Freitag, Oktober 25

Die Brics-Gruppe feiert sich bei ihrem Gipfel selbst. Putin belehrt den Uno-Generalsekretär, wie rührend sich Russland um die «grosse globale Familie» kümmere. In der Abschlusserklärung finden sich derweil nur Worthülsen.

Grosskatzen müssten geschützt werden, da sei Zusammenarbeit nötig. So heisst es in der Abschlusserklärung des 16. Brics-Gipfels, der am Donnerstag in Kasan, rund 700 Kilometer östlich von Moskau, zu Ende gegangen ist. Unter Punkt 20 einigen sich die neun Länder, die mittlerweile zu den anfänglichen Mitgliedstaaten Brasilien, Russland, Indien, China und später Südafrika gehören, auf die Schaffung einer «Internationalen Grosskatzen-Allianz». Erst unter Punkt 36 wird an die «nationalen Positionen zur Lage in und um die Ukraine erinnert». Dabei müssten alle Staaten gemäss der Uno-Charta handeln, heisst es darin.

In der Uno-Charta haben sich die Staaten dazu verpflichtet, die territoriale Integrität jedes Landes zu wahren. Eine Aufforderung an Russlands Präsidenten Wladimir Putin, den Krieg gegen die Ukraine zu beenden, findet sich nicht im Abschlussdokument. Auch von einer öffentlichen Verurteilung von Putins «militärischer Spezialoperation» sehen die in Kasan Angereisten ab. So kann sich Putin auf seiner kleinen Weltbühne feiern lassen und Dank ernten für die russische Gastfreundschaft. Er demonstriert damit, dass Russland international keineswegs isoliert ist. Das staatstreue russische Fernsehen feiert die Tage in Kasan wie ein Jahrhundertereignis.

Selbst der Uno-Generalsekretär spielt mit

Die Symbolkraft der Bilder beherrscht der Kreml ausgezeichnet. Bemerkenswert ist auch, wie sich selbst ein hoher Repräsentant des Völkerrechts, der Uno-Generalsekretär António Guterres, in die Propaganda einspannen lässt. Er ist zum Aggressor Putin gereist und sitzt mit am grossen runden Tisch der 36 Staaten, die Moskaus Einladung angenommen haben.

«Geehrter Herr Generalsekretär», sagt Putin bei dieser Gelegenheit, «wir leben wie eine grosse Familie und schaffen Mechanismen, um Handgemengen vorzubeugen. Ja, das tun wir hier.» Guterres, der ganz zum Schluss – nach Reden der Staatsführer von etwa Bolivien, Weissrussland, Vietnam, Kongo, Tadschikistan, Kasachstan, Indonesien – spricht, bringt seine «vier wichtigsten Punkte» an: Reformen des Finanzsystems, Klimawandel, Künstliche Intelligenz und Frieden – «in Gaza, in Libanon, in der Ukraine, im Sudan». Guterres unternimmt nichts, um den Kremlchef auf offener Bühne dessen Völkerrechtsbruch vorzuhalten, und führt damit das Völkerrecht einmal mehr ad absurdum.

Auf 43 Seiten führen die Brics-Mitglieder in 134 Punkten auf, was ihnen wichtig erscheint. Es sind Worthülsen, die mit Sätzen wie «wir sind besorgt», «wir begrüssen», «wir freuen uns», «wir bekräftigen» beginnen. Es geht dabei um die «Schaffung einer multipolaren Ordnung» und die Verurteilung von «illegalen Sanktionen». Bewaffnete Konflikte in verschiedenen Weltregionen sollen beigelegt und ein Wettrüsten im Weltraum verhindert werden. Afghanistan solle ein «unabhängiger, friedlicher Staat, frei von Terroristen» werden, und es solle mehr Aufmerksamkeit auf den Sudan gerichtet werden. Es wird eine «Notwendigkeit von Menschenrechten in allen Ländern» konstatiert und eine Verpflichtung zu einem «agileren, effektiveren, reaktionsfähigeren, legitimeren, demokratischen multilateralen System» abgegeben.

Es sind zynische Worte von Staatenlenkern, die in ihren Ländern die Demokratie mit Füssen treten. Der weissrussische Präsident Alexander Lukaschenko, der seine Gegner ins Gefängnis sperren lässt, so dass die Aussenwelt nicht einmal weiss, wo sie sind und wie es ihnen geht, bezeichnet Brics als «Gemeinschaft der Zukunft». Sie werde zum Ende der Geschichte der westlichen Dominanz führen. Guterres sitzt da und hört still zu. Die «globale Mehrheit», wie sich der Klub der in Kasan Versammelten, meist Autokraten und Diktatoren, nennt, lobt sich selbst und seine Vorstellungen von einer «gerechteren» Weltordnung.

Allzu unterschiedliche Interessen

Doch so sehr die Brics-Gruppe ein Gegengewicht zum Westen bilden will, ist sie weiterhin keine Allianz. Zu unterschiedlich sind die Interessen der Länder, die alle ihre eigene Agenda verfolgen und auf die Balance bedacht sind. Die Abschlusserklärung bleibt kaum mehr als eine Aneinanderreihung wolkiger und widersprüchlicher Ideen. Putins herbeigesehnte «De-Dollarisierung» der Welt ist nicht vorangekommen. Das Brics-Zahlungssystem, das eine Alternative zu Swift sein sollte, ist nur ein gemeinsamer Traum. Dass es an Konkretem zunächst fehlt, ist für Moskau ohnehin nicht von grosser Relevanz. Moskau hat in Kasan das bekommen, was es lange gesucht hatte: Einige Mächtige der Welt stehen zusammen, mit Putin in ihrer Mitte.

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