pro reo» freigesprochen werden. Rassendiskriminierung sei zudem strafrechtlich nur relevant, wenn die Äusserungen öffentlich erfolgten, und dies sei hier nicht der Fall.

Ein Urteil wurde noch nicht gefällt.

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